Börsen-Zeitung: Kurzschluss / Kommentar zur Zerschlagung von Innogy

von Christoph Ruhkamp

Frankfurt (ots) - Gemessen an der Aktienkursentwicklung hat RWE

den Rivalen Eon bei der Zerschlagung von Innogy übervorteilt: Seit

Bekanntgabe des 22 Mrd. Euro schweren Deals im März 2018 tritt der

Börsenwert von Eon mit 20 Mrd. Euro auf der Stelle. Die

Marktkapitalisierung von RWE stieg im selben Zeitraum um ein Viertel

auf 15 Mrd. Euro. Zudem ist Eon inzwischen an der Börse weniger wert

als die 90-Prozent-Beteiligung an Innogy.

Was geschieht finanziell bei dem Deal? Eon erhält mit der

Übernahme zusätzliche sichere Milliardeneinnahmen aus den Netzen,

türmt aber zugleich einen gefährlich hohen Schuldenberg von rund 35

Mrd. Euro auf. Kommt eines Tages die Zinswende, könnte das Konstrukt

zusammenbrechen. RWE tauscht durch den Deal gleichsam die sicheren

Dividenden der Tochter Innogy von jährlich einer halben Milliarde

Euro gegen höhere, aber unsichere Erträge aus erneuerbaren Energien.

Alle drei Konzerne haben bei den zahllosen Abspaltungen, Börsengängen

und Fusionen der vergangenen Jahre zig Millionen Euro für Berater aus

Investmentbanken und Kanzleien ausgegeben - müssen jetzt aber schon

wieder an einer neuen Strategie für den Kapitalmarkt feilen.

Aus der Sicht von Kartellwächtern könnte eine ganz bestimmte

Personalie noch Brisanz entwickeln: Der Vorstandschef des mit weitem

Abstand größten deutschen Stromerzeugers RWE, Rolf Martin Schmitz,

zieht in den Aufsichtsrat von Europas größtem Stromverteiler Eon ein.

440 Millionen neue Aktien gibt Eon an RWE aus, die den Kurs

verwässern. Schmitz vertritt im Eon-Kontrollgremium künftig die

Interessen von RWE als größtem Anteilseigner mit einem Aktienpaket

von knapp 17 %. RWE wird also künftig über bessere Informationen zur

Situation in Europas Stromnetz verfügen als jeder konkurrierende

Stromerzeuger.

Was springt für die Aktionäre raus? Außer Spesen ist bisher wenig

gewesen. Eon hatte seine Schulden Anfang 2018 nach der

Atommüll-Übertragung auf den Staat mühsam auf 16 Mrd. Euro reduziert

- wird sie aber nun gleich wieder mehr als verdoppeln,

zugegebenermaßen ergänzt um einen vergrößerten Ertragsstrom. Die

Anteilseigner von Innogy, vor allem RWE, erhalten nur ungefähr das

zurück, was sie beim Börsengang gezahlt haben.

Und RWE holt mit der Ökostromsparte einen Großteil der zuvor an

die Börse gebrachten Assets von Innogy zurück, verliert aber den

Dividendenstrom. Am Ende könnten nach all den Ausgliederungen,

Abspaltungen, Fusionen und Börsengängen die Investmentbanker am

meisten verdient haben.

(Börsen-Zeitung, 18.09.2019)

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