Nur ein erster Schritt / Kommentar zu den neuen Dax-Regeln von

Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Am Montag, dem 24. August, wird der Dax endlich Wirecard-frei

sein. Denn nach der von der Deutschen Börse beschlossenen Regeländerung werden

Aktien insolventer Unternehmen künftig umgehend aus den Indizes der Dax-Familie

entfernt werden, was im Fall von Wirecard am 21. August nach Börsenschluss

geschehen wird. Die Entscheidung zur beschleunigten Entnahme von Wirecard war

unumgänglich. Denn es war angesichts der Ungeheuerlichkeit des

Bilanzfälschungsskandals nicht hinnehmbar, dass die Aktie den Blue-Chip-Index,

der ein Aushängeschild der deutschen Wirtschaft ist, noch bis weit in den

nächsten Monat hinein verunzieren würde.

Der Dax-Mitgliedschaft unwürdig ist Wirecard auch durch den Kursabsturz und die

daraus resultierende, für den Index viel zu niedrige

Streubesitzmarktkapitalisierung sowie aufgrund der enormen Tagesschwankungen des

Titels. Wirecard ist zum Zockerpapier verkommen, das mit solider Anlage nichts

mehr zu tun hat. Die Aktie ist eine Zumutung für Marktteilnehmer, vor allem für

solche, die indexabbildende Produkte betreiben und somit gezwungen sind, den

Titel zu halten.

So begrüßenswert die Entscheidung auch ist: Sie kann letztlich nur ein erster

Schritt sein. Die von der Deutschen Börse angekündigte eingehendere Überprüfung

des Regelwerks, deren Ergebnisse noch in diesem Jahr vorgelegt werden sollen,

muss zu weiteren Veränderungen führen, um das Risiko weiterer Reputationsschäden

zu vermindern. Dabei müssen auch Corporate-Governance-Aspekte berücksichtigt

werden.

Was würde denn geschehen, wenn Wirecard nach dem Eingeständnis, dass

ausgewiesene 1,9 Mrd. Euro in Wirklichkeit nicht existieren, nicht in die

Insolvenz gegangen wäre? Die Aktie wäre dann, die Erfüllung der

Marktkapitalisierungs- und Umsatzkriterien vorausgesetzt, weiterhin für einen

der Auswahlindizes qualifiziert. Wie bereits im Fall Steinhoff geschehen. Der

Führung des 2015 in Frankfurt an die Börse gegangenen Möbelhandelskonzerns,

dessen Aktie vorübergehend einer der größten MDax-Titel war, ist nachgewiesen

worden, dass sie die Bilanz durch Luftbuchungen aufgebläht hat. Eine Insolvenz

konnte die Gesellschaft allerdings abwenden. Die Aktie brach ein und stieg in

den SDax ab. Im Dezember 2019 aus dem Index ausgeschieden, wurde sie im

zurückliegenden März wieder aufgenommen. So etwas darf sich nicht wiederholen.

Nachgewiesene Bilanzfälschung muss zum Indexausschluss und einer mehrjährigen

Sperre führen.

(Börsen-Zeitung, 14.08.2020)

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