KI-Transparenz: EU startet große Bürgerbefragung

Die Europäische Kommission hat eine öffentliche Konsultation zur Zukunft der Künstlichen Intelligenz gestartet. Bis zum 2. Oktober können Bürger, Unternehmen und Experten mitbestimmen, wie Menschen künftig erkennen sollen, wann sie mit KI-Systemen interagieren.
Im Mittelpunkt steht die praktische Umsetzung des weltweit ersten umfassenden KI-Gesetzes. Chatbots, Emotionserkennung und Deepfakes – all diese Technologien sollen für Nutzer künftig klar erkennbar werden. Die Befragung läuft parallel zur Entwicklung eines Praxisleitfadens, der Unternehmen bei der Umsetzung der neuen Transparenzregeln helfen soll.
Was das KI-Gesetz von Bürgern fordert
Artikel 50 des EU-KI-Gesetzes verpflichtet Anbieter zu klarer Kennzeichnung. Vier Bereiche stehen im Fokus: Erstens müssen Nutzer informiert werden, wenn sie mit KI-Systemen wie Kundenservice-Chatbots kommunizieren – außer es ist bereits offensichtlich.
Zweitens sind Betreiber von Emotionserkennungs- oder biometrischen Kategorisierungssystemen verpflichtet, Betroffene darüber zu informieren. Drittens will die Kommission technische Standards für die Kennzeichnung KI-generierter Inhalte entwickeln. Digitale Wasserzeichen, Metadaten-Tags und kryptografische Herkunftsnachweise sollen manipulierte Inhalte erkennbar machen.
Besonders strenge Regeln gelten für Deepfakes und KI-generierte Texte zu Themen von öffentlichem Interesse. Diese müssen als künstlich erstellt gekennzeichnet werden – mit Ausnahmen nur für künstlerische Werke oder Strafverfolgung.
Große Koalition für KI-Regeln gesucht
Die Kommission lädt bewusst einen breiten Kreis zur Mitarbeit ein. Anbieter und Nutzer von interaktiven und generativen KI-Systemen sind ebenso gefragt wie Vertreter aus Privatwirtschaft, öffentlichem Sektor, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Auch Aufsichtsbehörden und Einzelbürger können bis zum Stichtag ihre Sichtweise einbringen.
Parallel dazu sucht das neue Europäische KI-Büro Experten für die direkte Mitarbeit am Praxisleitfaden. Ausgewählte Teilnehmer werden in Arbeitsgruppen den freiwilligen Rahmen zur Umsetzung der Transparenzregeln entwickeln. Die erste große Sitzung ist für November geplant.
Kann ein so breiter Ansatz tatsächlich praktikable Lösungen hervorbringen? Die Kommission setzt darauf, dass nur durch diese Vielfalt Regeln entstehen, die sowohl den schnellen technologischen Wandel als auch die Bedürfnisse der Nutzer berücksichtigen.
Zeitplan: Zwei Jahre bis zur Durchsetzung
Das KI-Gesetz trat bereits am 1. August 2024 in Kraft, wird aber schrittweise umgesetzt. Die Verpflichtungen für große KI-Modelle gelten seit August 2025. Die spezifischen Transparenzregeln aus Artikel 50 werden ab dem 2. August 2026 rechtlich bindend und durchsetzbar.
Unternehmen haben somit zwei Jahre Vorbereitungszeit. Der Praxisleitfaden soll bis Juni 2026 fertig sein – rechtzeitig, damit sich die Industrie vor dem Stichtag anpassen kann. Diese gestaffelte Einführung zeigt die EU-Strategie eines vorhersehbaren Regulierungsumfelds für KI-Technologien.
Vertrauen durch Transparenz schaffen
Die Transparenz-Initiative ist ein Eckpfeiler der EU-Strategie für vertrauenswürdige, menschenzentrierte KI. Wer menschliche von synthetischen Inhalten unterscheiden kann, soll vor Täuschung, Manipulation und Desinformation geschützt werden. Klare Kennzeichnung und Offenlegung sollen das öffentliche Vertrauen in KI-Technologien stärken – entscheidend für deren gesellschaftliche Akzeptanz.
Parallel laufen weitere Konsultationen zu anderen Teilen des KI-Gesetzes, etwa zur Klassifizierung von Hochrisiko-KI-Systemen. Gemeinsam bilden diese Prozesse das komplexe Fundament für die Umsetzung des umfassenden Regelwerks. Der Erfolg wird darüber entscheiden, ob Europa seine Rolle als globaler Vorreiter bei der KI-Regulierung festigen kann.
Nächste Schritte: Von der Konsultation zur Praxis
Nach dem Konsultationsende am 2. Oktober analysiert die Kommission gemeinsam mit dem KI-Büro die Rückmeldungen. Zusammen mit ausgewählten Expertengruppen entsteht dann der finale Praxisleitfaden – ein freiwilliger Rahmen zur branchenweiten Umsetzung der Regeln.
Die erste Plenarsitzung der Arbeitsgruppe startet im November 2025, der Entwurfsprozess läuft bis Mitte 2026. Für Unternehmen in der EU und am europäischen Markt wird es entscheidend, diese Entwicklungen genau zu verfolgen. Die finalen Leitlinien werden das Regelwerk für transparenten KI-Betrieb in einem der bedeutendsten Digitalmärkte der Welt – und setzen möglicherweise globale Standards für KI-Verantwortlichkeit.