Der österreichische Gewerbeimmobilienmarkt erlebt einen fundamentalen Wandel. Nach einer Phase der Zurückhaltung belebt sich die Investmentdynamik wieder, doch die Spielregeln haben sich geändert: ESG-Kriterien entscheiden heute über Erfolg oder Scheitern am Markt.

Die Zweiteilung ist deutlich sichtbar. Moderne, nachhaltige Objekte in Top-Lagen sind gefragter denn je. Ältere Bestände geraten dagegen zunehmend unter Druck. Was früher allein die Lage entschied, bestimmen heute drei Faktoren: Lage, Qualität und zertifizierte Nachhaltigkeit.

ESG wird zur Pflicht statt Kür

Die EU-Taxonomie-Verordnung macht es unmissverständlich klar: Nachhaltigkeit ist keine Option mehr. Zertifizierungen wie BREEAM oder ÖGNI gehören mittlerweile zum Standard. Die Konsequenzen sind drastisch.

82 Prozent der Marktteilnehmer erwarten eine wachsende Preisdifferenzierung zwischen "grünen" und "braunen" Immobilien. Zwei Drittel gehen davon aus, dass Taxonomie-Konformität günstigere Finanzierung ermöglicht. Der gefürchtete "Brown Discount" zwingt Bestandshalter zu teuren Sanierungen.

Wien: Niedrigster Leerstand trifft auf höchste Ansprüche

Der Wiener Büromarkt zeigt exemplarisch den "Flight to Quality". Unternehmen reduzieren Flächen, aber upgraden gleichzeitig ihre Ansprüche. ESG-Konformität, Flexibilität und erstklassige Lage mit öffentlicher Anbindung sind nicht verhandelbar.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache:
* Leerstandsquote für moderne Büros: 4,22 Prozent (Q2 2025)
* Fertigstellungspipeline 2025: 113.000 Quadratmeter
* Spitzenmieten steigen trotz verhaltenem Markt weiter

Wien hält damit europaweit einen der niedrigsten Leerstände. Doch die gut gefüllte Pipeline könnte das Angebot kurzfristig entspannen.

Logistik: Boom trifft auf Flächenknappheit

Der Logistiksektor navigiert durch widersprüchliche Trends. Industrielle Unsicherheiten dämpfen die aktuelle Nachfrage, doch eine wirtschaftliche Erholung könnte den Markt schnell wieder anheizen.

Das eigentliche Problem liegt woanders: Flächenknappheit trifft auf verschärfte ESG-Anforderungen. Kommunen gehen restriktiver mit Neuwidmungen um, um Flächenversiegelung zu reduzieren. Die Lösung heißt "Brownfield-Entwicklung" - Revitalisierung statt Neubau auf der grünen Wiese.

Investoren kehren zurück - aber selektiv

Nach den EZB-Zinserhöhungen stabilisiert sich der Markt wieder. Im ersten Halbjahr 2025 flossen 1,26 Milliarden Euro in österreichische Gewerbeimmobilien. Wien dominiert mit 83 Prozent des Volumens.

Doch die Investoren bleiben wählerisch. Lokale Akteure treiben den Markt, internationale Investoren zögern noch. Die Botschaft ist klar: Nur wer auf Qualität und Nachhaltigkeit setzt, findet Käufer.

Ausblick: Verknappung programmiert

Die Projektpipeline für Büroimmobilien ist nach 2025 dünn. Das wird das Angebot an modernen Flächen verknappen und die Mieten für Top-Objekte weiter stützen. Im Logistiksektor verschärft sich der Kampf um ESG-konforme Flächen.

Trotz aller Herausforderungen bleibt die Branche optimistisch: 87 Prozent der Marktteilnehmer schätzen den Immobilienstandort Österreich 2025 als attraktiv oder sehr attraktiv ein. Die grüne Revolution hat gerade erst begonnen.