Österreich forciert EU-Erweiterung trotz Bürgerskepsis

Europaministerin Claudia Plakolm bereist sechs Tage lang alle Westbalkan-Staaten. Gleichzeitig schmiedet die Regierung neue Allianzen in der Migrations- und Wirtschaftspolitik, um österreichische Interessen in Brüssel durchzusetzen.
Die sechstägige Westbalkan-Tour der ÖVP-Ministerin startete am Sonntag in Skopje und führt durch alle EU-Beitrittskandidaten der Region. Begleitet vom Generalsekretär der Industriellenvereinigung soll die Reise festgefahrene Beitrittsprozesse neu beleben.
Wien positioniert sich als stärkster Befürworter einer raschen EU-Mitgliedschaft der Westbalkan-Staaten. Die Regierung argumentiert mit wirtschaftlichen Vorteilen für Österreich - die Region ist bereits heute ein wichtiger Handelspartner.
"Freunde des Westbalkans" drängen auf Integration
Die Initiative von Außenminister Alexander Schallenberg aus 2023 zeigt Wirkung. Acht EU-Länder - darunter Italien, Kroatien und Tschechien - setzen sich für beschleunigte Integration ein.
Ein Durchbruch gelang bereits: Die EU-Kommission übernahm Österreichs Konzept der graduellen Integration in ihren neuen Wachstumsplan. Kandidatenländer erhalten so schon vor der Vollmitgliedschaft Zugang zu Teilen des Binnenmarktes.
Bei einem Treffen in Rom betonten die Außenminister: Europa sei ohne den Westbalkan nicht vollständig. Die Erweiterung sei eine Sicherheitsfrage für Europa.
Stocker formiert Migrations-Allianz
Bundeskanzler Christian Stocker verfolgt eine härtere Linie in der Migrationspolitik. Beim Kopenhagener Gipfel warb er für Asylverfahren in Drittstaaten und stärkeren Grenzschutz.
Ein Dutzend EU-Staaten, darunter Italien, unterstützen mittlerweile den restriktiveren Kurs. Die Allianz will ihre Forderungen beim nächsten EU-Gipfel formalisieren.
Trotz hoher Skepsis in der Bevölkerung bekennt sich Stocker zur Erweiterung. Nur 45 Prozent der Österreicher befürworten laut Eurobarometer weitere EU-Beitritte.
Kampf gegen "Österreich-Aufschlag"
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer mobilisiert gegen unlautere Preispraktiken. Internationale Konzerne verlangen für identische Produkte in Österreich oft höhere Preise als in Deutschland.
Seine Allianz aus acht kleineren EU-Staaten vertritt 66 Millionen Bürger. Belgien, Tschechien, die Niederlande und Kroatien fordern gemeinsam mit Österreich regulatorische Maßnahmen von der EU-Kommission.
Pragmatische Strategie zahlt sich aus
Die Bildung themenspezifischer Allianzen hilft Österreich als mittelgroßem EU-Land, eigene Interessen durchzusetzen. Die jüngste Aufhebung des Vetos gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens zeigt flexible Anpassung an geopolitische Notwendigkeiten.
Konkrete Ergebnisse hängen jedoch von Reformfortschritten in den Kandidatenländern und dem politischen Willen anderer EU-Mitglieder ab. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Österreichs diplomatische Offensive Früchte trägt.