Machtspiel in Fernost: Japans Rechtsruck und die neue Weltordnung

Machtspiel in Fernost: Japans Rechtsruck und die neue Weltordnung
Guten Tag,
während Europa heute Morgen noch über die Folgen der EZB-Zinssitzung vom Donnerstag debattiert, vollzieht sich in Tokio gerade ein politisches Erdbeben mit globalen Konsequenzen. Sanae Takaichi, Japans frisch gewählte erste Premierministerin, steht nicht nur für einen historischen Durchbruch – sie verkörpert einen dramatischen Rechtsruck der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt. Was das für unsere vernetzte Weltwirtschaft bedeutet, zeigt sich bereits an den Finanzmärkten.
Die neue Eiserne Lady und ihr riskantes Spiel
Dass ausgerechnet eine Schlagzeugerin aus einer Heavy-Metal-Band Japans politische Geschicke lenken wird, mag kurios klingen. Doch Sanae Takaichi ist weit mehr als eine Kuriosität der Geschichte. Die 64-jährige Nationalistin, die sich selbst als Japans Margaret Thatcher inszeniert, hat gestern mit ihrer Wahl zur Regierungschefin nicht nur eine gläserne Decke durchbrochen – sie hat auch die Weichen für eine radikale Wirtschaftswende gestellt.
Der Nikkei-Index feierte ihre Wahl prompt mit einem Allzeithoch. Kein Wunder: Takaichis Versprechen einer Wiederbelebung der ultralockeren "Abenomics" lässt Anleger von billigem Geld und Konjunkturspritzen träumen. Doch Jeff Kingston von der Temple University in Tokio warnt: "Das Problem ist, dass Abenomics nicht mehr sehr glaubwürdig ist." Die Politik habe Japan eine massive Staatsverschuldung und verschärfte Einkommensungleichheiten beschert.
Tatsächlich wirkt Takaichis Wirtschaftsprogramm wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Während andere Industrienationen ihre Geldpolitik straffen, will sie die Notenpresse wieder anwerfen. Das könnte den Yen weiter schwächen – mit erheblichen Folgen für die globalen Währungsmärkte und Europas Exportwirtschaft.
KI-Revolution im Gesundheitswesen: Kanadas stiller Durchbruch
Während sich die Blicke nach Fernost richten, vollzieht sich im kanadischen Toronto eine Revolution, die unsere Gesundheitssysteme fundamental verändern könnte. HEALWELL AI hat gemeinsam mit dem Pharmariesen Takeda etwas geschafft, was viele für unmöglich hielten: Die künstliche Intelligenz generiert erstmals regulatorisch konforme Real-World-Daten für Medikamentenzulassungen.
Was abstrakt klingt, hat konkrete Auswirkungen auf Millionen Patienten weltweit. Die KI-Plattform DARWEN analysierte Behandlungsdaten von Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen und bewies, dass eine Dosiserhöhung des Medikaments Vedolizumab bessere Heilungschancen bietet. "Wir blicken in eine Zukunft, in welcher der Großteil der Real-World-Evidence durch neuartige KI-Systeme generiert wird", erklärt Dr. Christopher Pettengell von HEALWELL.
Für die europäische Pharmaindustrie ist das ein Weckruf. Während hierzulande noch über Datenschutz und KI-Regulierung debattiert wird, schaffen nordamerikanische Unternehmen Fakten. Die Folge: Medikamente könnten künftig schneller und präziser auf den Markt kommen – wenn die Daten aus KI-Systemen stammen statt aus jahrelangen klinischen Studien.
Das Personaldilemma: Wenn Fähigkeiten wichtiger werden als Abschlüsse
77 Prozent der deutschen Unternehmen wollen künftig stärker auf tatsächliche Fähigkeiten statt auf formale Abschlüsse achten. Das zeigt eine aktuelle Stepstone-Studie, die ein fundamentales Umdenken in den Personalabteilungen offenbart. Der Grund: 87 Prozent der Personalverantwortlichen finden schlicht keine Bewerber mit den benötigten Kompetenzen.
"Entscheidend ist nicht mehr, was jemand vor Jahren gelernt hat, sondern was er oder sie heute wirklich kann", bringt es Dr. Julius Probst von Stepstone auf den Punkt. Besonders die IT-Branche geht voran: 38 Prozent verzichten dort bereits bei bestimmten Positionen komplett auf formale Nachweise.
Dieser Paradigmenwechsel ist mehr als eine HR-Mode. Er spiegelt die rasante Transformation unserer Arbeitswelt wider, in der traditionelle Karrierewege obsolet werden. Die Konsequenzen sind weitreichend: Universitäten verlieren ihr Bildungsmonopol, Quereinsteiger bekommen neue Chancen, und die soziale Mobilität könnte steigen. Gleichzeitig warnt die Studie: 68 Prozent der Arbeitnehmer denken bereits über einen Jobwechsel nach – der Fachkräftemangel ist auch hausgemacht.
HEIDELBERG in Shanghai: Deutschlands versteckte China-Erfolgsgeschichte
Während die politische Debatte um China-Abhängigkeiten tobt, feiert ein deutsches Traditionsunternehmen still seinen größten Auslandserfolg. HEIDELBERG hat in Shanghai eine beeindruckende Bilanz vorzuweisen: 16.000 produzierte Druckwerke, 40 Prozent Exportquote, Lieferungen in 70 Länder. Der Standort, vor 20 Jahren mutig gegründet, ist heute eine tragende Säule des Konzerns.
"Made by HEIDELBERG ist ein globales Qualitätsversprechen", betont CEO Jürgen Otto nicht ohne Stolz. Tatsächlich zeigt das Unternehmen, wie deutsche Firmen in China erfolgreich sein können: mit Technologietransfer auf Augenhöhe, lokaler Wertschöpfung und globaler Vernetzung. Der Clou: Die in Shanghai gefertigten Maschinen stehen qualitativ denen aus Wiesloch in nichts nach.
Besonders pikant: Während andere deutsche Unternehmen ihre China-Strategie überdenken, baut HEIDELBERG aus. Ein neues Print Media Center nach Vorbild des deutschen Hauptsitzes wurde gerade eröffnet. Die Botschaft ist klar: Wer China als Produktionsstandort und nicht nur als Absatzmarkt versteht, kann auch in turbulenten Zeiten profitieren.
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Apropos internationale Produktionsstrategien – die geopolitische Verschiebung zwischen China, Japan und den USA betrifft zunehmend auch die Technologiebranche. Wer verstehen möchte, welche europäischen Unternehmen im „Chip-Krieg“ zwischen Washington und Peking zu den potenziellen Gewinnern zählen könnten, findet eine tiefgehende Analyse im aktuellen Spezialreport „Die neue Nvidia – Europas Antwort auf den Chip-Boom“.
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Die verkannte Insolvenzwelle
Die Warnung von Allianz Trade sollte niemanden kalt lassen: Die weltweiten Unternehmensinsolvenzen werden auch 2026 weiter steigen – um satte 5 Prozent. Besonders brisant: Die Auswirkungen der US-Zölle schlagen erst nächstes Jahr voll durch. "In der ersten Hälfte 2025 sind Insolvenzen in den USA um 4 Prozentpunkte gesunken", erklärt Maxime Lemerle von Allianz Trade. Doch das ist nur die Ruhe vor dem Sturm.
Für Deutschland zeichnet sich ein differenziertes Bild ab. Nach einem brutalen Anstieg von 11 Prozent in diesem Jahr könnte sich die Lage 2026 stabilisieren. "Das Sturmtief dürfte sich langsam abschwächen", prognostiziert Milo Bogaerts, Deutschland-Chef von Allianz Trade. Aber Entwarnung sieht anders aus: Mit 24.500 erwarteten Fällen erreichen die Insolvenzen den höchsten Stand seit zwölf Jahren.
Der eigentliche Sprengstoff liegt in den Details: KI-Startups könnten eine Pleitewelle wie während der Dotcom-Blase auslösen – mit bis zu 4.000 zusätzlichen Insolvenzen allein in Deutschland. Die Gründungswelle der vergangenen Jahre rächt sich nun. Junge Unternehmen haben in den ersten fünf Jahren ein überproportionales Insolvenzrisiko. Die Kombination aus steigenden Zinsen, schwacher Nachfrage und intensivem Wettbewerb wird für viele zur tödlichen Falle.
Am Mittwoch entscheidet die EZB über den weiteren Zinskurs, während in Frankfurt sowohl die Deutsche Bank als auch BASF ihre Quartalszahlen vorlegen werden. Diese Termine dürften wegweisend für die Einschätzung der deutschen Wirtschaftslage werden. Parallel dazu empfängt Israel den designierten US-Vizepräsidenten Vance – ein Besuch, der angesichts der fragilen Waffenruhe in Gaza höchste diplomatische Brisanz hat.
Was wir heute aus Tokio, Toronto und Shanghai lernen: Die Weltwirtschaft sortiert sich neu, und dabei entstehen unerwartete Gewinner und Verlierer. Japans Rechtsruck könnte die globale Geldpolitik durcheinanderwirbeln, während KI heimlich die Spielregeln ganzer Industrien umschreibt. Für europäische Unternehmen bedeutet das: Wer nicht aktiv gestaltet, wird gestaltet werden.
Mit nachdenklichen Grüßen in eine wendungsreiche Woche
Eduard Altmann