Wien (OTS) - Die Arbeitswelt steht durch Digitalisierung und Fragmentierung massiv im Umbruch. Cooperative Modelle wie Genossenschaften können viele Herausforderungen dieses Wandels bewältigen, so das Fazit der Tagung Arbeit neu denken – Cooperative Lösungsansätze für eine Ökonomie der Zukunft, die Smart Austria, der Österreichische Genossenschaftsverband und die Universität Wien im Juni gemeinsam veranstaltet haben.

Projektarbeit, Neue Selbstständigkeit, Sharing Economy – was auf den ersten Blick viele Freiheiten für Arbeitende und viele Annehmlichkeiten für Kundinnen und Kunden bringt, birgt auf den zweiten Blick zahlreiche Risiken. Denn die schöne neue Welt der Arbeit bedeutet allzu oft auch schlechte Bezahlung, niedrige Sozialstandards und Vereinzelung.

„Genossenschaften und andere cooperative Modelle dagegen verbinden selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Arbeiten mit dem Rückhalt einer Gemeinschaft. So können wir die Arbeitswelt nachhaltig verbessern,“ eröffnet Sabine Kock, Geschäftsführerin von Smart Austria, die Tagung vergangenen Freitag.

Vertrauen, Solidarität und „ordentliches Management“

Die Soziologin Sabine Neuhofer, die an der Universität Wien zu Verteilungsgerechtigkeit forscht, fordert: „Wir müssen darüber diskutieren, was prekäre Arbeitsverhältnisse mit den Menschen machen, und in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen.“

Christian Hopp, Ökonom an der RWTH Aachen, betont die Wichtigkeit von gegenseitigem Vertrauen und solidarischem Miteinander als die Erfolgsfaktoren genossenschaftlicher Kooperationen.

Clemens Pig, Geschäftsführer der ebenfalls als Genossenschaft organisierten APA, bekräftigt diese Einschätzung ebenso. „Die Digitalisierung macht die Menschen zudem nicht überflüssig, sondern schafft neue Berufe und Ausbildungswege. Damit muss man sich auseinandersetzen. Das sollte ordentliches Management heute leisten,“ so Pig.

Digitale Plattform-Genossenschaften als Gegenmodell zu Uber
und Co

Exemplarisch für den Wandel der Arbeitswelt sind Plattform-Unternehmen wie Airbnb oder Uber. Als zukunftsfähige Alternative dazu plädiert US-Forscher Trebor Scholz für digitale Plattform-Genossenschaften, die im Eigentum ihrer Mitglieder stehen und demokratisch organisiert sind. Solche Platform-Coops existieren bereits in zahlreichen Sektoren: von Ferienwohnungen (Fairbnb) über Haushaltsdienstleistungen (Up & Go) bis hin zu Musikstreaming (Resonate). Sie sichern bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen, aber auch höhere Produktivität und bessere ökonomische Belastbarkeit.

Genossenschaftliche und cooperative Praxis

Barbara Pogacar, Leiterin der Abteilung Beratung für Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften im Österreichischen Genossenschaftsverband, benennt die Vorteile der Genossenschaft: Das sind unter anderem die frei wählbare Höhe der Geschäftsanteile, der leichte Zugang zur Mitgliedschaft und die beschränkte Haftung. „Die Idee der Genossenschaft hat sich über 150 Jahre bewährt, aber anders als die heutige Sharing Economy schafft sie Vertrauen und Sicherheit,“ so die ÖGV-Expertin Pogacar.

Ela Kagel vom Community-Hub Supermarkt Berlin plädiert für einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Wirtschaftssystem „vom Egosystem zum Ecosystem“, also hin zu einem ganzheitlich gedachten, ökologisch wie sozial und ökonomisch nachhaltigen Ökosystem vernetzter Communities.
Wolfgang Aigner und Wolfgang Wittmer von der Wiener IT-Genossenschaft New World of Work präsentieren mit dem Vienna Cherry Chapter ihren Beitrag zur Vision eines dezentralen und ebenso nachhaltigen Internet.

Auch Smart Austria, vertreten von Lisa Pointner und Sabine Kock, ist ein konkretes Erfolgsmodell aus Österreich, das für fast tausend Künstlerinnen und Künstler, Kreative sowie Neue Selbstständige eine Verbindung von selbstbestimmter Arbeit mit den Sicherheiten der Anstellung ermöglicht. „Ein solidarisches Dach für alle, die bisher als Einzelkämpfer unterwegs waren“, so Kock.

Genossenschaften und andere cooperative Modelle sind also auch in Österreich und im deutschsprachigen Raum durchaus präsent und gewinnen an Bedeutung. Allerdings kämpfen sie streckenweise mit geringer Sichtbarkeit und der nötigen Anschubfinanzierung. Viele Herausforderungen, gerade die durch die fortschreitende Digitalisierung, seien vom traditionsreichen Genossenschaftswesen selbst noch zu bewältigen, so ein Fazit der Diskussion.

Cooperativen als Zukunftsmodell der Arbeit

„Dennoch: Die cooperative Ökonomie eröffnet Zukunftsperspektiven für selbstverantwortliches, solidarisches Zusammenarbeiten“, ist auch der Wirtschaftswissenschaftler Oliver Fabel von der Universität Wien überzeugt. Cooperatives Arbeiten schafft Anknüpfungspunkte für ein anderes Verständnis von Gerechtigkeit und einen breiteren Arbeitsbegriff, der nicht nur Erwerbs- sondern etwa auch Sorgearbeit einschließt. Die cooperative Ökonomie sei, so Scholz, „ein Weg hin zu kollektivem Mut.“