Österreich verschleppt EU-Klimaziele bis 2040

Die österreichische Regierung hat die Entscheidung über das EU-Klimaziel für 2040 vom Umweltministerrat an die Staats- und Regierungschefs weitergereicht. Dort ist nun Einstimmigkeit erforderlich – was einzelnen Ländern eine Vetomacht verleiht. Die Opposition läuft Sturm.
Die 90-Prozent-Reduktion der Treibhausgase bis 2040 sollte eigentlich per Mehrheitsbeschluss im Umweltministerrat verabschiedet werden. Österreich drängte jedoch gemeinsam mit Deutschland und Frankreich auf eine Verlagerung zum EU-Gipfel. Das Ergebnis: Jeder Mitgliedsstaat kann die ambitionierten Klimapläne blockieren.
Grüne: "Klimaschutz an Orbán ausgeliefert"
"Die Bundesregierung liefert damit den Klimaschutz Viktor Orbán aus. Das ist fahrlässig", kritisierte die ehemalige Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) in der heutigen Parlamentsdebatte. Sie warf der Regierung einen "Taschenspielertrick" vor und sieht Österreichs internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.
Besonders scharf ging sie mit der SPÖ ins Gericht: Die Sozialdemokraten würden sich "aus der Verantwortung stehlen" und dem ÖVP-Kurs tatenlos zusehen.
ÖVP verteidigt Strategie: "Klimaschutz ohne Kahlschlag"
Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) konterte die Vorwürfe: "Klimaschutz ja, aber ohne Selbstgeißelung für den Standort Europa." Das Ziel sei es, ambitionierte Klimaziele mit einem starken Wirtschaftsstandort zu kombinieren.
Niemand könne wollen, dass Arbeitsplätze abwanderten oder Unternehmen verschwänden. Da das 90-Prozent-Ziel viele Gesellschaftsbereiche betreffe, müsse gründlich verhandelt werden.
Wirtschaft warnt vor "realitätsfernen Maßnahmen"
Die Industriellenvereinigung bezeichnete das 90-Prozent-Ziel als "realitätsferne Maßnahme", die den Wirtschaftsstandort weiter unter Druck setze. Auch die Wirtschaftskammer befürchtet erhebliche Risiken für energieintensive Branchen.
Die Opposition zeigt sich gespalten:
- SPÖ: Steht zu "mutigen Klimazielen" und will die 90-Prozent-Reduktion mittragen
- NEOS: Unterstützen den EU-Kommissions-Vorschlag
- FPÖ: Warnt vor "Untergang der Industrie" durch "irrwitzige" Klimapolitik
Das Dilemma: Österreich will 2040 klimaneutral sein
Pikant: Österreich hat sich in seinem Regierungsprogramm Klimaneutralität bis 2040 als Ziel gesetzt – zehn Jahre früher als die EU. Die Wirtschaft kritisiert das als "massives Gold Plating" ohne nennenswerten Klimanutzen.
Die EU-Kommission sieht die 90-Prozent-Reduktion als wichtigen Zwischenschritt zur vollständigen Klimaneutralität bis 2050. Durch die Verschiebung wird diese Entscheidung nun zum politischen Pokerspiel auf höchster Ebene.
Entscheidung vertagt – Unsicherheit wächst
Der EU-Gipfel Ende Oktober wird zur Schicksalsstunde für Europas Klimapolitik. Bis dahin laufen die Verhandlungen hinter den Kulissen auf Hochtouren. Für Österreichs Wirtschaft bedeutet das wochenlange Unsicherheit über die künftigen Rahmenbedingungen.
Die heutige Parlamentsdebatte hat gezeigt: Selbst innerhalb der Regierung gibt es noch keine abgeschlossene Position. Der Ausgang des europäischen Klimapokers wird die Weichen für die kommenden Jahrzehnte stellen.