Die österreichische Metallindustrie überrascht mit einem historischen Verhandlungsrekord: Bereits am ersten Tag einigten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften auf einen Zweijahres-Kollektivvertrag. Erstmals verzichteten die Gewerkschaften PRO-GE und GPA dabei auf eine konkrete Lohnforderung – und erzielten nach nur wenigen Stunden einen "Krisenabschluss" für 200.000 Beschäftigte.

Strategie ohne Forderung zahlt sich aus

Reinhold Binder (PRO-GE) und Mario Ferrari (GPA) wagten ein Experiment: keine prozentuelle Forderung trotz 2,8 Prozent rollierender Inflation. "Wir werden die Verhandlungen völlig offen gehen", kündigte Binder an. Die Taktik zielte auf die schwierige Wirtschaftslage ab – Produktionsrückgänge und massiver Kostendruck prägen die Branche.

Eine Nulllohnrunde schlossen die Gewerkschaften kategorisch aus. Das Ergebnis zeigt: Flexibilität kann sich auszahlen.

Das Zwei-Jahres-Paket im Detail

Der Abschluss bleibt bewusst unter der Inflationsrate und setzt auf Planungssicherheit statt maximale Erhöhungen:

Ab 1. November 2025:
- Ist-Löhne und -Gehälter: +1,41 Prozent
- KV-Mindestlöhne: +2,0 Prozent
- Kaufkraftsicherungsprämie: 500 Euro (Dezember 2025)

Ab 1. November 2026:
- Ist-Einkommen: +1,9 Prozent
- KV-Löhne: +2,1 Prozent
- Zweite Einmalzahlung: 500 Euro (Juli 2026)

Industrie warnte vor Standort-Kollaps

Christian Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie, hatte drastische Zahlen präsentiert: Produktionsverlust über 20 Prozent, 10.000 abgebaute Arbeitsplätze. "Der Standort Österreich ist zu teuer geworden", warnte er vor den Verhandlungen.

Die schnelle Einigung unter der Inflationsrate wird von Arbeitgebern als tragbarer Kompromiss gewertet. Die Industriellenvereinigung begrüßte das Ergebnis als positives Signal funktionierender Sozialpartnerschaft.

Paradigmenwechsel in der Krise

Dieser KV-Abschluss markiert einen historischen Bruch: Statt wochenlanger Verhandlungen mit Warnstreiks eine Blitzeinigung am ersten Tag. Beide Seiten erkannten den Ernst der längsten Wirtschaftsflaute seit Jahrzehnten.

"Eine Operation am offenen Herzen", beschrieb Binder die Verhandlungen treffend. Der Reallohnverlust für Beschäftigte wurde gegen Arbeitsplatzsicherheit getauscht.

Signalwirkung für den Lohnherbst

Der Metaller-Abschluss setzt traditionell den Rahmen für alle Herbst-Kollektivverträge. Moderate Erhöhungen unter der Inflationsrate, kombiniert mit Einmalzahlungen und mehrjährigen Laufzeiten, könnten zur neuen Norm werden.

Handel, öffentlicher Dienst und andere Branchen dürften sich an diesem "Krisenkompromiss" orientieren. Die kommenden Wochen zeigen, ob die Beschäftigten die moderate Lohnentwicklung akzeptieren – oder ob der Unmut über sinkende Reallöhne wächst.