In der Werkstatt, Kommentar zu SAP von Sebastian Schmid

Frankfurt (ots) - Eine strategische Neuausrichtung von SAP dürfen Investoren mit

der neuen Doppelspitze nicht erwarten. Das haben die Co-CEOs Christian Klein und

Jennifer Morgan auf dem Kapitalmarkttag im vergangenen November bereits deutlich

gemacht und das wurde mit der Zahlenvorlage zum Schlussvierteljahr 2019 nun noch

einmal bestätigt.

Die Strategie des Vorgängers Bill McDermott, das Cloud-Geschäft auszubauen und

die Kunden in einem weit aufgefächerten SAP-Softwareuniversum möglichst

allumfassend zu bedienen, bleibt prinzipiell gleich. Ist es also nur ein wenig

Feintuning, das der neuen Doppelspitze ins Aufgabenheft geschrieben wurde? Nein.

Denn mit dem Drehen von ein paar Schräubchen ist es definitiv nicht getan.

Mit seinen milliardenschweren Zukäufen hat McDermott den alten Tanker SAP

äußerlich zwar mächtig aufgemotzt und auch schon gut in Richtung Cloud

gesteuert. Im Innern des von außen beeindruckend wirkenden Software-Schiffs

läuft allerdings ein zunehmend stotternder Motor, wie die drastisch gefallene

Kundenzufriedenheit im vergangenen Jahr gezeigt hat. Die zahlreichen neuen

Anwendungen mögen für sich genommen beeindruckend sein. Für ihr Zusammenspiel

sind indes zu oft Spezialkniffe nötig, weil ein Rad eben nicht wie

selbstverständlich ins andere greift. Das hat auch Co-CEO Christian Klein als

verantwortlicher Vorstand für die SAP-eigene IT leidvoll feststellen müssen und

macht sich nun mit Verve ans Beheben der Missstände.

Um bei der Motor-Analogie zu bleiben: McDermott hat eine Reihe moderner

Komponenten zusammengekauft, die aber erst noch zu einem funktionierenden und

kraftvollen Antrieb zusammengeschraubt werden müssen. Klein und Morgan ist es

zumindest schon gelungen, die aufgeregte Stimmung unter den Anwendern zu

beruhigen. Jetzt geht es in die Werkstatt.

Mondziele wie eine Marktkapitalisierung von 300 Mrd. Euro, die McDermott einst

avisiert hat, treten unter der neuen SAP-Führung in den Hintergrund. Für Zukäufe

und eine neue Strategie ist derzeit kein Raum. Die Doppelspitze ist weit mehr

als ihr Vorgänger im operativen Alltag verwurzelt und interpretiert ihre Rolle

entsprechend. Eine organisatorische Neuaufstellung und frische

Mitarbeiteranreize zur Software-Adaption bei den Kunden dienen nur der besseren

Umsetzung der von McDermott vorgezeichneten Strategie. Diese hat zwar

tatsächlich viel Potenzial. Die eigentliche Arbeit, um dieses auch zu heben,

fängt für SAP aber gerade erst an.

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