Männer begehen dreimal häufiger Suizid als Frauen - trotzdem suchen sie seltener Hilfe bei psychischen Problemen. Das zeigt eine alarmierende Diskrepanz zwischen offiziellen Diagnosen und der traurigen Realität: Während Frauen öfter wegen Depressionen behandelt werden, bleiben die seelischen Leiden vieler Männer unentdeckt.

Warum schweigen Männer über ihre Probleme?

Traditionelle Rollenbilder sind der Hauptgrund. Das Ideal des "starken Mannes" verhindert oft, dass Betroffene über psychische Belastungen sprechen. Viele Männer werten seelische Probleme als persönliches Versagen - und verstecken sie.

Das Problem: Depression äußert sich bei Männern anders. Statt Traurigkeit zeigen sie eher Reizbarkeit, Aggressivität oder greifen zu Alkohol. Diese Warnsignale werden weder von Betroffenen noch von Ärzten als psychische Erkrankung erkannt.

Eine aktuelle forsa-Umfrage der hkk Krankenkasse bestätigt das: Drei Viertel der Männer fühlen sich psychisch gesund. Dennoch ist mehr als jeder dritte Mann (37 Prozent) durch Alltagsprobleme belastet.

Krankschreibungen erreichen Höchststand

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 35,5 Prozent aller Krankheitstage von Männern gehen inzwischen auf psychische Leiden zurück. Das zeigen Daten der KKH Krankenkasse aus dem ersten Halbjahr 2024 - ein neuer Höchststand.

Zum Vergleich: 2019, vor Corona, lag dieser Anteil noch bei 32,4 Prozent. Besonders dramatisch ist der Anstieg bei Fehlzeiten wegen depressiver Episoden.

Movember bringt Bewegung in das Thema

Die internationale Movember-Bewegung macht jedes Jahr im November auf Männergesundheit aufmerksam. Seit 2003 finanzierte sie weltweit über 1.250 Projekte zur psychischen Gesundheit und Suizidprävention.

Auch in Deutschland tut sich was: Aktionswochen wie die "Woche der Seelischen Gesundheit" schaffen Aufmerksamkeit. Neue Therapiekonzepte sprechen Männer gezielter an - mit einer anderen Sprache und dem Fokus auf konkrete Problemlösungen statt auf das Ausdrücken von Gefühlen.

Arbeitgeber sind gefragt

Experten fordern einen gesellschaftlichen Wandel. Die Orientierung an traditionellen Männlichkeitsnormen - stark sein, Probleme allein lösen, keine Gefühle zeigen - kann selbstschädigend wirken.

Besonders kritisch: Allein die Angst vor Stigmatisierung erhöht das Suizidrisiko. Arbeitgeber können helfen, indem sie ein offenes Klima schaffen und auf die psychische Gesundheit ihrer männlichen Mitarbeiter achten.

Was sich ändern muss

Die Bundesregierung reagiert: Im April 2024 veröffentlichte sie eine nationale Suizidpräventionsstrategie, die Männer als Hochrisikogruppe gezielt adressiert.

Das Ziel: Der Gang zum Psychotherapeuten soll für Männer genauso selbstverständlich werden wie der Besuch beim Hausarzt. Dafür braucht es Aufklärung ab dem Kindesalter - und eine Gesellschaft, die Verletzlichkeit nicht als Schwäche, sondern als menschliche Stärke begreift.