Österreich: Strommarkt-Reform in finaler Phase

Die größte Reform des österreichischen Strommarktes seit 20 Jahren steht vor dem Abschluss. Das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) liegt nach Abschluss der Begutachtungsphase zur Finalisierung bei der Regierung.
Die Dringlichkeit ist enorm: Ohne moderne Rechtsgrundlage droht die Energiewende ins Stocken zu geraten. Der Druck durch EU-Vorgaben und den rasanten Ausbau erneuerbarer Energien wächst stetig. 600 Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf zeigen das außergewöhnliche Interesse der Wirtschaft.
Kernpunkte der Reform: Was sich für Verbraucher ändert
Das ElWG soll das veraltete Gesetz von 2010 ersetzen und günstigere Preise sowie stabilere Netze ermöglichen. "Mit dem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz wollen wir günstigere Preise, stabilere Netze und die Energiewende beschleunigen", erklärte Energieminister Wolfgang Hattmannsdorfer.
Die wichtigsten Neuerungen:
- Dynamische Strompreise: Verträge mit stundengenauer Preisanpassung
- Smart Meter: Schnellere Installation intelligenter Stromzähler
- Prosumer-Rechte: Bessere Bedingungen für Haushalte, die eigenen Strom produzieren
- Flexible Netzanschlüsse: Neue Erneuerbare-Anlagen können schrittweise ans Netz
Netzausbau: Der Flaschenhals der Energiewende
Das Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien überfordert die bestehende Infrastruktur. 2023 wurden Photovoltaikanlagen mit zwei Gigawatt installiert - zehnmal mehr als 2020. In Oberösterreich mussten bereits temporäre Annahmestopps für neue PV-Anlagen verhängt werden.
Fachleute schlagen Alarm: Ohne massiven Netzausbau scheitert die Energiewende am eigenen Erfolg. Bis 2040 sind Investitionen von 44 Milliarden Euro nötig. Das ElWG reagiert mit flexiblen Netzentgelten - wer Strom bei geringer Auslastung verbraucht, soll künftig profitieren.
Zweites Gesetz soll Verfahren beschleunigen
Parallel arbeitet die Regierung am Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG). Ziel: Die oft jahrelangen Genehmigungsverfahren für Windparks und Stromleitungen drastisch verkürzen.
Der Schlüssel liegt im "überragenden öffentlichen Interesse" für Energiewende-Projekte. Diese würden bei Abwägungen mit anderen Interessen Vorrang erhalten - eine langjährige Forderung der Branche.
Kritik an den Details trotz Grundzustimmung
Die Reaktionen fallen gemischt aus. Während die Industrie einen modernen Rechtsrahmen begrüßt, hagelt es Kritik an Einzelheiten:
- Erneuerbare-Verbände warnen vor zusätzlichen Netzentgelten für Erzeuger
- Arbeiterkammer fordert breiteren Zugang zum geplanten Sozialtarif
- Wasserstoff-Branche ringt um Befreiung von Netzgebühren für Elektrolyseure
EU gibt Tempo vor: 15-Minuten-Takt ab Oktober
Die Reform fällt mit wichtigen EU-Weichenstellungen zusammen. Ab Oktober wird der Strompreis im 15-Minuten-Takt statt stündlich festgelegt. Diese Flexibilisierung soll den Markt besser an schwankende Wind- und Solareinspeisung anpassen.
Die kommenden Wochen werden entscheidend: Die Regierung muss aus 600 teils widersprüchlichen Stellungnahmen einen mehrheitsfähigen Entwurf erstellen. Ein Scheitern würde nicht nur die Klimaziele gefährden, sondern auch dringend benötigte Milliarden-Investitionen ausbremsen.
Die erfolgreiche Verabschiedung beider Gesetze könnte hingegen den größten Energiesystem-Umbau seit Generationen einläuten.