Österreichs Stromkunden stehen vor einer Doppelbelastung: Ab Januar 2025 steigen die Netzentgelte um durchschnittlich 23 Prozent, während gleichzeitig die größte Strommarktreform seit zwei Jahrzehnten politisch umkämpft wird.

Die Regulierungsbehörde E-Control hat bereits Fakten geschaffen. Ein durchschnittlicher Haushalt zahlt künftig rund 73 Euro mehr pro Jahr für die Netznutzung. Regional variieren die Aufschläge stark: Wien und Niederösterreich erwarten Steigerungen um 32 Prozent, während die Tarife in Graz sogar leicht sinken.

Warum die Netzkosten explodieren

Die Kostensteigerung hat zwei Hauptursachen: Die Netzbetreiber müssen massiv in den Ausbau investieren, um dezentrale Energieerzeugung zu bewältigen. Gleichzeitig sinkt die aus dem Netz bezogene Strommenge durch den Photovoltaik-Boom und höhere Energieeffizienz.

Das Ergebnis? Gestiegene Gesamtkosten von rund 3,0 Milliarden Euro verteilen sich auf weniger Verbrauch – die Kilowattstunde wird teurer.

Die Reform: Sozialtarif gegen Einspeisegebühren

Parallel läuft die umstrittene Reform des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes durch den parlamentarischen Prozess. Nach über 460 Stellungnahmen in der Begutachtung stehen sich gegensätzliche Interessen gegenüber.

Die Verbraucher-Seite: Ein bundesweiter Sozialtarif soll 250.000 einkommensschwachen Haushalten Strom für 6 Cent pro Kilowattstunde garantieren. Flexible Netztarife sollen Anreize schaffen, das E-Auto zu laden, wenn die Sonne scheint.

Der Streitpunkt: Erstmals sollen auch Betreiber von Photovoltaik-Anlagen für die Stromeinspeisung Netzentgelte zahlen. Die Regierung argumentiert mit Verursachungsgerechtigkeit – wer das Netz nutzt, soll bezahlen.

Energiebranche schlägt Alarm

Die erneuerbaren Energien laufen Sturm gegen die geplanten Einspeiseentgelte. Ihre Warnung: Österreich könnte vom Stromexporteur zum Netto-Importeur werden, wenn heimische Produzenten durch zusätzliche Abgaben geschwächt werden.

Eine aktuelle Studie zeigt bereits hohe Belastungen für österreichische Kraftwerksbetreiber im europäischen Vergleich. Kritiker sprechen von einer "Stromimportstrategie".

Politisches Tauziehen um Verfassungsmehrheit

E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch drängt auf das neue Gesetz, um die Netzentgelte "verursachungsgerechter" zu gestalten. Doch im Nationalrat braucht die Regierung eine Zwei-Drittel-Mehrheit – und damit Stimmen von FPÖ oder Grünen.

Die Einspeiseentgelte dürften zum zentralen Verhandlungsgegenstand werden. Denkbar sind Ausnahmen für Kleinanlagen oder gestaffelte Schwellenwerte.

Das teure Erbe alter Netzstrukturen

Was die Zahlen verschleiern: Österreichs Stromnetz wurde für wenige, große Kraftwerke konzipiert. Der Umbau für dezentrale, volatile Energieerzeugung kostet Milliarden – und diese Rechnung kommt jetzt bei den Verbrauchern an.

Die bereits beschlossenen höheren Netzentgelte werden ab 1. Januar 2025 kassiert. Ob die versprochenen Entlastungen und flexiblen Tarife der Reform folgen, entscheidet sich in den kommenden Monaten im politischen Prozess.