Österreich fordert EU-Kurswechsel beim Verbrenner-Aus

Österreich geht auf Konfrontationskurs zur EU-Klimapolitik. Die Regierung will das für 2035 geplante Verbrenner-Verbot kippen und setzt stattdessen auf E-Fuels und Technologieoffenheit. Deutschland unterstützt die Initiative.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) macht Ernst mit seinem Widerstand gegen das EU-Verbrenner-Verbot. Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer stemmt er sich gegen eine reine Fokussierung auf E-Mobilität. Ihr Ziel: klimaneutrale Kraftstoffe als gleichwertige Alternative durchsetzen.
Koalition im Clinch über Klimakurs
In der Regierung prallen Welten aufeinander. Während Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) das EU-Ziel für 2035 konsequent unterstützt, formiert sich unter Nehammer breiter Widerstand. Der Kanzler kritisiert das Verbrenner-Verbot als schädlich für den Wirtschaftsstandort.
Diese Woche verstärkte sich die Opposition: Minister Hattmannsdorfer verständigte sich in Berlin mit seiner deutschen Amtskollegin Katherina Reiche auf eine gemeinsame Linie. Beide warnen vor einem De-facto-Technologieverbot durch EU-Flottengrenzwerte.
Milliarden-Industrie in Gefahr
Die Zahlen zeigen, warum Österreich kämpft: Die Automobilindustrie sichert direkt und indirekt Hunderttausende Arbeitsplätze. Mit einer Bruttowertschöpfung von 18 Milliarden Euro ist sie eine tragende Säule der Wirtschaft.
Österreichische Unternehmen beliefern internationale Autokonzerne mit hochspezialisierten Komponenten - von Motoren bis Elektroniksystemen. Ein abrupter Technologiewechsel würde diese Wertschöpfung gefährden und den Standort im globalen Wettbewerb schwächen.
E-Fuels als Trumpfkarte
Synthetische Kraftstoffe stehen im Zentrum der österreichischen Strategie. Diese werden mit erneuerbarem Strom, Wasser und CO₂ aus der Luft hergestellt. Der Clou: Sie funktionieren in herkömmlichen Verbrennungsmotoren nahezu klimaneutral.
Die eFuel Alliance Österreich argumentiert: E-Fuels seien keine Konkurrenz zur E-Mobilität, sondern notwendige Ergänzung. Allein in Österreich fahren über fünf Millionen Pkw mit Verbrennungsmotor - diese Bestandsflotte lässt sich nur so dekarbonisieren.
Kritiker wenden ein: Die Produktion sei energieintensiv und teuer. Befürworter kontern: In sonnen- und windreichen Regionen könne effizient und kostengünstig produziert werden.
EU-Kommission signalisiert Flexibilität
Der Widerstand zeigt Wirkung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte nach einem Treffen mit Branchenvertretern an, die für 2026 geplante Überprüfung der CO₂-Grenzwerte "schnellstmöglich" vorzuziehen.
Sie betonte die Notwendigkeit, "Dekarbonisierung und Technologieneutralität miteinander zu verbinden". In Wien wird das als Bestätigung des eigenen Kurses gesehen.
Entscheidung noch 2025
Die vorgezogene Überprüfung könnte noch dieses Jahr beginnen. Österreich will gemeinsam mit Deutschland eine rechtliche Verankerung für E-Fuels als klimaneutrale Option nach 2035 erreichen.
Der Ausgang wird über mehr als nur den Verbrennungsmotor entscheiden: Es geht um die strategische Ausrichtung der europäischen Industriepolitik für die kommenden Jahrzehnte. Für Österreich steht die technologische Führungsposition auf dem Spiel.