Österreich streicht Zuverdienst bei Arbeitslosengeld

Die österreichische Regierung krempelt den Arbeitsmarkt um. Ab Januar 2026 können Arbeitslose keine neuen geringfügigen Jobs mehr aufnehmen - gleichzeitig startet eine milliardenschwere Qualifizierungsoffensive gegen den Fachkräftemangel.
Die Botschaft ist klar: Entweder Arbeitslosengeld oder geringfügiger Job - beides geht nicht mehr. Diese drastische Änderung soll Arbeitslose schneller in nachhaltige Vollzeitstellen bringen. "Wir beseitigen ein reales Hemmnis, mehr zu arbeiten", erklärt Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP).
Wer bereits vor der Arbeitslosigkeit geringfügig beschäftigt war, darf weitermachen. Auch Langzeitarbeitslose erhalten eine Ausnahme: Sie können für maximal sechs Monate einen Minijob annehmen. Zusätzliche Sonderregeln gelten für ältere Arbeitslose und Menschen mit gesundheitlichen Problemen.
Die Geringfügigkeitsgrenze wird 2026 bei 551,10 Euro eingefroren - normalerweise steigt sie jährlich. Das soll weitere Anreize schaffen, die Arbeitszeit auszuweiten.
Qualifizierung statt Geringfügigkeit
Parallel dazu pumpt die Regierung Millionen in die Weiterbildung. Das Problem: 45 Prozent aller Arbeitslosen haben keinen Abschluss über die Pflichtschule hinaus. Gleichzeitig suchen Unternehmen händeringend Fachkräfte.
Die Lösung sind Implacementstiftungen - maßgeschneiderte Ausbildungen für konkrete Stellenangebote. Arbeitslose werden direkt in Unternehmen für offene Positionen qualifiziert. Auch die Arbeitsplatznahe Qualifizierung (AQUA) wird ausgebaut, bei der praktisches Lernen im Betrieb im Vordergrund steht.
Besonders gefördert werden "Green Jobs". Die Umweltstiftung 2.0 bildet ab 2026 verstärkt für Berufe im Klima- und Umweltschutz aus. Zusätzlich sollen ausländische Abschlüsse schneller anerkannt werden.
"Weiterbildungszeit" ersetzt Bildungskarenz
Das größte Novum: Die neue "Weiterbildungszeit" löst 2026 die Bildungskarenz ab. Anders als bisher prüft das AMS künftig, ob die Weiterbildung arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist.
Für Geringverdiener wird es attraktiver: Sie erhalten mindestens 1.212 Euro monatlich. Akademiker müssen dagegen höhere Hürden nehmen - wer bereits einen Master hat, braucht vier Jahre Berufserfahrung für den Anspruch.
AMS-Chef Johannes Kopf rechnet mit einem Start im zweiten Quartal 2026. Die Behörde will sicherstellen, dass nur zukunftsträchtige Qualifikationen gefördert werden.
Kampf gegen Österreichs Teilzeit-Problem
Die Reformen zielen auf ein spezifisch österreichisches Problem: Mit 36,1 Prozent hat das Land die zweithöchste Teilzeitquote der EU. Während Unternehmen über Personalmangel klagen, arbeiten Millionen Menschen nur wenige Stunden.
Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) warnt vor unerwünschten Nebenwirkungen: Bei steigenden Löhnen könnten Menschen ihre Stunden reduzieren, um unter der eingefrorenen Geringfügigkeitsgrenze zu bleiben.
Die neuen Regeln treten am 1. Januar 2026 in Kraft. Bestehende geringfügige Jobs haben bis Ende Januar Bestandsschutz - sofern sie nicht unter die Ausnahmen fallen.
Ob die Kombination aus Zuckerbrot und Peitsche funktioniert, wird sich zeigen. Fest steht: Österreich wagt einen radikalen Kurswechsel am Arbeitsmarkt.