Rechtliche Anforderungen an eine krankheitsbedingte Kündigung

Wie Annika Grimme, Anwältin in Erding, erklärt, gehört eine krankheitsbedingte Kündigung zu den personenbedingten Kündigungen, die aufgrund von persönlichen Umständen des Arbeitnehmers ausgesprochen werden können. Gemäß § 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie auf personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen basiert. Die krankheitsbedingte Kündigung tritt dabei am häufigsten auf. Sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer dauerhaften Leistungsminderung oder Arbeitsunfähigkeit seine vertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen kann.

Für eine krankheitsbedingte Kündigung müssen strenge Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Negative Gesundheitsprognose: Es muss wahrscheinlich sein, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft nicht in der Lage sein wird, seine Arbeitsleistung zu erbringen.
  • Gefährdung betrieblicher Interessen: Die wirtschaftlichen oder betrieblichen Interessen des Unternehmens müssen durch die Erkrankung des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigt sein.
  • Interessensabwägung: Eine Abwägung der Interessen beider Parteien muss zugunsten des Arbeitgebers ausfallen.
  • Verhältnismäßigkeit: Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist nicht möglich und die Kündigung stellt das letzte Mittel dar.

Die vier Fallgruppen bei krankheitsbedingten Kündigungen

Eine personenbedingte Kündigung aus Krankheitsgründen kann in verschiedenen Szenarien rechtmäßig sein. Diese Szenarien lassen sich in vier Fallgruppen einteilen, die sich durch ihre jeweiligen Voraussetzungen und Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis unterscheiden.

  • Regelmäßige Kurzzeiterkrankungen können eine Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch eine negative Gesundheitsprognose entsteht. Diese Prognose ist zulässig, wenn in der Zukunft weitere Fehlzeiten wahrscheinlich sind, beispielsweise bei chronischen Leiden oder allgemeiner Krankheitsanfälligkeit. Es gibt keine gesetzliche Grenze an Krankheitstagen für eine Kündigung; oft wird eine negative Prognose angenommen, wenn der Arbeitnehmer in 24 Monaten mehr als sechs Wochen pro Jahr arbeitsunfähig ist. Wirtschaftliche Beeinträchtigungen für den Arbeitgeber ergeben sich durch die fortlaufende Entgeltfortzahlung nach § 3 EntgFG.
  • Bei Langzeiterkrankungen, wie schwerwiegenden körperlichen oder psychischen Erkrankungen, sind die betrieblichen Interessen stark beeinträchtigt. Eine Kündigung ist möglich, wenn der Arbeitnehmer voraussichtlich innerhalb der nächsten 24 Monate nicht wieder arbeitsfähig sein wird. Hierfür ist häufig ein ärztliches Gutachten erforderlich. Die Entgeltfortzahlung gilt nur für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit; die Hauptbeeinträchtigung betrifft die betrieblichen Abläufe und die Organisation.
  • Eine dauerhafte Leistungsminderung aufgrund einer Krankheit kann ebenfalls zu einer negativen Gesundheitsprognose führen, wenn die Arbeitsleistung um mindestens ein Drittel verringert ist. Eine Kündigung ist zulässig, wenn keine Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer an einem leidensgerechteren Arbeitsplatz oder mit reduzierter Arbeitszeit zu beschäftigen.
  • Ist der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig, ist eine negative Gesundheitsprognose eindeutig und die betrieblichen Interessen sind erheblich beeinträchtigt. Eine Kündigung ist gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer nicht an einem leidensgerechten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. In solchen Fällen ist die Kündigung unvermeidbar.

Kriterien einer rechtmäßigen krankheitsbedingten Kündigung

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist an strenge rechtliche Voraussetzungen gebunden. Diese umfassen eine negative Gesundheitsprognose, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen, eine sorgfältige Interessensabwägung sowie das Durchführen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM).

  • Ein wesentliches Kriterium für die Zulässigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung ist die negative Gesundheitsprognose. Der Arbeitgeber muss eine objektive Beurteilung darüber vornehmen, ob und wann der Arbeitnehmer voraussichtlich wieder voll einsatzfähig sein wird. Dies erfolgt auf Basis der Analyse vergangener Ausfallzeiten. Wenn abzusehen ist, dass auch in Zukunft erhebliche Fehlzeiten auftreten werden, liegt eine negative Gesundheitsprognose vor. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast hierfür und kann beispielsweise ein ärztliches Gutachten einholen, was jedoch der Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf.
  •       Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu erheblichen betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen führt. Dies kann durch erhebliche finanzielle Verluste oder Störungen im Betriebsablauf bedingt sein. Faktoren wie die Größe des Unternehmens, die Position des Mitarbeiters, die Häufigkeit und Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie die entstehenden Kosten spielen hierbei eine Rolle.
  •       Der Arbeitgeber muss eine Interessensabwägung vornehmen, bei der sein Interesse an der Kündigung größer sein muss als das des Arbeitnehmers an einer Weiterbeschäftigung. Dabei gelten strenge Maßstäbe, da erkrankte Arbeitnehmer einen hohen Schutz genießen. Kriterien wie die Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Alter des Arbeitnehmers, seine Chancen am Arbeitsmarkt, seine Unterhaltspflichten sowie die durch Fehlzeiten verursachten Kosten und die Krankheitsursache werden in dieser Abwägung berücksichtigt.
  •       Vor einer krankheitsbedingten Kündigung ist der Arbeitgeber gemäß § 167 SGB IX verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Ziel ist es, Maßnahmen zu ermitteln, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ermöglichen. Dies sollte erfolgen, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig ist. Der Arbeitgeber muss zumutbare Leistungen und Hilfen anbieten, um die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und weiteren Arbeitsausfällen vorzubeugen. Eine Kündigung ohne bEM ist nicht zwingend unwirksam, jedoch muss der Arbeitgeber in diesem Fall nachweisen, warum ein bEM zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte. Da dies in der Praxis oft schwierig ist, ist ein korrekt durchgeführtes bEM in den meisten Fällen unerlässlich.

Formale Fehler: Die Unwirksamkeit krankheitsbedingter Kündigungen

Eine krankheitsbedingte Kündigung kann trotz sozialer Rechtfertigung unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber die formalen Anforderungen nicht erfüllt. Zu den möglichen Gründen für die Unwirksamkeit zählen Fehler bezüglich der Form, der Kündigungsfrist, der Betriebsratsanhörung und des Sonderkündigungsschutzes. Gemäß § 623 BGB muss eine Kündigung schriftlich erfolgen, eine mündliche oder elektronische Kündigung ist rechtlich unwirksam.

Die Kündigungsfrist bei krankheitsbedingter Kündigung muss den vertraglichen oder tariflichen Vereinbarungen entsprechen, sonst ist die Kündigung möglicherweise ungültig. Vor einer Kündigung ist gemäß § 102 BetrVG eine Anhörung des Betriebsrats erforderlich. Andernfalls kann die Kündigung unwirksam sein. Bei Vorliegen von Sonderkündigungsschutz müssen die entsprechenden Voraussetzungen beachtet werden, wie etwa bei Schwerbehinderung, wo die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich ist, ansonsten ist die Kündigung unwirksam.