Das österreichische Fußball-Nationalteam steht vor der ersten WM-Teilnahme seit 1998. Vier Spiele, vier Siege – ein perfekter Start in die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2026. Doch trotz des makellosen Erfolgslaufs polarisiert Teamchef Ralf Rangnick mit seiner kompromisslos pragmatischen Spielweise.

Die zentrale Streitfrage: Rechtfertigt der Erfolg den aufopferungsvollen Kampfstil? Oder verliert Österreichs Nationalelf auf dem Weg zur WM ihren spielerischen Glanz?

Rangnicks Erfolgsrezept: Pressing bis zur Erschöpfung

Rangnick hat das ÖFB-Team zu einer hochintensiven Pressing-Maschine geformt. Das Prinzip: Nach Ballverlust den Gegner sofort unter Druck setzen, binnen Sekunden zurückerobern und schnell nach vorne spielen.

Dieser kräftezehrende Stil verlangt den Spielern alles ab – zahlt sich aber aus. Besonders beim hart erkämpften 2:1-Auswärtssieg gegen Bosnien-Herzegowina zeigte das Team seine neue Mentalität.

"Wenn wir solche Spiele jetzt auch ziehen, spricht es für die Mentalität der Mannschaft", betont Rangnick. Seine Statistik gibt ihm recht: Zwei oder mehr Tore führen unter seiner Führung fast immer zum Sieg.

Kritische Stimmen: Wo bleibt die Spielkunst?

Trotz perfekter Punkteausbeute mehrt sich die Kritik. Der knappe 1:0-Heimsieg gegen Zypern durch einen Elfmeter befeuerte die Diskussion. Experten bemängeln fehlende Kreativität gegen tief stehende Gegner.

Die Vorwürfe lauten:
* Zu wenig Ballbesitz-Dominanz
* Mangelnde spielerische Finesse
* Probleme im kontrollierten Spielaufbau

Kann dieser aufreibende Stil auch gegen Top-Nationen bei der WM-Endrunde bestehen? Diese Frage beschäftigt Fußball-Österreich.

Spieler verteidigen ihren Trainer

Die Mannschaft steht geschlossen hinter Rangnick. Mittelfeldmotor Xaver Schlager kontert die Kritiker deutlich: "Sie können ruhig raunzen, mir ist es egal. Am liebsten möchten wir 3:0 gewinnen. Aber so läuft Fußball nicht."

Auch Christoph Baumgartner betont nach dem Bosnien-Sieg: Siege zählen mehr als Schönheit. In der Kabine läuft nach Erfolgen "I am from Austria" – die Identifikation mit dem gemeinsamen Ziel ist spürbar.

Europäischer Trend: David gegen Goliath

Österreichs Fokus auf taktische Disziplin und hohe Intensität folgt einem europäischen Trend. Kleinere Nationen fordern spielerisch überlegene Gegner zunehmend mit perfekt organisiertem Pressing heraus.

Die Erfolge geben Rangnick recht:
* EURO 2024: Gruppensieg vor Frankreich und den Niederlanden
* November 2023: 2:0-Sieg gegen Deutschland
* Aktuelle WM-Quali: Vier Siege aus vier Spielen

Entscheidende Wochen stehen bevor

Die Oktober-Spiele gegen San Marino und Rumänien werden die Diskussion weiter anheizen. Während die WM-Qualifikation zum Greifen nah ist, bleibt die Frage nach dem "Wie" der Auftritte.

Michael Gregoritsch fasst die Stimmung treffend zusammen: "Wir haben jetzt mal die Hälfte des Jobs erledigt."

Bei anhaltendem Erfolg dürften die kritischen Stimmen verstummen. Ein unerwarteter Rückschlag könnte die Debatte um Rangnicks Spielweise jedoch neu entfachen – und den Druck vor den entscheidenden letzten Schritten zur WM deutlich erhöhen.