Börsen-Zeitung: Ernsthaft krypto, Marktkommentar von Dietegen Müller

Frankfurt (ots) - Mit den sogenannten Kryptowährungen ist es wie

mit einer hartnäckigen Erkältung: Sie scheinen nicht mehr zu

verschwinden und nerven. Nicht nur wegen der enormen Volatilität und

vollmundigen Versprechungen, die in der Kryptogemeinde selbst nach

dem Platzen der Bitcoin-Blase 2017 gern geäußert werden. Auch die

Idee, weltweit ein Zahlungsmittel über das Internet bereitzustellen,

das eine Alternative zu Zentralbankgeld sein könnte, ist nicht mehr

aus der Welt zu bringen. Solche "Parallelwährungen", die im Grunde

keine sind, da es sich nur um digitale Token handelt, bei der die

Gegenpartei ein Software-Algorithmus ist, haben ein noch nicht

vollständig begriffenes Potenzial, das Finanzsystem zu verändern.

So hören auch Versuche nicht auf, Bezahltoken in privaten

Netzwerken zu etablieren und ihnen eine größere Stabilität und

Vertrauenswürdigkeit zu geben, um sie als mögliche Tausch- und

Zahlungsmittel attraktiver zu machen. Ein Ansatz ist, zunächst einmal

die Preisbildung zu verbessern. Viele Kryptowährungsplattformen

erklären zwar, Wert auf Sicherheit und Prävention von Geldwäsche oder

Insiderhandel zu legen. Doch die Aufsichtsbehörden sind bislang nicht

gewillt, dem so weit Glauben zu schenken, dass sie darauf aufbauend

auch Retail-Kryptoprodukte erlauben würde.

Die US-Börsenaufsicht SEC hat beispielsweise erst kürzlich erneut

die Frist verlängert, um Anträge von Bitwise, Van Eck/SolidX und

Wilshire Phoenix für das Listing von börsengehandelten Kryptofonds an

US-Börsen zu prüfen. Ein Knackpunkt ist, ob die Referenzpreise, die

von den Anbietern zugrunde gelegt werden, den Kriterien Anlegerschutz

und Transparenz entsprechen und nicht manipulierbar sind. Die SEC hat

diesbezüglich mehrfach Zweifel daran geäußert.

Eine Initiative, die vor diesem Hintergrund Beachtung verdient,

ist der Vorstoß der Kryptoplattform Bakkt, die vom internationalen

Börsenbetreiber Intercontinental Exchange (ICE) sowie vom

Software-Riesen Microsoft und der Kaffeekette Starbucks unterstützt

wird. Zum 23. September will Bakkt Bitcoin-Terminkontrakte mit

physischer Lieferung auflegen. Wer diese täglich oder monatlich

fälligen Kontrakte handeln will, muss sich in Bitcoin auszahlen

lassen.

Bakkt erhofft sich dadurch eine bessere Preisbildung, da für den

Referenzpreis nicht Kurse von mehr oder weniger vertrauenswürdigen

Kryptoplattformen einfließen, sondern nur tatsächliche Transaktionen

mit Bitcoin, die über Bakkt Trust und ICE Clear U.S. abgewickelt

werden. Bakkt Trust ist vom New York State Departement of Financial

Services als Verwahrstelle akzeptiert worden, die Futures werden

durch einen Selbstzulassungsprozess von der US-Derivateaufsicht CFTC

akzeptiert. Die bisherigen Bitcoin-Terminkontrakte, die an der

US-Terminbörse CME gehandelt werden, sehen anders als die physisch

hinterlegten Bakkt-Futures eine Auszahlung in Dollar vor. Gelingt es

Bakkt, mit der Verwahrlösung bei institutionellen Investoren zu

punkten, würde ein neues Kapitel für Bitcoin in der

Vermögensverwaltung aufgeschlagen. Würde sich ein liquides Produkt

daraus entwickeln, dürfte das Problem der vertrauenswürdigen

Preisbildung ausgeräumt sein.

Bei aller Euphorie zeigt der Ansatz von Bakkt aber auch den

Schwachpunkt von Kryptowährungen: So werden die Bitcoin, die Bakkt

verwahrt, zusätzlich durch einen Versicherungsschutz gedeckt - sollte

es doch einmal gelingen, die Bakkt-Verwahrlösung zu hacken.

Bemerkenswert ist auch, dass die japanische Variante von Amazon,

Rakuten, über eine Smartphone-App Handel und die Verwahrung von

Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Bitcoin Cash in einem

"Wallet" anbietet - unter japanischer Regulierung. Auch andere

Dienstleister in anderen Ländern haben Vergleichbares angekündigt.

Sollte sich daraus ein nennenswertes Zahlungsvolumen entwickeln,

stellt sich die Frage der Regulierung wohl auch für Länder wie die

USA neu. US-Außenminister Mike Pompeo hat kürzlich erklärt, für die

Regulierung von Kryptowährungen solle der gleiche Rechtsrahmen zur

Anwendung kommen wie für elektronische Finanztransaktionen.

Davon erfasst wäre dann wohl auch der vom sozialen Netzwerk

Facebook präsentierte globale "Investment Token" Libra, der laut

Konzept unterlegt mit Bankguthaben und kurzlaufenden Staatsanleihen

in stabilen Währungen wäre. Die Tatsache, dass Libra Bedenken von

Notenbanken und Wettbewerbsbehörden weckt, zeigt, wie sich der

Krypto-Markt weiter entwickelt: Einige Initiativen sind ernst zu

nehmen und womöglich der Beginn einer Institutionalisierung des

Markte.

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