Österreich: Erbschaftssteuer kommt zurück auf die Agenda

Die SPÖ will sie wieder einführen, die ÖVP lehnt kategorisch ab: Die Erbschaftssteuer spaltet Österreich. Nach 17 Jahren ohne diese Abgabe flammt die Debatte mit neuer Schärfe auf – angeheizt von Budgetsorgen und wachsender Vermögensungleichheit.
Selbst WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sprach sich kürzlich für eine Wiedereinführung aus. Das Signal ist klar: Das Thema wird den politischen Herbst dominieren und könnte zum Wahlkampf-Brennpunkt werden.
SPÖ plant "Millionärssteuer" mit hohen Freibeträgen
Die Sozialdemokraten haben ein konkretes Konzept vorgelegt: Ein Lebensfreibetrag von einer Million Euro pro Person soll 98 Prozent aller Erbschaften steuerfrei stellen. Nur wer über 30 Jahre hinweg mehr als diese Summe erbt oder geschenkt bekommt, zahlt drauf.
Die geplante Staffelung:
- 1 bis 5 Millionen Euro: 25 Prozent
- 5 bis 10 Millionen Euro: 30 Prozent
- Über 10 Millionen Euro: 35 Prozent
Als Ausgleich soll die umstrittene Grunderwerbsteuer bei Familienerbschaften wegfallen. Das selbst genutzte Eigenheim bleibt unter bestimmten Bedingungen verschont.
Wirtschaft schlägt Alarm: "Existenzbedrohung für Betriebe"
Die Wirtschaftskammer läuft Sturm gegen die Pläne. Ihr Hauptargument: Vermögen steckt meist nicht als Bargeld auf dem Konto, sondern in Maschinen, Gebäuden und Betriebsausstattung. Hohe Steuerzahlungen könnten Unternehmer zu Notverkäufen zwingen oder in die Überschuldung treiben.
Über 1.100 Betriebsübergaben wären jährlich betroffen, warnt die WKO. Die ÖVP spricht von "Leistungsfeindlichkeit" und zieht eine rote Linie: Mit ihr gebe es keine Erbschaftssteuer.
Das Milliardenspiel: Worum es finanziell geht
Die Zahlen sind beeindruckend: Österreicher erben derzeit jährlich 21,5 Milliarden Euro – Tendenz steigend auf 41 Milliarden Euro in den kommenden Jahrzehnten. Doch das Geld ist extrem ungleich verteilt: Das reichste Prozent erbt Millionen, die Mehrheit geht fast leer aus.
Die SPÖ rechnet mit 500 Millionen Euro Steuereinnahmen, optimistische Schätzungen gehen von bis zu 2,4 Milliarden Euro aus. Kritiker bezweifeln diese Zahlen und verweisen auf hohe Verwaltungskosten.
Österreich als europäischer Sonderfall
Seit 2008 verzichtet Österreich komplett auf eine Erbschaftssteuer – europaweit eine Ausnahme. Damals kippte der Verfassungsgerichtshof die alte Regelung wegen ungleicher Bewertungsverfahren.
Jede Neuregelung müsste verfassungskonform alle Vermögensarten fair bewerten – eine der größten technischen Hürden. Die aktuelle Debatte findet vor dem Hintergrund stagnierender Wirtschaft und chronisch klammer Staatskassen statt.
Wahlkampf-Zündstoff mit offenem Ausgang
Die Fronten sind verhärtet: Während die SPÖ die Erbschaftssteuer zur Kernforderung macht, schließt die ÖVP jede Koalition unter dieser Bedingung aus. Eine Umsetzung hängt daher komplett vom nächsten Wahlergebnis ab.
Sollte sich eine politische Mehrheit finden, wartet ein komplexer Gesetzgebungsprozess. Neben Steuersätzen müssen vor allem die kniffligen Bewertungsfragen geklärt werden – damit die Neuregelung nicht wieder vom Verfassungsgerichtshof kassiert wird.
Die Erbschaftssteuer-Debatte ist mehr als Steuerpolitik: Sie offenbart fundamentale Unterschiede über Leistung, Gerechtigkeit und Österreichs wirtschaftliche Zukunft.