Österreichs Klimastreit eskaliert im Nationalrat

Die EU-Klimaziele 2040 spalten Österreichs Politik. Im Nationalrat lieferten sich Regierung und Opposition am Mittwoch ein hitziges Wortgefecht über die Zukunft der heimischen Klimapolitik.
Der Auslöser: Die EU-Umweltminister konnten sich Mitte September nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Statt einer qualifizierten Mehrheit entscheiden nun die Staats- und Regierungschefs – einstimmig. Das gibt jedem Land ein Veto-Recht.
Die Grünen sehen darin einen Verrat am Klimaschutz. "Die Bundesregierung liefert damit den Klimaschutz Viktor Orbán aus. Das ist fahrlässig", wetterte die ehemalige Klimaministerin Leonore Gewessler gegen die aktuelle Regierung.
Grüne: "Taschenspielertrick gefährdet Klimaziele"
Gewessler attackierte besonders die SPÖ scharf. Die Sozialdemokraten würden sich "aus der Verantwortung stehlen" und tatenlos zusehen, wie die ÖVP den Beschluss verschleppe.
Der Vorwurf: Die Verlagerung der Entscheidung sei ein "Taschenspielertrick". Statt einer Mehrheitsentscheidung könne nun jedes klimapolitisch zögerliche Land die ambitionierten Pläne blockieren.
Das EU-Ziel sieht vor, die Treibhausgase bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Für Österreich würde das eine massive Transformation bedeuten.
ÖVP kontert: "Klimaschutz ohne Wirtschafts-Kahlschlag"
Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) wies die Kritik zurück. Man wolle "ambitionierte Klimaziele mit einem starken Standort kombinieren". Niemand könne wollen, dass Arbeitsplätze abgebaut und Unternehmen abwandern.
Seine Position: Das Klimaziel betreffe viele Gesellschaftsbereiche und müsse gründlich verhandelt werden. "Klimaschutz ja, aber ohne Selbstgeißelung für den Standort Europa."
Die SPÖ-Abgeordnete Julia Elisabeth Herr bekräftigte, ihre Partei setze sich für "mutige Klimaziele" ein. Die Regierung werde die 90-Prozent-Reduktion mittragen.
Opposition gespalten zwischen Ablehnung und Kritik
FPÖ-Position: EU-Klimapolitik ist "irrwitzig" und führt zum "Untergang der Industrie". Der Europaabgeordnete Roman Haider hofft auf Politiker wie Orbán, die diesen "Irrsinn" stoppen.
NEOS-Haltung: Klares Bekenntnis zu Klimazielen, aber Kritik an den Grünen. Michael Bernhard warf Gewessler "reinen Populismus" vor – schließlich verfehle Österreich unter ihrer Führung die eigenen Klimaziele.
Wirtschaft warnt vor "Gold Plating"
Die Industrie schlägt Alarm. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung warnen vor "realitätsferner Symbolpolitik", die Unternehmen zur Abwanderung treibe.
Besondere Sorge: Österreichs nationales Ziel, bereits 2040 klimaneutral zu sein – zehn Jahre vor der EU. Die Industrie sieht darin "massives Gold Plating" ohne nennenswerten Klimanutzen.
Umweltorganisationen wie Greenpeace kritisieren dagegen den EU-Vorschlag als unzureichend und durch "Hintertüren" aufgeweicht.
Entscheidung vertagt – Unsicherheit bleibt
Die finale Entscheidung fällt Ende Oktober beim EU-Gipfel. Bis dahin bleiben die Fronten verhärtet und Österreichs Position unklar.
Was auf dem Spiel steht: Eine Koalition der Willigen für ambitionierte Klimaziele – oder die Abschwächung der europäischen Klimapolitik durch wirtschaftliche Bedenken und das Einstimmigkeitsprinzip.
Für Wirtschaft und Gesellschaft bedeutet das weitere Wochen der Unsicherheit. Die Debatte zeigt: Der Weg zur Klimaneutralität ist vor allem eine zutiefst politische Herausforderung.