OMV-Chef warnt vor europäischer Deindustrialisierung
Alfred Stern schlägt Alarm: Europa verliert im globalen Wettbewerb an Boden. Der OMV-Vorstandsvorsitzende fordert von der Politik ein radikales Umdenken, um den Industriestandort zu retten.
Regulierung, steigende Kosten und fehlende Investitionsanreize – die Liste der Probleme ist lang. "Wir brauchen ein Umfeld, das pro Investitionen, pro Innovation und pro Pragmatismus ist", sagte Stern diese Woche im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien.
Bürokratie-Tsunami lähmt Unternehmen
Die EU-Lieferkettenrichtlinie, komplexe CO₂-Vorschriften und verzögerte Verpackungsgesetze – europäische Unternehmen kämpfen mit einer Regulierungsflut. Stern nennt konkrete Beispiele: Allein die Vorschriften zur CO₂-Abscheidung für Öl- und Gasproduzenten schaffen mehr Unsicherheit als Klarheit.
"Europa benötigt etwas weniger Bürokratie und etwas mehr Wettbewerb", so der OMV-Chef. Der administrative Aufwand steigt, während schnelle Entscheidungen unmöglich werden.
Kostenschock bedroht Standort Europa
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Lohnstückkosten explodieren, Energiepreise bleiben hoch. "Wir haben an Wettbewerbsfähigkeit verloren in den letzten Jahren", konstatiert Stern nüchtern.
Die Konsequenzen sind bereits spürbar. Die OMV kündigte ein Sparprogramm an, das bis 2027 mehrere hundert Arbeitsplätze in Österreich kosten wird. Ein Beispiel für das, was europaweit droht.
China überholt Europa links und rechts
Besonders alarmierend: Chinas Vormarsch in Schlüsseltechnologien. "China hat uns in allen Wertschöpfungsketten überholt", warnt Stern. Seltene Erden, Photovoltaik, Windkraft, Elektromobilität – überall dominiert der asiatische Riese.
Europa muss reagieren. Stern plädiert für eine Stärkung der heimischen Energieproduktion. Projekte wie das Gasfeld Neptun Deep in Rumänien könnten die Abhängigkeit von Importen verringern – wenn die Politik mitspielt.
Industrie schlägt geschlossen Alarm
Sterns Warnung ist kein Einzelfall. Der European Round Table for Industry spricht bereits von einer "Deindustrialisierung als Realität". Führende Wirtschaftsverbände sehen Europas Ruf als attraktiver Standort schwinden.
Die EU-Kommission reagierte 2021 mit einer aktualisierten Industriestrategie. Doch aus Sicht der Unternehmen kommen die Maßnahmen zu langsam und zu komplex.
Scheideweg für Europas Zukunft
Die kommenden Monate entscheiden über Europas industrielle Zukunft. Mit der neuen EU-Kommission stehen die Weichen für die nächsten fünf Jahre. Bleibt eine Kurskorrektur aus, droht eine massive Verlagerung von Investitionen nach Übersee.
Für Stern persönlich wird es ein Abschied mit Sorgenfalten. Der OMV-Chef verlängert seinen Ende 2026 auslaufenden Vertrag nicht. Sein Nachfolger erbt einen Konzern im Spannungsfeld zwischen globaler Konkurrenz und europäischen Herausforderungen.