Die Zeit drängt, Kommentar zum Einzelhandel von Annette Becker

Frankfurt (ots) - Die Einschläge kommen näher. Nachdem sich Galeria Karstadt

Kaufhof am Mittwoch unter den insolvenzrechtlichen Schutzschirm geflüchtet hat,

tritt nun auch die Restaurantkette Vapiano den Gang zum Amtsgericht an. Der

angeschlagenen Pizza- und Pastakette wie auch dem Warenhausbetreiber und

mutmaßlich vielen anderen Einzelhändlern jenseits des Lebensmitteleinzelhandels

geht die Luft aus - unabhängig davon, ob sie schon vor Ausbruch der

Corona-Pandemie oder erst mit den staatlich verordneten Laden- und

Restaurantschließungen in Schieflage geraten sind.

Auch für Douglas könnte es eng werden. Die Parfümeriekette - seit Sommer 2015 im

Besitz des Private-Equity-Investors CVC - hat ebenso wie Galeria damit begonnen,

die Zahlungsziele gegenüber den Lieferanten zu verlängern. Da wie dort prüfen

die Unternehmen, auf die staatlichen Unterstützungsprogramme zurückzugreifen.

Doch weder bei Galeria noch bei Vapiano führten die mit den Hausbanken geführten

Gespräche zum Erfolg.

Man machte es sich allerdings zu einfach, schöbe man den Schwarzen Peter nun den

Hausbanken zu, die auf Kreditprüfungen pochen. Den Geschäftsbanken bleibt

schlicht nichts anderes übrig. Natürlich ist dabei nicht auszuschließen, dass

manches Kreditinstitut den Prüfprozess auf die lange Bank schiebt - wissend,

dass sich das Problem binnen kürzester Zeit von selbst löst. Denn selbst wenn

der Staat für bis zu 90 Prozent der Kreditsumme haftet, bleibt die Geschäftsbank

auf einem Verlust sitzen.

Natürlich steckte Galeria schon vor Ausbruch der Viruskrise in der Bredouille

und hatte sich nach der Zusammenlegung von Kaufhof und Karstadt erst kürzlich

mit dem Betriebsrat auf einen Sozialplan verständigt. Doch gab es im Herbst 2018

wohl auch Gründe, warum das Kartellamt den Zusammenschluss ohne vertiefte

Prüfung durchgewunken hat. Alternativ stand eine Sanierungsfusion im Raum.

Richtig ist, dass jeder Fall individuell zu bewerten ist. Das allerdings

erfordert Zeit, die nicht vorhanden ist. Galeria macht es anschaulich: Jede

Woche, in der die Konsumtempel geschlossen bleiben, gehen mehr als 80 Mill. Euro

Umsatz flöten. Bis Ende April wird sich der Erlösausfall auf mehr als 500 Mill.

Euro summieren. Das hält selbst ein gesundes Handelsunternehmen nicht aus. Die

Zeit drängt, sind die erwähnten Unternehmen doch nur die Spitze des Eisbergs. Um

den Schaden für die Gesamtwirtschaft zu minimieren, muss der Staat die

Fehlallokation von Stützungsgeldern nolens volens aushalten.

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