Österreich: Wohnbau-Notstand erreicht historischen Tiefpunkt

Österreichs Wohnungsneubau steckt in der tiefsten Krise seit über zehn Jahren. Die Zahl der Baubewilligungen ist auf einen historischen Tiefstand gefallen – die Regierung reagiert mit einem Zwei-Milliarden-Euro-Rettungspaket.
Die heute veröffentlichten Zahlen der Statistik Austria belegen das Ausmaß der Katastrophe. Hohe Zinsen, explodierende Baukosten und strenge Kreditrichtlinien würgen den Neubau ab. Tausende Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft stehen auf dem Spiel, während sich die Wohnungsnot in den Ballungszentren weiter verschärft.
Einbruch um 56 Prozent seit Rekordjahr 2017
Die nackten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 2024 wurden nur noch 32.100 Wohnungen in neuen Gebäuden bewilligt – ein Minus von 8,5 Prozent gegenüber dem bereits schwachen Vorjahr. Seit dem Rekordjahr 2017 mit 72.500 Genehmigungen bedeutet das einen dramatischen Einbruch um fast 56 Prozent.
Im ersten Halbjahr 2024 beschleunigte sich der Absturz sogar noch: Die Genehmigungen sanken um weitere 20 Prozent. Branchenexperten warnen vor einem Teufelskreis – der aktuelle Bewilligungseinbruch wird sich in den kommenden Jahren in noch weniger Fertigstellungen niederschlagen.
Was macht den Neubau so unattraktiv? Gestiegene Finanzierungskosten und hohe Baukosten machen viele Projekte für Bauträger und private Häuslbauer schlicht unrentabel.
Regierung schnürt Zwei-Milliarden-Hilfspaket
Die Bundesregierung greift tief in die Tasche: Ein Wohnbaupaket mit über zwei Milliarden Euro Volumen soll die Branche retten. Herzstück ist eine "Wohnbaumilliarde" als Zweckzuschuss für die Bundesländer bis 2026.
Die Mittelverteilung im Detail:
* 390 Millionen Euro für Eigentumswohnungen und Mietwohnungen mit Kaufoption
* 390 Millionen Euro für reine Mietwohnungen im Neubau
220 Millionen Euro* für Sanierungen von Mietwohnungen
Zusätzlich streicht die Regierung temporär die Grundbuch- und Pfandrechtseintragungsgebühren für das erste Eigenheim. Eine erhöhte Abschreibung für Wohngebäude soll weitere steuerliche Anreize schaffen.
Wien zeigt: Sozialer Wohnbau als Krisengewinner
Während der private Neubau kollabiert, erweist sich Wiens sozialer Wohnbau als Stabilitätsanker. Beeindruckende 41,7 Prozent aller Wiener Haushalte leben in Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen – abseits der reinen Marktlogik.
Dieses Modell dämpft nicht nur den Preisanstieg auf dem gesamten Mietmarkt. Es macht auch unabhängiger von volatilen Marktentwicklungen und ermöglicht langfristige Stadtentwicklung. Wien setzt deshalb weiter auf den Ausbau von Gemeindewohnungen und geförderten Wohnungen.
Experten: Rettung kommt spät, aber nicht zu spät
Wirtschaftsexperten bewerten das Regierungspaket als notwendigen, aber verspäteten Impuls. Der Einbruch in der Bauwirtschaft zieht weitere Branchen mit nach unten – das WIFO prognostiziert für 2024 einen realen Rückgang der Bauinvestitionen um vier Prozent.
Die entscheidende Frage: Wie schnell können die Bundesländer die Milliarden in konkrete Projekte umsetzen? Strukturelle Probleme wie hohe Grundstückspreise und komplexe Bauvorschriften bleiben bestehen.
Prognose: Stagnation bis 2026, dann zaghafte Erholung
Die Zukunftsaussichten bleiben düster. Das WIFO erwartet für 2025 eine weitere Schrumpfung um 0,4 Prozent, erst 2026 soll ein schwaches Wachstum von 1,5 Prozent einsetzen.
Eine echte Trendwende wird erst ab 2026 erwartet – falls die Zinsen weiter sinken und die Regierungsmaßnahmen greifen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob das Zwei-Milliarden-Paket den freien Fall stoppen kann oder ob Österreich eine noch tiefere Wohnbaukrise erlebt.