Österreich stoppt Mietpreisexplosion

Die österreichische Regierung dreht am großen Rad: Ein neues Mietpaket soll die hartnäckige Inflation bekämpfen. Erstmals wird auch der freie Mietmarkt reguliert.
Vizekanzler Andreas Babler macht Ernst mit seinem Versprechen. Nach Mietsteigerungen von über 70 Prozent seit 2010 greift die Regierung durch. "Diese Last wollen wir den Menschen von den Schultern nehmen", erklärt der Wohnminister.
Das am 17. September beschlossene Paket ist die bisher schärfste Waffe gegen die Teuerung. Denn die Miete frisst bei vielen Familien den größten Teil des Einkommens.
2025: Mieterhöhungen komplett gestoppt
Die Regierung startet mit einem Paukenschlag: Für 2025 werden alle Indexierungen bei Richtwert- und Kategoriemieten sowie Genossenschaftswohnungen ausgesetzt. Eine durchschnittliche Familie spart dadurch rund 250 Euro pro Jahr.
Die eigentliche Revolution kommt aber 2026. Dann greifen gestaffelte Obergrenzen:
- Geregelter Bereich: Maximal ein Prozent Erhöhung 2026, zwei Prozent 2027
- Freier Markt: Bei Inflation über drei Prozent wird nur noch die Hälfte des Überschusses weitergegeben
- Beispiel: Bei sechs Prozent Inflation steigt die Miete nur um 4,5 Prozent
Ab 2028 gilt die neue Dämpfungsregel für alle Mietverhältnisse. Zusätzlich verlängert sich die Mindestbefristung von drei auf fünf Jahre.
Metaller brechen die Lohn-Preis-Spirale
Parallel kämpft die Regierung an einer zweiten Front: den Löhnen. Die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale soll durchbrochen werden, bevor sie richtig Fahrt aufnimmt.
Ein wichtiges Signal kam aus der Metallindustrie. Der Kollektivvertragsabschluss vom 23. September blieb bewusst unter der Inflationsrate. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer jubelt: "Ein starkes Zeichen der Sozialpartnerschaft."
Wifo-Ökonom Benjamin Bittschi bestätigt: Der moderate Abschluss habe tausende Arbeitsplätze gesichert. Auch wenn viele Beschäftigte real weniger verdienen, zeigt der Kompromiss Verantwortung für die Gesamtwirtschaft.
Kampf gegen den "Österreich-Aufschlag"
Die Regierung nimmt auch den Handel ins Visier. Markenprodukte kosten hierzulande oft mehr als in Nachbarländern - der berüchtigte "Österreich-Aufschlag".
Hattmannsdorfer plant einen "Schulterschluss mit dem Handel", um Preise zu stabilisieren. Bis Ende 2025 soll ein Gesetz gegen versteckte Preiserhöhungen durch kleinere Packungen kommen.
Die Abschaffung der kalten Progression bringt den Steuerzahlern bereits zwei Milliarden Euro Entlastung. Allerdings laufen ältere Maßnahmen wie die Senkung der Energieabgaben aus.
Hartnäckige Inflation trotz schwacher Wirtschaft
Österreich steckt in einem Dilemma: Die Wirtschaft wächst 2025 nur minimal um 0,3 Prozent, aber die Inflation bleibt bei 3,5 Prozent hartnäckig hoch. Erst 2026 soll sie auf 2,4 Prozent sinken.
Drei Viertel der Österreicher spüren die gestiegenen Preise bereits deutlich. Die Stimmung wird zunehmend pessimistisch. Besonders der Dienstleistungssektor treibt die Teuerung weit über den Eurozone-Durchschnitt.
Der Gewerkschaftsbund kritisiert, die Entlastungen gingen noch nicht weit genug. Vor allem Mieter am freien Markt bräuchten mehr Schutz.
Der lange Weg zur Preisstabilität
Die wahre Bewährungsprobe kommt erst 2026, wenn die neuen Regelungen greifen. Die Regierung muss einen Spagat schaffen: Inflation senken, ohne die schwächelnde Konjunktur abzuwürgen.
Entscheidend werden die Umsetzung des Wohnpakets, weitere Verhandlungen mit dem Handel und die internationale Entwicklung. Mit "Anti-Teuerungs-Ruder und Aufschwung-Ruder" will die Regierung das Land wieder auf Kurs bringen.
Ob der Plan aufgeht, zeigen die kommenden Monate. Klar ist: Österreich wagt den bisher größten Eingriff in den Wohnungsmarkt der jüngeren Geschichte.