Mayr-Melnhof Der Gewinnfaden ist nicht ganz gerissen
Nach mehreren Jahren kontinuierlicher Aufwärtsentwicklung der Umsätze, Ertragsmargen und Dividendenausschüttungen beim weltweit führenden Hersteller von gestrichenen Recyclingkartons und Faltschachtel-Verpackungen zeigt das erste Quartal 2023 der Mayr-Melnhof markante Einbußen bei den Margen und Ertragszahlen.
Nach Ansicht des MM-Vorstands sind die hohen Lagerbestände bei den wichtigen Kunden des Verpackungsunternehmens – Zigarettenerzeuger, Beauty- und Lebensmittelproduzenten sowie neuerdings Pharmafirmen – und ist die inflationsbedingt schwächelnde Kaufkraft bei den Letztverbrauchern daran schuld, dass es nach langem kontinuierlichem Aufschwung zuletzt zu einen schmerzlichen Nachfrageeinbruch gekommen ist. Neben geplanten Betriebsstillständen aus investitionsbedingten Gründen, z.B. in den Kartonwerken Frohnleiten und Neuss, hat es im ersten Quartal 2023 auch marktbedingte Stillstände infolge von Nachfrageeinbrüchen gegeben. Das alles hat zwar einen höheren Umsatz gebracht, aber das Betriebsergebnis verringert; die sogenannte operating Margin (das ist das betriebliche Ergebnis, dividiert durch die Umsatzerlöse) hat sich im 1. Quartal 2023 sogar halbiert.
Nach dem besten Jahr der Mayr-Melnhof Karton AG 2022 kündigt sich für das laufende Jahr 2023 eine spürbare Konsolidierung an, die die gesamte Verpackungsbranche mitmachen werde, betonte CEO Peter Oswald. Dennoch lautet die Langfrist-Vision des MM-Vorstands, „leading in consumer packaging zu werden.“ Dessen strategische Ziele sind einerseits ein Aufholen bei der Wettbewerbsfähigkeit und die Beibehaltung der bisher errungenen Technologieführerschaft; andererseits soll die Versorgungssicherheit für die Kunden durch Optimierung der Supply Chain (Lieferketten) verstärkt werden. Das alles, so der MM-Vorstand, angesichts der nach wie vor bestehenden Sorgen um die jederzeitige Verfügbarkeit der für den Produktionsprozess nötigen Energiemengen.
Ein positiver Faktor zugunsten des Recyclings von Altpapier durch MM ist dessen deutlicher Preisverfall, der im Februar 2023 seinen Tiefststand mit knapp 90 Euro pro Tonne erreicht hat. Ein weiterer positiver Zukunftsfaktor bei MM sind die erfolgreichen Bemühungen, Verpackungskarton-Lösungen zum Ersatz von Plastik – Stichwort Moulded Pulp – anzubieten.
Getrennt marschieren, vereint schlagen.
Die Struktur des Unternehmens, das aus zwei Divisionen besteht - einerseits die Erzeugung der Basismaterialien Karton und Papier (B&P), andererseits die Fertigung von Verpackungen bzw. Faltschachteln (Packaging) -, soll trotz der stark unterschiedlichen Ergebnisse unverändert beibehalten werden: Der Umsatzanteil der Division Board and Paper liegt mit 54 Prozent vor der Division Packaging mit 46 Prozent; bei der Profitabilität dominiert Board and Paper mit 75 Prozent deutlich das Packaging mit bescheidenen 25 Prozent. Aktionärsfragen nach den Umsatzanteilen und Profitmargen nach Kundensegmenten - Zigaretten-, Lebensmittel-, Healthcare- und Pharmabereich - blieben als eisernes Firmengeheimnis unbeantwortet.
Die MM-Division B&P erzeugte 2022 zu 76 Prozent Karton, zu 15 Prozent ungestrichenes Feinpapier und zu 9 Prozent Kraftpapiere für Papiertaschen und Oberflächen-Laminate als Baustoff. Die Division Packaging hat 2022 Faltschachtelverpackungen zu 2,2 Milliarden Euro gefertigt.
Die durch Neuakquisitionen im Jahr 2022 neu hinzugekommene Pharmasparte als Verpackungsabnehmer (Essenta Packaging und Eson Pac) sieht der MM-Vorstand „als eindeutige Zukunftsindustrie angesichts gigantischer Investitionen in neue Pharma- Erzeugungsstätten“. Man werde sich wohl bald mit der Frage beschäftigen müssen, gleich neben den aufstrebenden Pharmaproduktionen MM-Verpackungswerke anzusiedeln. Derzeit betreibt Mayr-Melnhof 72 Produktionsstandorte in 27 Ländern der Erde, wovon einige allerdings keinen Profit machen; weiters 6 Kartonwerke, 65 Packagingstandorte und ein Holzstoffwerk. Vorderhand sind keine Schließungen geplant. Ende 2020 hat MM zwei russische Standorte zum Preis von 134 Millionen Euro verkauft; diese Summe sei bereits in cash vereinnahmt worden; insgesamt habe MM damit einen Verlust von 12 Millionen Euro gemacht, sagt der Vorstand. Damit hat sich MM komplett aus Russland zurückgezogen. In der Ukraine waren die MM-Standorte weiter in Betrieb, aber mit reduzierter Leistung.
Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.
Aufgrund seiner bisherigen Krisenerfahrungen hat sich MM drei Transformationsziele vorgenommen, die bereits in Umsetzung sind und weiterhin emsig verfolgt werden:
• Weiteres Wachstum im europäischen Frischfaserkartonmarkt durch weitere Akquisitionen.
• Weiteres Wachstum in pofitablen und widerstandsfähigen Endmärkten, wie etwa im Bereich pharmazeutische Sekundärverpackungen.
• Mehr Fokus auf Nachhaltigkeit und Arbeitssicherheit auf der Basis strukturierter und wissensbasierter Ansätze im Einklang mit den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen.
Bei der Beantwortung weiterer Aktionärsanfragen erfuhr man bei der 29. oHV der MM AG noch folgende News: Zur Zeit plant das Unternehmen keinen Aktiensplit. Zwar habe sich der Aktienkurs in den letzten Jahren dynamisch erhöht, aber es gebe keinen echten Bedarf an einem Split. Die um 0,70 Euro erhöhte Dividende von 4,20 Euro pro Aktie für das Geschäftsjahr 2022 wird einen Gesamtaufwand von 84 Millionen Euro ergeben. Die hohen Lagerbestände bei MM-Kunden werden im 2. Quartal 2023 weitere Betriebsstillstände erforderlich machen, denn die Nachfrage werde schwach bleiben. Auch die geplanten Großinvestitionen in den Werken Frohnleiten, Neuss und Kolicevo werden 2023 zu längeren Maschinenstillständen führen. Alles zusammen sei mit Mengen- und Ergebnisrückgängen im Jahr 2023 zu rechnen, so dass die Profitabilität der MM AG tiefer als 2022 liegen werde.
Nicht zuletzt ist erwähnenswert, dass bei der 29. oHV der MM AG der ehemalige CEO der voestalpine, Wolfgang Eder, neu in den Aufsichtsrat gewählt worden ist und höchstwahrscheinlich als künftiger Vorsitzender des MM-Aufsichtsrates fungieren wird.
Aus dem Börse Express PDF vom 27.04.2023