Novartis ... viele kleine statt einige große Pfeile im Köcher (Aktie im Fokus)
18.01.2022 | 11:04
Der Pharmakonzern Novartis <CH0012005267> steht im Vergleich zum Wettbewerb unter Druck. Kritiker bemängeln ein schwaches Wachstum, wenig große Kassenschlager und eine blasse Rolle in der Pandemie. Auch an der Börse zieht Novartis derzeit den Kürzeren.
Novartis-Chef Vas Narasimhan hat seit seinem Amtsantritt 2018 beim schweizerischen Pharmariesen viel bewegt. Das von seinem Vorgänger Joseph Jiminez stramm und fast autokratisch geführte Unternehmen machte er in seinen Managementstrukturen beweglicher und transparenter. Inhaltlich soll sich der Konzern unter Narasimhan ganz auf innovative Medikamente konzentrieren.
Dafür brachte der gebürtige Amerikaner mit indischer Abstammung im April 2019 die vorherige Augenheilkundesparte Alcon <CH0432492467> an die Börse. Inzwischen stellt Novartis aber auch seine Generikasparte Sandoz zur Disposition, bis Ende 2022 soll über ihr weiteres Schicksal entschieden werden. Viele Beobachter rechnen ebenfalls mit einer Abspaltung über die Börse, möglich ist aber auch ein Verkauf.
Schon jetzt macht Novartis den Löwenanteil an Umsatz und Gewinn mit neuartigen Arzneien etwa gegen Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen und genetisch bedingte Krankheiten. Der Konzern setzt etwa auf Zell- und Gentherapien, um das körpereigene Immunsystem zu stimulieren. Damit agieren die Schweizer ganz im Einklang mit dem Trend von "Big Pharma", denn auch andere große internationale Arzneimittelhersteller setzen zunehmend ihren Fokus auf solche lukrativen Teilbereiche der Medizin.
Von Novartis kommt beispielsweise die Genersatztherapie Zolgensma, die bei der Behandlung der spinalen Muskelatrophie eingesetzt wird - ein genetisch bedingter Muskelschwund, der unbehandelt meist zum frühen Tod schon im Säuglingsalter führt. Mit einem Preis von mehr als zwei Millionen Dollar machte das Mittel bei seiner Zulassung 2019 in den USA als teuerstes Medikament der Welt Schlagzeilen.
Kritiker bemängeln aktuell jedoch vor allem das vergleichsweise schwache Umsatzwachstum des Konzerns. Drei Prozent Plus etwa waren es 2020. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Novartis trotz großer Namen wie Zolgensma nur vergleichsweise "kleine" Blockbuster zu bieten hat. Die größten Erlösbringer wie das Herzmittel Entresto, Gilenya bei Multipler Sklerose (MS) und das Schuppenflechtepräparat Cosentyx brachten es zusammen im Jahr 2020 auf einen Umsatz von weniger als zehn Milliarden Dollar. Gleich mehrere Milliarden mehr nahm im selben Jahr der heimische Konkurrent Roche <CH0012032048> - damals gemessen am Umsatz auch weltweiter Marktführer - mit seinen drei Spitzenprodukten ein.
Auch bei der Forschungspipeline setzt Novartis statt auf einen großen Umsatzbringer auf Masse: Novartis hofft in den nächsten Jahren auf bis zu 20 neue mögliche Kassenschlager, die es jeweils auf ein Umsatzpotenzial von einer Milliarde Dollar bringen könnten - damit soll die Umsatzlücke mehr als aufgefüllt werden, die wegen auslaufender Patente von Nachahmermitteln entstehen dürfte.
Bei Skeptikern lassen solche Zahlen jedoch die Hoffnungen auf einen "transformativen Mega-Deal" blühen, also auf den Zukauf eines Unternehmens, der Novartis nachhaltig verändern würde. Aktuell schließt der Firmenchef einen "ganz großen Deal" aus, stattdessen sieht er den richtigen Weg bei kleineren gezielten Zukäufen.
Seine bisher größte Übernahme stemmte Narasimhan gleich nach seinem Amtsantritt mit dem Kauf des Zolgensma-Entwicklers Avexis aus den USA für 8,7 Milliarden Dollar. Jüngst kündigte Novartis die Übernahme des Genspezialisten Gyroscope für bis zu 1,5 Milliarden Dollar an. Die Einnahmen aus dem langjährigen Novartis-Anteil an Roche, die der Konkurrent Anfang November für 20,7 Milliarden US-Dollar zurückkaufte, flossen dagegen in ein Aktienrückkaufprogramm.
Auch die bislang eher untergeordnete Rolle von Novartis in der Pandemie steht bei Kritikern ganz oben auf der Liste, bisher traten die Schweizer lediglich als Produzent für den mRNA-Impfstoff des Duos Biontech/Pfizer auf. Doch nun könnte Novartis immerhin mit einem Medikament mitmischen, das der Konzern vom Forschungspartner Molecular Partners einlizensieren will. Narasimhan will für das synthetische Protein Ensovibep, das die Viruslast im frühen Krankheitsstadium deutlich mindert, bald eine Notfallzulassung in den USA beantragen.
Die Analysten.
Unter den 14 bei dpa-AFX seit Oktober erfassten Analysten gibt es kein ganz eindeutiges Stimmungsbild: Fünf Branchenkenner empfehlen den Kauf der Aktie, sechs sind aktuell lieber neutral an der Seitenlinie und die restlichen drei Experten votieren für den Verkauf. Auffallend viele kürzten zuletzt aber ihre Kursziele. Im Schnitt sehen sie die Aktie nunmehr bei 87 Euro und damit rund 5 Euro über dem aktuellen Kurs. ...
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