Microsoft entbündelt Teams: Kartellverfahren vermieden

Microsoft umgeht eine milliardenschwere EU-Strafe und trennt seine Kommunikationsplattform Teams von Office 365. Die jahrelange Kartelluntersuchung endet mit weitreichenden Zugeständnissen – und könnte den Markt für Büro-Software grundlegend verändern.
Die Europäische Kommission hat Microsofts Vorschlag akzeptiert, der den Tech-Konzern dazu verpflichtet, seine Software-Pakete künftig auch ohne Teams zu einem reduzierten Preis anzubieten. Diese Regelung gilt zunächst für den Europäischen Wirtschaftsraum, wird aber strategisch weltweit ausgerollt. Die Vereinbarung beendet eine Untersuchung, die im Juli 2023 formal begann, nachdem Konkurrent Slack (heute Salesforce) 2020 Beschwerde eingereicht hatte.
Das Abkommen läuft über sieben Jahre, wobei einige Bestimmungen zur Interoperabilität sogar ein Jahrzehnt gelten sollen. Für Microsoft bedeutet das eine fundamentale Änderung der Produktstrategie.
Kernpunkt der Kartellvorwürfe
Im Zentrum der Untersuchung stand die Frage, ob Microsoft seine marktbeherrschende Stellung missbrauchte, indem es Teams automatisch mit der weit verbreiteten Office-Software bündelte. Konkurrenten wie Slack argumentierten, diese Praxis verschaffe Teams einen unfairen Vertriebsvorteil und behindere den Wettbewerb.
Die Kommission sah ihre vorläufigen Bedenken bestätigt: Die Zwangsbündelung schränke Innovation und Wettbewerb zum Nachteil der Kunden ein. Ohne eine Einigung hätte Microsoft eine Strafe von bis zu zehn Prozent seines globalen Jahresumsatzes gedroht – das wären mehrere Milliarden Euro gewesen.
Neue Preisgestaltung und offenere Systeme
Die Vereinbarung bringt erhebliche Änderungen mit sich. Microsoft bietet seine Office 365- und Microsoft 365-Pakete künftig auch ohne Teams zu einem niedrigeren Preis an. Nach Marktfeedback zu den ursprünglichen Vorschlägen erhöhte das Unternehmen den Preisunterschied zwischen gebündelten und entbündelten Versionen um 50 Prozent. Die Rabatte reichen von einem bis acht Euro je nach Paket.
Doch die Zugeständnisse gehen über die reine Entbündelung hinaus. Microsoft verpflichtet sich zu verbesserter Interoperabilität: Konkurrierende Services sollen nahtloser mit der Microsoft-Software funktionieren. Das Unternehmen will umfassende Dokumentationen für Entwickler veröffentlichen und Drittanbietern ermöglichen, Office-Web-Apps in ihre eigenen Produkte einzubetten.
Besonders bedeutsam: Kunden können künftig ihre Nachrichten-Daten aus Teams exportieren und in konkurrierende Anwendungen importieren. Das soll Vendor-Lock-in verhindern und die Plattform-Flexibilität stärken.
Weltweite Ausweitung als Strategie
Microsoft kündigte an, die Teams-Entbündelung global auszurollen – ein proaktiver Schritt, um ähnliche regulatorische Herausforderungen in anderen Märkten zu vermeiden. Seit April 2024 erhalten neue Geschäftskunden außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums bereits Software-Pakete ohne Teams angeboten.
Diese globale Neuausrichtung markiert einen strategischen Wendepunkt: Weg vom tief integrierten All-in-One-Modell hin zu einem modularen Ansatz. Branchenanalysten sehen darin einen kalkulierten Schritt, um Regulierungsbehörden zu beschwichtigen und gleichzeitig die starke Position im Produktivitätssoftware-Markt zu behalten.
Wegweisend für fairen Wettbewerb
Die Einigung wird als bedeutender Sieg für fairen Wettbewerb im Tech-Sektor gefeiert. Sabastian Niles, Chef-Rechtsberater bei Salesforce, erklärte, die Entscheidung sende eine "klare Botschaft", dass Microsofts "wettbewerbswidriges Bündeln von Teams Unternehmen geschadet und Kunden faire Wahlmöglichkeiten verweigert" habe.
Der Fall reiht sich in die robuste Kartellrechtsdurchsetzung der EU gegen Big Tech ein – nach ähnlichen Verfahren gegen Google und Apple. Der Fokus auf Interoperabilität und Datenportabilität spiegelt die wachsende regulatorische Priorität wider, Nutzer zu stärken und geschlossene Ökosysteme zu verhindern.
Markt vor Neuausrichtung
Der Markt für Kommunikations- und Kollaborationstools steht vor einer neuen Wettbewerbsphase. Mit Teams als eigenständigem Produkt und garantierter Interoperabilität könnten kleinere Anbieter und Rivalen wie Slack bessere Chancen erhalten, Kunden aus dem Microsoft 365-Ökosystem abzuwerben.
Die Europäische Kommission wird Microsofts Einhaltung der rechtlich bindenden Zusagen in den nächsten sieben Jahren streng überwachen. Langfristig dürfte ein vielfältigerer und innovativerer Markt entstehen, in dem Unternehmen die besten Tools für ihre spezifischen Bedürfnisse kombinieren können – statt an einen einzigen Anbieter gefesselt zu sein.