Österreich: Handel muss Löhne neu verhandeln

Die hohe Inflation kippt einen bereits fixierten Lohnabschluss im österreichischen Handel. 570.000 Beschäftigte müssen auf neue Verhandlungen warten, während andere Branchen bereits moderate Abschlüsse erzielt haben.
Der Grund: Eine Inflations-Klausel greift. Die rollierende Teuerung erreichte von Oktober 2024 bis September 2025 die kritische Marke von 3,0 Prozent. Der Zweijahres-Kollektivvertrag aus dem Vorjahr wird damit hinfällig - die Sozialpartner müssen neu verhandeln.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO prognostiziert für 2025 eine Inflationsrate von 3,5 Prozent. Diese hartnäckig hohe Teuerung setzt die gesamte Herbst-Lohnrunde unter Druck.
Fronten verhärtet vor Handelsgesprächen
Die Gewerkschaft GPA und die Wirtschaftskammer haben sich auf einen Verhandlungsstart Anfang November geeinigt. Die Positionen könnten kaum unterschiedlicher sein.
GPA-Chefverhandler Mario Ferrari fordert eine "entsprechende Abgeltung" der Inflation: "Lohnzurückhaltung ist nicht die Lösung." WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik mahnt hingegen zu "unaufgeregten" Verhandlungen, um Arbeitsplätze zu sichern.
Trefelik will den jüngsten Metaller-Abschluss explizit nicht kopieren. Das deutet auf harte Verhandlungen hin.
Eisenbahn schließt ab, Metaller geben Ton vor
Während der Handel noch verhandeln muss, haben andere Branchen bereits abgeschlossen. Die 55.000 Eisenbahn-Beschäftigten erhalten ab Dezember durchschnittlich 2,7 Prozent mehr Gehalt.
Der Bahnabschluss ist sozial gestaffelt: Höhere Einkommen bekommen maximal 150 Euro Aufschlag, niedrigere Gehaltsgruppen profitieren prozentuell stärker. Zusätzlich gibt es bessere Zulagen für Sonn- und Feiertagsarbeit.
Die Metallindustrie hatte bereits im September den Ton gesetzt: KV-Löhne steigen um 2,0 Prozent, IST-Löhne um 1,41 Prozent. Dazu kommen Kaufkraftsicherungsprämien von insgesamt 1.000 Euro.
Öffentlicher Dienst bleibt zurückhaltend
Besonders zurückhaltend zeigt sich der öffentliche Dienst. Aufgrund der angespannten Budgetlage wurde ein bereits vereinbarter Abschluss neu verhandelt.
Das Ergebnis: Eine Nulllohnrunde im ersten Halbjahr 2026, gefolgt von 3,3 Prozent ab Juli. Die Gewerkschaften akzeptierten diese Lösung angesichts der Staatsfinanzen.
Inflation bleibt hartnäckig über EU-Schnitt
Österreichs Teuerung erweist sich als besonders hartnäckig. Das WIFO revidierte seine Inflationsprognose von 2,9 auf 3,5 Prozent nach oben. Auch 2026 werden 2,4 Prozent erwartet - deutlich über dem EZB-Ziel von zwei Prozent.
Haupttreiber der Inflation:
* Energiepreise
* Lohn-Preis-Effekte bei Dienstleistungen
* Indexierungen bei Mieten und Gebühren
Diese Faktoren machen Österreich zum Inflations-Spitzenreiter in der Eurozone.
Lohn-Preis-Spirale als Streitpunkt
Die Gewerkschaften argumentieren mit den Reallohnverlusten der vergangenen Jahre. Die Kaufkraft der Arbeitnehmer müsse gestärkt werden.
Wirtschaftsvertreter warnen hingegen vor einer Lohn-Preis-Spirale, die die Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnte. Sie loben den Metaller-Abschluss als "Abschluss mit Augenmaß", der helfe, die Spirale zu durchbrechen.
Der Metaller-Abschluss lag mit effektiv 2,0 Prozent bewusst unter der rollierenden Inflation von 2,8 Prozent.
Handelsgespräche werden zum Testfall
Die Neuverhandlungen im Handel bekommen besondere Signalwirkung. Mit 570.000 Betroffenen handelt es sich um eine der größten Beschäftigungsgruppen Österreichs.
Die GPA hat bereits klargemacht, dass sie sich nicht an den moderaten Abschlüssen der Metaller orientieren will. Das verspricht schwierige Verhandlungen.
Gleichzeitig kämpfen viele Handelsunternehmen mit der schwächelnden Konjunktur. Die Ausgangsbedingungen für beide Seiten sind alles andere als einfach.
Der Ausgang wird zeigen, in welche Richtung sich Österreichs Lohnpolitik 2026 bewegt - und ob die Sozialpartnerschaft den Spagat zwischen Kaufkraftschutz und wirtschaftlicher Vernunft schafft.