Das heimische Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz steht vor tiefgreifenden Reformen. Während die Regierung ein umfassendes Mietpaket zur Begutachtung vorlegt und die EU einen neuen Wohnraumplan vorantreibt, wächst der Druck auf Österreichs Erfolgsmodell für leistbares Wohnen.

Die Debatte um bezahlbaren Wohnraum erreicht eine neue Intensität. Österreichs gemeinnütziger Wohnbau nimmt europaweit eine Sonderstellung ein - doch die bewährten Strukturen müssen sich an veränderte wirtschaftliche Realitäten anpassen. Die große Frage: Wie gelingt der Spagat zwischen nationalen Notwendigkeiten und europäischen Rahmenbedingungen?

Regierung bremst Mietpreise - EU plant Wohnraumoffensive

Die Bundesregierung stoppt mit ihrem Mietpaket die Mieterhöhungen für 2025 komplett. Ab 2026 soll eine Mietpreisbremse für nahezu alle Mietverträge greifen. Vizekanzler Andreas Babler will zusätzlich die Mindestbefristung von drei auf fünf Jahre verlängern.

Zeitgleich nimmt Brüssel das Thema Wohnen in den Fokus. Das EU-Parlament richtete einen Sonderausschuss zur Wohnraumkrise ein, Kommissionspräsidentin von der Leyen erklärte leistbaren Wohnraum zur Priorität. Diese doppelte Dynamik verstärkt den Reformdruck auf das österreichische System erheblich.

Dramatischer Einbruch bei Wohnbauinvestitionen

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Österreichs Wohnbauinvestitionen brachen seit 2019 um 16 Prozent ein, während sie EU-weit um 2 Prozent stiegen. Noch drastischer trifft es den gemeinnützigen Sektor - hier halbierte sich die Zahl der Baugenehmigungen.

Besonders in Wien zeigt sich die Bedeutung des Systems: Rund 60 Prozent der Bevölkerung leben in geförderten Wohnungen. Gemeinnützige Bauvereinigungen agieren nach dem Kostendeckungsprinzip und dämpfen nachweislich die Preise am gesamten Mietmarkt. Gestiegene Baukosten und erschwerte Kreditbedingungen bedrohen jedoch diese Stabilität.

EU-Recht schwebt wie Damoklesschwert

Obwohl die EU-Kommission derzeit keine direkten Verfahren gegen das WGG führt, bleibt die grundsätzliche Diskrepanz mit dem EU-Wettbewerbsrecht bestehen. Das österreichische System gewährt gemeinnützigen Bauvereinigungen einen geschützten Status, der als wettbewerbsverzerrend kritisiert wird.

Streitpunkte könnten künftig werden:
* Vergabe von Grundstücken an Gemeinnützige
* Steuerliche Begünstigungen für den Sektor
* Besondere Regelungen bei der Preisbildung

Die EU verstärkt ihren Fokus auf nationale Wohnungsmärkte im Rahmen ihrer neuen Initiativen - das erhöht das Risiko künftiger Prüfverfahren.

Investitionsstau erfordert schnelle Lösungen

Die Regierung steht vor einer Zerreißprobe. Das Regierungsprogramm 2025-2029 sieht zwar eine Stärkung des WGG vor, doch konkrete Gesetzesentwürfe lassen auf sich warten. Experten fordern eine Wohnbauinvestitionsbank und gezielten Bürokratieabbau.

Die halbierte Zahl der Baugenehmigungen im gemeinnützigen Sektor schafft enormen Handlungsdruck. Ohne schnelle Reformen droht die Wohnungskrise sich weiter zu verschärfen - trotz des erfolgreichen österreichischen Modells.

Branchenvertreter beobachten gespannt, ob die Regierung in den kommenden Monaten einen Reformentwurf vorlegt, der sowohl Investitionen ankurbelt als auch die soziale Mission des Systems bewahrt. Die Zeit drängt.