Laut dem MINT-Herbstreport 2022 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) gab es im Oktober 2022 in den MINT-Berufen 502.200 offene Stellen und 176.910 arbeitslose Personen, die eine entsprechende Qualifikation besitzen. Die Arbeitskräftelücke in MINT-Berufen lag im Oktober 2022 damit bei 326.100 Personen. Dieser Wert liegt nur knapp unter dem Höchststand im Jahr 2018 von 337.900 Personen. Im Coronajahr 2020 sank die Arbeitskräftelücke auf 108.700 Personen, stieg aber 2021 wieder auf 276.900 Personen an.

Energie- und Elektroberufe am stärksten betroffen

Am größten ist die Fachkräftelücke innerhalb des MINT-Bereichs bei Facharbeiterberufen (154.000), gefolgt von Expertenberufen (137.500) und Spezialisten sowie Meister- und Techniker (34.200). Unterscheidet man nach Branchen, ist die Fachkräftelücke bei Energie-/Elektroberufen (84.900) am größten. Danach folgen die Maschinen- und Fahrzeugtechnik (62.500) und die IT-Berufe (58.700). Dies bestätigen auch Daten des Ingenieurdienstleisters  Brunel, laut denen vor allem die Energiewende in den letzten Jahren zu einer höheren Nachfrage nach entsprechend qualifizierten Personal geführt hat.

Klimaschutz benötigt MINT-Fachkräfte

In den kommenden fünf Jahren werden vor allem IT-Experten laut der Studie von besonderer Bedeutung sein, um klimafreundliche Technologien und Produkte zu entwickeln. Rund 32 Prozent der Unternehmen erwarten, dass sich der Bedarf an IT-Fachkräften in diesem Bereich erhöhen wird. Ebenfalls wird ein steigender Bedarf an Ingenieurinnen und Ingenieuren (19 %) sowie MINT-Expertinnen und -Experten (sonstige Fachkräfte) erwartet, um die Energie- und Ressourceneffizienz im Sinne des Klimaschutzes mithilfe der Digitalisierung zu verbessern.

MINT-Fachkräftemangel bremst Digitalisierung

Ebenfalls stark betroffen vom Fachkräftemangel im MINT-Bereich ist die Digitalisierung in Deutschland. Eine weitere Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zeigte, dass es für mehr als die Hälfte der offenen Stellen in diesem Bereich keine ausreichend qualifizierten Arbeitssuchenden gibt. Bundesweit fehlen etwa 77.000 Fachkräfte in den sogenannten Digitalisierungsberufen, die größtenteils ebenfalls zu den MINT-Berufen gehören. Wie der Digitalisierungsexperte Robert Siegers erklärt, können viele Unternehmen ihre Digitalisierungsprojekte deshalb nur langsam durchführen oder mussten diese sogar verschieben.

Demografischer Wandel erhöht MINT-Fachkräftemangel

Aktuell verlassen etwa 64.700 MINT-Akademiker jährlich aus Altersgründen den Arbeitsmarkt. Der jährliche demografische Ersatzbedarf wird in den kommenden fünf Jahren auf etwa 72.100 zunehmen. Mehr als zwei Drittel der MINT-Absolventen wird also benötigt, um den Ersatzbedarf der Unternehmen zu decken.

Bei den MINT-Facharbeitern liegt der demografische Ersatzbedarf aktuell bei 274.000. In fünf Jahren wird er auf 291.000 zunehmen. Das Neuangebot an qualifizierten MINT-Facharbeitern wird hingegen stark unter dem demografischen Ersatzbedarf liegen. Ein Wachstum durch die Einstellung neuer Arbeitskräfte wird in den kommenden Jahren für viele Unternehmen also kaum möglich sein.

Frauenanteil und Absolventenzahlen bereiten Sorge

Obwohl inzwischen viele Unternehmen, Universitäten und Fachhochschulen versuchen, Frauen für eine Ausbildung oder ein Studium im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zu gewinnen, ist der Frauenanteil in den letzten fünf Jahren nur um zwei Prozent gestiegen. Am höchsten ist der Frauenanteil in den Biologen- und Chemikerberufen (46,3 %) und den sonstigen naturwissenschaftlichen Expertenberufen (72,9 %). Am geringsten ist der Anteil weiblicher Mitarbeiter in den Ingenieurberufen der Energie- und Elektrotechnik (10,3 %) und den Ingenieurberufen der Metallverarbeitung (11,1 %).

Problematisch sind zudem die sinkenden Absolventenzahlen in den MINT-Fächern. Im ersten Semester im Studienjahr 2016/2017 studierten etwa 198.000 Personen ein MINT-Fach, im Studienjahr 2016/2017 2019/2020 etwa 192.500 Personen und im Studienjahr 2021/2022 nur noch 172.000. Es ist in den kommenden Jahren deshalb mit einem starken Rückgang von Absolventen zu rechnen.