BÖRSE EXPRESS: Am 3. November 2003 wurde der Raiffeisen-EmergingMarkets-Rent aufgelegt und am 18. Oktober 2023 in Raiffeisen-EmergingMarkets-ESG-Transformation-Rent umbenannt. Was waren die wichtigsten Beweggründe, sich nun verstärkt mit der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und der diesbezüglichen Rolle der Emerging Markets zu beschäftigen und wie verändert sich das Portfolio durch diese Umstellung?

STEFAN GRÜNWALD: Globale nachhaltige Ziele - wie der Kampf gegen den Klimawandel – können ohne das Einbeziehen von Emerging Markets nicht erreicht werden und in den meisten Ländern finden sich nachhaltige Veränderungen und ESG-Potenziale. Jedoch führen die zunehmende Produktion für den Export, die Rohstoffexploration, der niedrigere Entwicklungsstand, aber auch diverse politische Systeme und Verteilungsschieflagen im Vergleich zu entwickelten Märkten zu schwächeren ESG-Bewertungen. Daher gilt es die positiven transformatorischen Prozesse hin zu mehr Nachhaltigkeit und nachhaltige Potenziale zu erkennen und stärker in den Fokus der Veranlagung zu stellen. Emerging Markets mit positivem Transformationstrend haben nicht nur eine höhere Resilienz gegenüber ökologischen, sozialen und Governance-Risiken, sondern auch Chancen durch die ESG-Transformation. Durch die Umstellung konzentriert sich die Veranlagung auf Transformationsländer, die eine positive Relation der ESG-Bewertung zum Einkommen und/oder Verbesserung zeigen. Länder mit zu hohen ESG-Risiken bis hin zu Defaults aus ESG-Gründen werden vermieden. Dadurch werden ESG-Bewertungen sowie Ratingqualität erhöht, wobei die Duration und Rendite im Vergleich zur Veranlagungsklasse erhalten bleibt.

 

BÖRSE EXPRESS: Früher waren Investoren eher zurückhaltend, was nachhaltige Investments in den Emerging Markets betrifft. Mit welchen Veränderungen rechnen Sie bei der Einstellung von Schwellenländeranlegern mit Blick auf das Thema ESG?

STEFAN GRÜNWALD: Eine Nachhaltigkeitsbetrachtung von Emerging Markets ist für Investoren heutzutage unverzichtbar geworden. Globale Lieferketten und Rohstoffbezug, eine global-arbeitsteilig organisierte Wirtschaft und die Forderung nach Einhaltung von Mindeststandards erfordern ESG-Einschätzungen, Bewertungen und Abwägungen auch in Emerging Markets. Zudem mehren sich Chancen durch ESG-bezogene Entwicklungen und Verbesserungen hin zu mehr Nachhaltigkeit bei Ländern mit tieferen ESG-Niveaus aufgrund größerer Hebelwirkung. Emerging Markets haben einen massiven Aufhol- und Investitionsbedarf bei der Energieproduktion, dem Ausbau der Telekommunikation, der Wasserver- und -entsorgung oder der Gesundheitsversorgung und Bildung. China - obwohl berechtigterweise negativ in den Schlagzeilen wegen seines Kohlehungers - ist z.B. beim Ausbau und Investitionsvolumen von erneuerbaren Energien sowie E-Mobilität und der damit verbundenen Infrastruktur nicht nur führend, sondern es entfallen gut 50 Prozent der globalen Investitionssumme auf China. Teilweise haben Emerging Markets dabei den Vorteil, dass nachhaltige Themen neu umgesetzt werden können, z.B. muss nicht alte Infrastruktur umgebaut, sondern es kann die neue Infrastruktur nachhaltiger errichtet werden. Diesen Effekt hat man beim Thema Telekommunikation in Afrika gesehen: statt mühsam Festnetzverbindungen aufzubauen ist man gleich erfolgreich zum Ausbau des Mobilfunknetzes übergegangen. Insofern kann es sich lohnen, nicht nur aus Rendite- und Wachstumssicht, sondern auch aus ESG-Sicht in Emerging Markets zu investieren.

 

BÖRSE EXPRESS: Die US-Zinspolitik stellt nach wie vor den bedeutendsten Einflussfaktor für die Performance der Emerging Markets dar. Wie sehen Sie daher die weitere zinspolitische Entwicklung in den USA, was bedeutet dies für die Emerging Markets-Anleihenmärkte und wie steht es mit den Bewertungsniveaus der Emerging Markets-Anleihen?

STEFAN GRÜNWALD: Die Entwicklung der USD-Zinsen und die Zinspolitik der US Federal Reserve Bank haben unmittelbaren Einfluss auf die Performance von Emerging Markets Ländern und stehen in der Einschätzung dieser Veranlagungsklasse mit im Mittelpunkt der Überlegungen. Die Zinsentwicklung in den USA dürfte vorerst ihren Höhepunkt erreicht und die Federal Reserve Bank ihren Zinsanhebungszyklus beendet haben. Das wahrscheinliche Ende des Zinsanhebungszyklus und die im Vergleich zur langfristigen Historie hohen Aufschläge für Emerging-Markets-USD-Anleihen machen eine langfristige Veranlagung attraktiv. Zudem hat die globale Produktionsentwicklung einen Boden gefunden und die Wachstumsdynamik in China hat sich zuletzt stabilisiert. Für China wird das nächste Jahr eine ähnliche Dynamik erwartet und das Wachstumsdifferential der Emerging Markets gegenüber den entwickelten Märkten wieder steigen. Das Umschuldungsrisiko von Ländern mit schwächerem Schuldenprofil wurde vom Kapitalmarkt zum größten Teil reflektiert. Dennoch machen die wohl langfristig höheren USD-Zinsen eine weiterhin selektive Länderallokation bis hin zu kategorischen Vermeidungen auch aus Defaultrisiken notwendig.

 

BÖRSE EXPRESS: Welche Emerging Markets haben Ihrer Meinung nach die größten Wachstumschancen, spielen die größte Rolle bei der weltweiten Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und rücken daher nun ins Zentrum Ihrer Veranlagung?

STEFAN GRÜNWALD: Unter dem Gesichtspunkt weltweit zu erreichender Ziele wie der CO2-Reduktion, spielen natürlich die wirtschaftlich und bevölkerungsmäßig bedeutenden Länder eine große Rolle, insbesondere China und Indien. Während China den Ausbau erneuerbarer Energien stärker vorantreibt, hinkt Indien bei diesem Thema hinterher. Veränderungen aus ökologischen Gründen ziehen meist große Investitionen z.B. im Infrastrukturbereich mit entsprechender Rohstoffnachfrage nach sich, wie im Fall der Energiewende. Davon werden sukzessive Länder aus Afrika und Lateinamerika mit entscheidenden Rohstoffen profitieren, exemplarisch können hier Namibia, Südafrika, Chile und Brasilien genannt werden. Zudem haben Staaten aus Afrika und dem Mittleren Osten das Potenzial Solarenergie zu nutzen oder langfristig grünen Wasserstoff zu erzeugen und zu exportieren. Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Katar sind hier Vorreiter. Länder mit positiver ESG-Beurteilung versus ihres Einkommens wie die Dominikanische Republik, Guatemala, Jamaika, Elfenbeinküste, Costa Rica, Namibia, oder Indonesien finden sich neben Ländern mit Verbesserungspotenzialen wie Oman, Katar oder Brasilien verstärkt in unserem Portfolio.

 

BÖRSE EXPRESS: „Das zentrale Ziel von ESG-Ansätzen für Emerging Markets muss die Unterstützung von nachhaltiger Entwicklung und nachhaltigen Potenzialen sein. Nachhaltig investieren bedeutet in diesem Kontext insbesondere, die Transformation verantwortungsvoll zu begleiten“. Dies waren u.a. Ihre Aussagen bei einer Pressekonferenz von Raiffeisen Capital Management. Was bedeutet „die Transformation verantwortungsvoll zu begleiten” konkret und welche Herausforderungen ergeben sich daraus?

STEFAN GRÜNWALD: ESG-Transformation in Bezug auf Emerging Markets bedeutet bessere ESG-Beurteilungen gegenüber dem Entwicklungsstand bei mitunter positiver nachhaltiger Entwicklung oder ein positives ESG-Potenzial aufzuweisen. Diese langfristigen ESG-Potenziale und Verbesserungen müssen erkannt und durch Veranlagung unterstützt werden. Die Ableitung von nachhaltigen Verbesserungen und Potenzialen ist aber immer mit einer qualitativen Einschätzung und Abwägung verbunden. Die Potenziale und Einschätzungen gilt es laufend zu hinterfragen und zu adaptieren, sofern notwendig. Da Emerging Markets generell eine für Nachhaltigkeitskriterien schwierige Veranlagungsklasse darstellen muss bei der Abwägung von Argumenten, dem Erkennen von Potenzialen und der qualitativen Bewertung von Ländern behutsam, abwägend, in den Kontext setzend und verantwortungsvoll vorgegangen werden. Gleiches gilt in der Vermeidung von zu hohen Risiken aus ESG-Themen bis hin zu Zahlungsausfällen und von zu niedrigen qualitativen Bewertungen auch relativ zur Emerging-Markets-Veranlagungsklasse. Eine große Herausforderung besteht neben der qualitativen Einschätzung darin, nachhaltiges Potenzial, das sich noch nicht in ESG-Indikatoren manifestiert hat, zu erkennen und argumentativ darzulegen. Auch gestaltet sich eine konsequente Umsetzung von nachhaltigen Themen über Emerging Markets Länder hinweg mitunter herausfordernd. Zudem kann dieser selektive Zugang in einer sehr diversen Veranlagungsklasse wie Emerging Markets mitunter starke von der allgemeinen Marktentwicklung abweichende Performancewirkungen haben.

 

BÖRSE EXPRESS: Manche Experten meinen, dass Länder, deren Nachhaltigkeitskriterien aus Sicht der Industrieländer wenig attraktiv erscheinen mögen, in denen sich aber eine wachsende Mittelschicht entwickelt, von besonderem Interesse sind, weil sich damit mehr erreichen lässt als mit Anlagen in Industrieländern. Wie stehen Sie zu dieser Ansicht und warum?

STEFAN GRÜNWALD: Hin zu einer nachhaltigeren Welt spielen Emerging Markets als Verursacher aber auch als Bereitsteller von Leistungen für die globale ESG-Transformation eine wesentliche Rolle. Unserer Meinung nach können durch Veranlagungen in Ländern mit Verbesserungstrend oder mit ESG-Potenzialen, aber noch niedrigen Bewertungen höhere ESG-Effekte erreicht werden. D.h., Veranlagungen in Ländern mit tieferen Ausgangsniveaus, die das Heben von Umweltstandards, das Verhindern von negativen ökologischen Auswirkungen oder die Bekämpfung des Klimawandels anstreben, können hier einen höheren Hebel entfalten als in nach nachhaltigen Kriterien schon weiter entwickelten Staaten. ESG-Themen können von Grund auf umgesetzt und sehr nicht-nachhaltige Prozesse durch nachhaltigere ersetzt werden. Im Gegensatz zu entwickelten Ländern kommt es tendenziell nicht nur zu Adaptierungen und Verbesserungen von Bestehendem, sondern kompletten Änderungen. Beispiele wie jenes der Telekommunikationsinfrastruktur in Afrika habe ich schon erwähnt. Ein ähnlicher Hebel ergibt sich beim Ersatz von z.B. im Vergleich zu entwickelten Staaten ineffizienten Kohlekraftwerken durch erneuerbare Energien. Gleiches gilt bei sozialen Themen wie Einkommensverteilung, Diversität, Arbeitsbedingungen oder Teilhabe, aber auch bei politischen und Governance Inhalten.

 

BÖRSE EXPRESS: Welche Rolle spielen E-, S-, und G-Faktoren in den Emerging Markets und wie gehen Sie nun bei der Auswahl der EM-Anleihen unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien konkret vor bzw. welche sind die wichtigsten ESG-Kriterien, die Sie dabei anwenden?

STEFAN GRÜNWALD: Es werden grundsätzlich alle drei Faktoren in der Betrachtung und der Auswahl der Länder berücksichtigt. Insbesondere in der Vermeidung von Ländern aus quantitativen Gründen, da alle Länder, die sich in jedem der drei Faktoren im 4. Quartil befinden, vermieden werden müssen. Im die qualitative Vermeidung der Länder unterstützenden Screening und in der qualitativen Beurteilung werden auch alle drei Faktoren herangezogen. Wir legen hier angelehnt an die EU im 1. Schritt einen ökologischen Schwerpunkt, lassen aber den sozialen und Governance Aspekt nicht außer Acht. In die Analyse einfließende ESG-Kriterien sind neben den ESG-Beurteilungen von MSCI und ISS (Ratings sowie Reports) unter anderem die Veränderung von CO2-Emissionen, der Anteil und Ausbaupläne von erneuerbaren Energien, der Kohleverbrauch pro Kopf oder die Bevölkerungsdichte, die Lebenserwartung, der Gini-Koeffizient oder Politik- und Korruptionsindexwerte. Unterstützt und ergänzt werden die Einschätzungen noch von unternehmensweiten Policies sowie den Einschätzungen unserer Zukunftsthemen wie Energie, Infrastruktur oder Rohstoffen. Die vornehmlich zu investierenden Transformationsländer zeichnen sich durch eine Ratifizierung des Paris-Abkommens, keine quantitativen oder qualitativen Vermeidungen und einer positiven Transformationsbeurteilung - Verbesserer oder Highgrades beim Raiffeisen Capital Management ESG Sovereign Indikator versus dem BIP pro Kopf oder einem positiven ESG-Potenzial - aus. In der Allokation finden neben wirtschaftlichen und finanziellen Indikatoren die Bewertung durch den Raiffeisen Capital Management ESG Sovereign Indikator, die Treibhausgasemissionen sowie externe Ratings Eingang.

 

BÖRSE EXPRESS: Welche mittelfristigen und langfristigen Erwartungen haben Sie aufgrund des nun stärkeren Fokus auf ESG-Themen bei der Länderauswahl bzw. Gewichtung an die Performance des Raiffeisen-EmergingMarkets-ESG-Transformation-Rent?

STEFAN GRÜNWALD: Trotz des stärkeren Fokus auf ESG-Themen und der erhöhten Selektivität zeigt der Raiffeisen-EmergingMarkets-ESG-Transformation-Rent ähnliche Charakteristika wie die Veranlagungsklasse Emerging-Markets-USD-Staatsanleihen bezüglich Laufzeit, Duration, durchschnittliches Rating und Rendite. Länder mit höheren ESG-Bewertungen sollten meist eine höhere finanzielle Widerstandsfähigkeit, aber auch eine höhere Resilienz gegenüber Risiken aus ESG-Themen aufweisen, geringere Refinanzierungskosten und ein geringes Rückzahlungsrisiko und somit eine verringerte Volatilität mit vergleichbaren Ländern besitzen. Daher erwarten wir langfristig eine tendenziell geringere Volatilität gegenüber der Veranlagungsklasse. Zudem können ESG-Themen Wachstumschancen darstellen, was sich langfristig auch in einer verbesserten Performance von nachhaltigeren Ländern gegenüber vergleichbaren Peers zeigen kann. Im angewandten ESG-Transformations-Investmentprozess werden darüber hinaus Länder mit schlechten Refinanzierungsaussichten, sehr hohen Risiken aus ESG-Überlegungen sowie keinem ESG-Potenzial in der Veranlagung vermieden, was das Risiko von Veranlagungen in Ländern mit noch nicht materialisierten Umschuldungsrisiken verringert.

 

BÖRSE EXPRESS: Den Raiffeisen-EmergingMarkets-ESG-Transformation-Rent sollte ich lieber heute als morgen kaufen, da....

STEFAN GRÜNWALD: … durch eine Veranlagung die nachhaltige Entwicklung von Emerging Markets Ländern unterstützt und die zuletzt gestiegenen absoluten Renditen von Emerging-Markets-USD-Staatsanleihen langfristig vereinnahmt werden können. Mehr zum Fonds gibt’s hier … durch eine Veranlagung die nachhaltige Entwicklung von Emerging Markets Ländern unterstützt und die zuletzt gestiegenen absoluten Renditen von Emerging-Markets-USD-Staatsanleihen langfristig vereinnahmt werden können. Mehr zum Fonds gibt’s hier

 

 

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