Exchange Traded Funds (ETFs) erfreuen sich als passive, in der Regel sehr simpel und kostengünstig strukturierte Investments weiterhin wachsender Beliebtheit. So geht beispielsweise Salim Ramji, beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock verantwortlich für den Bereich Indexfonds, der 4,6 Billionen Euro verwaltet, davon aus, dass sich das Wachstum im ETF-Geschäft deutlich fortsetzt. Weltweit rechnet er mit einer Verdopplung des Kapitals auf zwölf Billionen Dollar. Eine Verdopplung erwartet Ramji ebenfalls in Europa und hält hier ein Volumen von rund zwei Billionen Euro für möglich. Zum Vergleich: In Deutschland belief sich das Vermögen der in Deutschland verwalteten ETFs zum Ende des Jahres 2019 auf eine Summe von rund 152 Milliarden Euro, eine Verdopplung seit 2012.

Viele Anleger nutzen bevorzugt ETFs auf die großen Indizes. Davon versprechen sie sich die beste Streuung und die optimale Allokation ihres Vermögens in weltweit operierende Topunternehmen aus verschiedenen Branchen. Das Argument leuchtet ein.

Der MSCI World Index besteht aus rund 1600 Einzelwerten aus 23 Industriestaaten und gewichtet streng nach Marktkapitalisierung. Die größten Werte sind – man kann es sich denken – die großen US-Technologiekonzerne Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Facebook. Sie gehören zu den sechs größten Unternehmen der Welt mit einer Marktkapitalisierung von 5,5 Billionen Euro. Zum Vergleich: Alle Unternehmen im deutschen Leitindex DAX zusammen haben eine Marktkapitalisierung von etwas mehr als 1,1 Billionen Euro – also rund 200 Milliarden Euro mehr als Alphabet, aber auch rund 200 Milliarden Euro weniger als Amazon.

Das bedeutet auch: Derzeit werden 55 deutsche Unternehmen als Teil des MSCI World geführt. In Sachen Indexgewichtung spielt Deutschland insgesamt eine eher untergeordnete Rolle. Deutsche Unternehmen machen gerade einmal 2,79 Prozent der Indexzusammensetzung aus. Wegen ihres hohen Anteils an der weltweiten Marktkapitalisierung sind die Vereinigten Staaten das mit Abstand wichtigste Land im Index mit einem Anteil von mehr als 65 Prozent. Allein die „Big Five“ Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Facebook machen gut zwölf Prozent der Gewichtung des Weltindex‘ aus.

Das mag sich zunächst gut für ETF-Anleger anhören, da sie durch die Nachbildung der Wertentwicklung natürlich stark von der Rallye der Technologiewerte profitiert haben und dies auch so weitergehen kann – die Digitalisierung und die Veränderung der Arbeitswelt unter Nutzung neuer Technologien lassen grüßen.

Auf der anderen Seite setzen sich Investoren aber auch einigen Risiken aus, denn zwangsläufig konzentrieren sie sich, um beim Beispiel des ETF auf den MSCI World zu bleiben, weit überdurchschnittlich auf Technologiewerte.

Und das auch dann, wenn Technologiewerte im Allgemeinen als Growth-Aktien und diese Unternehmen im Speziellen vielleicht gar nicht ihren Wünschen beziehungsweise ihrer Strategie entsprechen. Sei es, weil Growth keinen Anlageschwerpunkt darstellt, sei es, weil Amazon, Apple und Co. schon durch andere Instrumente im Depot vorhanden sind und damit eine ungewollte Übergewichtung stattfinden würde.

Außerdem setzen sich Anleger gegebenenfalls einem entsprechenden US-Dollar-Risiko aus. Das kann durchaus Relevanz besitzen. Der Dollar schwächelt während der Corona-Krise, und in Kombination mit den wirtschaftlichen und politischen Risiken in den USA (Stichwort Präsidentschaftswahl) sprechen Experten schon von einer Crash-Gefahr bei der wichtigsten Währung der Welt. In 2020 hat sich der US-Dollar alleine gegen den Euro schon um ca. 5,6 Prozent abgewertet.

Investoren sollten daher ihre ETF-Positionen im Rahmen ihrer Anlageallokation genau überdenken und die USA- und US-Dollar-Konzentration kritisch betrachten. Stimmen diese Aspekte mit dem eigenen Rendite-Risikoprofil überein? Ist die US-Bias in einer globalisierten Welt mit stark wachsenden neuen Playern im asiatisch-pazifischen Raum dauerhaft sinnvoll? Können US-Unternehmen im Sinne der individuellen Ausrichtung (beispielsweise bei einem ESG-Fokus) überhaupt den Schwerpunkt bilden oder schließen sie sich bei genauerer Prüfung aus? Auch wenn es einfach erscheint, in einen ETF zu investieren, sollte die strategische Planung nicht zu kurz kommen. Der Anlageentscheidung sollte genügend Raum gegeben werden – dabei unterscheidet sich der ETF nicht von anderen Instrumenten. Denn ein ETF ist zwar ein passives Investment, aber die persönliche Allokation setzt immer eine aktive Entscheidung des Anlegers voraus.

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