OTS: Börsen-Zeitung / Nur ein erster Schritt / Kommentar zu den neuen ...
13.08.2020 | 18:57
Nur ein erster Schritt / Kommentar zu den neuen Dax-Regeln von
Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots) - Am Montag, dem 24. August, wird der Dax endlich Wirecard-frei
sein. Denn nach der von der Deutschen Börse beschlossenen Regeländerung werden
Aktien insolventer Unternehmen künftig umgehend aus den Indizes der Dax-Familie
entfernt werden, was im Fall von Wirecard am 21. August nach Börsenschluss
geschehen wird. Die Entscheidung zur beschleunigten Entnahme von Wirecard war
unumgänglich. Denn es war angesichts der Ungeheuerlichkeit des
Bilanzfälschungsskandals nicht hinnehmbar, dass die Aktie den Blue-Chip-Index,
der ein Aushängeschild der deutschen Wirtschaft ist, noch bis weit in den
nächsten Monat hinein verunzieren würde.
Der Dax-Mitgliedschaft unwürdig ist Wirecard auch durch den Kursabsturz und die
daraus resultierende, für den Index viel zu niedrige
Streubesitzmarktkapitalisierung sowie aufgrund der enormen Tagesschwankungen des
Titels. Wirecard ist zum Zockerpapier verkommen, das mit solider Anlage nichts
mehr zu tun hat. Die Aktie ist eine Zumutung für Marktteilnehmer, vor allem für
solche, die indexabbildende Produkte betreiben und somit gezwungen sind, den
Titel zu halten.
So begrüßenswert die Entscheidung auch ist: Sie kann letztlich nur ein erster
Schritt sein. Die von der Deutschen Börse angekündigte eingehendere Überprüfung
des Regelwerks, deren Ergebnisse noch in diesem Jahr vorgelegt werden sollen,
muss zu weiteren Veränderungen führen, um das Risiko weiterer Reputationsschäden
zu vermindern. Dabei müssen auch Corporate-Governance-Aspekte berücksichtigt
werden.
Was würde denn geschehen, wenn Wirecard nach dem Eingeständnis, dass
ausgewiesene 1,9 Mrd. Euro in Wirklichkeit nicht existieren, nicht in die
Insolvenz gegangen wäre? Die Aktie wäre dann, die Erfüllung der
Marktkapitalisierungs- und Umsatzkriterien vorausgesetzt, weiterhin für einen
der Auswahlindizes qualifiziert. Wie bereits im Fall Steinhoff geschehen. Der
Führung des 2015 in Frankfurt an die Börse gegangenen Möbelhandelskonzerns,
dessen Aktie vorübergehend einer der größten MDax-Titel war, ist nachgewiesen
worden, dass sie die Bilanz durch Luftbuchungen aufgebläht hat. Eine Insolvenz
konnte die Gesellschaft allerdings abwenden. Die Aktie brach ein und stieg in
den SDax ab. Im Dezember 2019 aus dem Index ausgeschieden, wurde sie im
zurückliegenden März wieder aufgenommen. So etwas darf sich nicht wiederholen.
Nachgewiesene Bilanzfälschung muss zum Indexausschluss und einer mehrjährigen
Sperre führen.
(Börsen-Zeitung, 14.08.2020)
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