Movember: Prostatakrebs besser therapieren!
Presseinformation der Österreichischen Gesellschaft für Nuklearmedizin und molekulare Bildgebung
Prostatakrebs:
- Chancen zur Heilung verbessern sich fortwährend
- Nuklearmedizinische Therapie kann einen verzögerten Krankheitsverlauf ermöglichen
- Die Lebensqualität wird dadurch erheblich gesteigert
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern und wird oft spät entdeckt. Laut Statistik Austria[1] gibt es über 6.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Geschätzt leben 68.000 Männer mit einem Prostatakarzinom in Österreich. Die Hälfte der Männer mit Prostatakarzinom entwickeln eine Metastasierung im Laufe Ihrer Grunderkrankung. Zu Beginn verursacht der bösartige Tumor meist keine Symptome und wird nicht selten erst beim Auftreten von Metastasen entdeckt. Wie bei allen bösartigen Tumoren besteht auch beim Prostatakrebs das Risiko, dass trotz erfolgreicher Erstbehandlung der Tumor später Metastasen bildet.
Krankheitsverlauf beim metastasierten Prostatakarzinom kann durch Nuklearmedizinische Therapie verzögert werden
Diese Therapieform wird vorwiegend bei Patienten angewendet, die auf keine andere Behandlung mehr ansprechen. Laut Univ.-Prof. Dr. Rainer W. Lipp handelt es sich dabei jedoch im Regelfall um keine heilende Therapieoption, sondern um eine, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder den Tumor zeitweilig zurückdrängen könne: „Bei Patienten, für die sonst keine weitere Therapieoption besteht, kann ein Ansprechen von bis zu 30 Prozent erwartet werden“, so Univ.-Prof. Dr. Rainer W. Lipp von der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Medizinischen Universität Graz und Beiratsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Nuklearmedizin und molekulare Bildgebung. Er fügt weiters hinzu: „Das bedeutet, es kommt zu einem Rückgang der Tumormasse bzw. des PSA-Wertes. Zudem wird die oft sehr starke Schmerzsymptomatik gelindert und damit die Lebensqualität erheblich verbessert.“
Neue Internationale Studien belegen Effizienz und gute Verträglichkeit
Bei der Therapie des fortgeschrittenen metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom konnten zwei klinische Studien der Therapie P Trial und der VISION Trial den nuklearmedizinischen Behandlungserfolg nachweisen! Diese internationalen Studien belegen, dass diese zielgerichtete Behandlung gleich effektiv wie die Chemotherapie ist und im Vergleich zur Chemotherapie deutlich besser vertragen wird. Die gleiche Substanz mit dem Radionuklid, Lutetium-177, einem Betastrahler mit abtötender Wirkung auf Tumorzellen wurde nunmehr bei metastasierendem Prostata-Krebs als Therapie eingesetzt. Die genaue Bezeichnung dieses radioaktiven Arzneimittels lautet [177Lu]Lu-PSMA-617. In einer großen internationalen Phase-III-Studie (VISION Trial NCT03511664) wurde jetzt erstmalig kontrolliert nachgewiesen, dass die Therapie mit [177Lu]Lu-PSMA-617- nicht nur das Fortschreiten der Erkrankung verzögern kann, sondern auch das Gesamtüberleben der betroffenen Männer signifikant verlängern kann. „Damit steht neben 3 Therapielinien zur Hormonblockade und 2 Chemotherapie-Linien nunmehr eine weitere Therapielinie für das metastasierende Prostata-Karzinom zur Verfügung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Rainer W. Lipp von der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Medizinischen Universität Graz.
Erste detaillierte Ergebnisse dieser beiden Studien wurden bereits 2021 veröffentlicht. Eine Zulassung des radioaktiven Medikaments angesichts der positiven Studienergebnisse erfolgte bereits am 22. März 2022 durch die amerikanische Behörde (FDA). Damit ist auch seitens der EMA die baldige Zulassung zu erwarten.
Nuklearmedizin: Golden-Standard auch in der Diagnose bei Prostatakrebs
Seit Jahren stellt die Nuklearmedizin den Goldstandard für die Abklärung bei Verdacht auf ein erneutes Auftreten des Prostatakarzinoms (PSA-Rezidiv, s.u.) dar. Damit kann der sehr empfindliche Nachweis von Metastasen erbracht werden. Da diese Moleküle markiert sind, lassen sich die Bindungsstellen durch die Messung mit dem PET/CT, welches auf den Karzinomzellen in hoher Dichte vorkommt, mittels dem Scanner gut erkennen. Auch die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Nuklearmedizin (EANM) gemeinsam mit der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) belegen, dass die PET/CT-Untersuchung mit der schwach radioaktiven Substanz wie F18-PSMA, Ga68-PSMA oder Cu64-PSMA (Prostata-Spezifisches-Membran-Antigen) zu den modernsten Diagnostikmöglichkeiten beim Prostatakrebs gehört3. „Das bedeutet, dass der Bedarf an nuklearmedizinischer Bildgebung in den nächsten Jahren deutlich steigen wird.“, so Professor Lipp.
Künftig wird die Nuklearmedizin weiter an Bedeutung gewinnen!Eine derzeit laufende Studie wird den Stellenwert der PSMA-Therapie in einem früheren Tumorstadium – nämlich das hormonsensitive Stadium im Vergleich zur antihormonellen Therapie –zeigen. Bei positivem Ausgang dieser Studie ist mit einem deutlichen Behandlungsansturm auf die nuklearmedizinischen Zentren zu erwarten! Allein in den USA sind nach einer vorsichtigen Schätzung mit 180 zusätzlichen nuklearmedizinischen Therapiestationen, um den Therapiebedarf zeitnahe decken zu können, zu rechnen.
HINTERGRUND-INFORMATION
Diese Therapie ist ein Beispiel für sogenannte Theranostik, wo zuerst durch einen diagnostischen Test geprüft wird, ob eine bestimmte Therapie wirken kann, weil sie pharmakologisch nach dem gleichen Prinzip wie die Diagnostik funktioniert. Theranostik ist eine Spezialität der Nuklearmedizin.
Prostata-spezifisches Antigen (PSA) ist ein im Blut zirkulierender Tumormarker für das Prostatakarzinom. Normalerweise fällt dieser Wert einige Wochen nach einer erfolgreichen Erstbehandlung (Operation und/oder Bestrahlung) in einen nicht nachweisbaren Bereich ab. Wenn der Wert später wieder über die Nachweisgrenze ansteigt, ist dies ein untrügliches Anzeichen für eine Wiederkehr des Tumors und man spricht von einem PSA-Rezidiv, solange kein Tumor fassbar ist. Mit zum Beispiel [68Ga]Ga-PSMA-11 PET/CT lassen sich die Tumorrezidive früher und präziser lokalisieren als mit CT bzw. MRT und zugleich feststellen, ob eine prinzipielle Eignung für eine Therapie mit [177Lu]Lu-PSMA-617 besteht.
NUKLEARMEDIZIN: BEHANDLUNG MIT DURCHBLICK
Unter Nuklearmedizin versteht man den Einsatz von radioaktiven Arzneimitteln für Diagnostik, Therapie und medizinische Forschung. Der Begriff Diagnostik umfasst die medizinische Bildgebung und bildfreie Verfahren wie beispielsweise Bluttests. Durch die Möglichkeit, Zielstrukturen an Tumorzellen treffsicher darzustellen und zu behandeln, werden nuklearmedizinische Verfahren im Kontext der Personalisierten Medizin zunehmend auch bei Tumorerkrankungen eingesetzt.
Die Österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung (OGNMB) ist die von der Österreichischen Ärztekammer für das Sonderfach Nuklearmedizin akkreditierte Fachgesellschaft und fördert unter anderem Wissenschaft, Ausbildung und sichere Praxis auf dem Gebiet der Nuklearmedizin.
[1] Statistik Austria 2019
[2]). Hofman MS, Emmett L, Sandhu S et al. [177Lu]Lu-PSMA-617 versus cabazitaxel in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (TheraP): a randomised, open-label, phase 2 trial. Lancet 2021; 397(10276):797-804. https://doi: 10.1016/S0140-6736(21)00237-3.
Sartor O, de Bono J, Chi KN et al. Lutetium-177-PSMA-617 for Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer. N Engl J Med. 2021 Sep 16;385(12):1091-1103. https:// doi: 10.1056/NEJMoa2107322.
3) Fanti S, Briganti A, Emmett L, et al. EAU-EANM consensus statements on the role of PSMA PET/CT in patients with prostate cancer and in respect to radioligand therapy ([177Lu]Lu-PSMA). Eur Urol Oncol. 2022; In press.