Österreich: Budget-Verhandlungen bedrohen Koalition

Die Regierungskoalition steht vor dem Kollaps. Budget-Verhandlungen eskalieren zwischen den Partnern, während gleichzeitig ein EU-Defizitverfahren droht. Auf der einen Seite fordern konservative Kräfte milliardenschwere Steuerentlastungen, auf der anderen pocht das Finanzministerium auf strikte Sparmaßnahmen.
Die Lage spitzt sich zu: Österreich steckt in einer hartnäckigen Rezession mit erheblichem Budgetloch. Bis zum Wochenende sollen intensive Verhandlungsrunden eine Einigung bringen - oder das Land steuert auf eine Regierungskrise zu.
Milliarden-Streit spaltet die Regierung
Die ÖVP will Vollgas bei Entlastungen geben. Konkret liegen Vorschläge für steuerliche Anreize bei Überstunden auf dem Tisch, eine Anhebung des Gewinnfreibetrags für Unternehmen und gelockerte Abschreibungsregeln für Investitionen.
Das Ziel: Leistung belohnen und die Konjunktur ankurbeln. "Eine Mischung aus Entlastungen und Leistungsanreizen würde Österreich langfristig wirtschaftlich stärken", argumentieren die Befürworter.
Doch Finanzminister Magnus Brunner bremst. Die Staatsfinanzen lassen kaum Spielraum für teure Steuergeschenke. Das Budgetdefizit muss unter die EU-Defizitgrenze von 3 Prozent des BIP gedrückt werden - das bedeutet milliardenschwere Einsparungen.
Klimabonus vor dem Aus - Grüne laufen Sturm
Die härtesten Kämpfe toben bei den Ausgaben. Um die Sparziele zu erreichen, stehen drastische Maßnahmen zur Debatte:
- Ersatzlose Streichung des Klimabonus
- Abschaffung der Bildungskarenz
- Kürzungen bei Umweltförderungen
- Höhere Krankenkassenbeiträge für Pensionisten
Für die Grünen sind das rote Linien. Sie warnen davor, dass klima- und sozialpolitische Errungenschaften "mit dem Abrissbagger niedergerissen" werden könnten. Gewerkschafter kritisieren, dass keine politische Mehrheit für mehr Steuergerechtigkeit existiert.
Verzweifelte Suche nach neuen Einnahmen
Da bei den Einsparungen wenig Bewegung herrscht, rückt die Einnahmenseite in den Fokus. Diskutiert werden mehrere unpopuläre Optionen:
- Verlängerung des Spitzensteuersatzes von 55 Prozent bis 2029
- Aufhebung der Umsatzsteuerbefreiung für Photovoltaik-Module
- Deutliche Anhebung der Tabaksteuer
- Höhere Wettgebühren
Diese Maßnahmen könnten Hunderte Millionen Euro bringen - stehen aber im Widerspruch zum Versprechen, keine neuen Steuern einzuführen.
Experte warnt vor kosmetischen Lösungen
Wirtschaftsforscher Gabriel Felbermayr sieht das Problem tiefer. Der WIFO-Chef mahnt, dass Österreich ohne strukturelle Reformen nicht aus der Krise findet. Die Streichung des Klimabonus sei "schnell umgesetzt", doch für eine langfristige Budgetsanierung müsse die Regierung "in die Struktur gehen".
Das betrifft vor allem große Ausgabenblöcke wie das Pensions- oder Sozialsystem. Der aktuelle Streit konzentriert sich jedoch auf kurzfristige Maßnahmen, um das EU-Defizitverfahren abzuwenden.
Kompromiss oder Kollaps?
Die kommenden Tage entscheiden über das Schicksal der Koalition. Scheitern die Verhandlungen, droht nicht nur eine Regierungskrise, sondern auch ein Defizitverfahren aus Brüssel mit schmerzhaften, von außen auferlegten Sparmaßnahmen.
Wahrscheinlich ist ein mühsam errungener Kompromiss, der alle Seiten schmerzt: moderate Einsparungen, verschobene Steuererleichterungen und einige der weniger umstrittenen Steuererhöhungen. Die von Ökonomen geforderte strukturelle Reform dürfte dabei auf der Strecke bleiben.