BÖRSE EXPRESS: In der Studie von Schelhammer & Schattera „Der Klimawandel im Portfolio” – siehe hier - wird eine Dekarbonisierung des Portfolios und Minimierung des Co2-Fußabdrucks empfohlen. Jetzt kann ich mir schon vorstellen, dass ich beides im Prinzip umsetze, wenn ich z.B. Verbund gegen OMV im Portfolio tausche. So offensichtlich ist’s aber nur in den seltensten Fällen. Wie kann ich da als Anleger in der Praxis vorgehen.

KARSTEN VOLKER: Ich persönlich würde mir erstmal anschauen, welche Industrien die größten Co2-Verursacher sind und als Folge mein Portfolio durchleuchten. Wenn ich z.B. stark im Energiebereich und Transportbereich investiert bin, kann ich hier schon ansetzen. In einem zweiten Schritt empfehlen wir die Unternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen. Transportunternehmen, die zum Beispiel hauptsächlich auf der Schiene transportieren, sind ja generell begrüßenswert, weisen aber hohe Co2 Emissionen auf. Es gibt aber auch hier Unternehmen, die eine aktive Umweltstrategie fahren und Maßnahmen setzen, den Energieverbrauch zu senken. Es ist also ein differenzierter Ansatz notwendig.

 

BÖRSE EXPRESS: Das klingt nach viel an Arbeit – unterm Strich empfehlen Sie dabei wohl den Umweg über entsprechende Fonds zu gehen…

KATJA BALBIER-KLUG: Das ist eine sehr gute Möglichkeit ein Co2 neutrales bzw. Co2-reduziertes Portfolio abzubilden.

Dazu bieten wir gerne unsere Fonds der Superior Fonds Palette an. Hier kann man je nach Risikoausprägung in unterschiedliche Assetklassen investieren und sicher sein, einen reduzierten Co2-Fußabdruck zu hinterlassen, da fossile Brennstoffe und Fracking ausgeschlossen sind.

 

BÖRSE EXPRESS: In dem Report fällt auch das Stichwort stranded costs, das österreichische Aktionäre etwa noch aus der Strommarktliberalisierung kennen, mit zum Beispiel dem Verbund als ‚Opfer‘. Heißt aber auch, dass was heute schlecht, morgen auch wieder gut sein kann – oder umgekehrt. Was sind für Sie aus heutiger Sicht logische Beispiele für künftige stranded investments, die heute noch nicht entsprechend auf dem Radar sind.

KATJA BALBIER-KLUG: Stranded Assets sind das Ergebnis politischer, gesellschaftlicher oder technologischer Änderungen. Hat man in den 60iger Jahren gefragt wie wir heute im Jahr 2019 leben, haben sich die Menschen etwas ganz anderes vorgestellt. Wo die Reise nun endgültig hingeht können wir nicht sagen. Allerdings sehen wir einige Veränderungen im Bereich der Mobilität, aber auch die Energieerzeugung selbst könnte revolutioniert werden und teilweise gewisse Materialien wie herkömmliches Plastik könnten durch Innovationen abgelöst werden. Auch im Bereich der Digitalisierung werden einige Bereiche über sämtliche Branchen hinweg Umwälzungen erfahren. Stranded Assets bedeuten auf der einen Seite, dass einige der bestehenden Bereiche auslaufen oder abgelöst werden, dass aber auf der anderen Seite neue Bereiche und Aufgaben hinzukommen. Dies ist besonders gut in der Autoindustrie zu sehen.

In unserem Superior 6 Global Challenges Fonds werden genau diese Themen adressiert. Der Fonds beschäftigt sich mit den sieben globalen Herausforderungen und enthält Unternehmen die einen Teil zur Lösung beitragen.

 

BÖRSE EXPRESS: Und gibt es auch eine Branche, die derzeit zu Unrecht ‚am Pranger steht‘?

KATJA BALBIER-KLUG: Zurzeit findet ein großes Umdenken statt, wir sehen das sowohl auf Unternehmensebene, als auch im politischen und im privaten Bereich. Durch den gelebten Best in Class-Ansatz investieren viele nachhaltige Fonds auch in Unternehmen die nicht in nachhaltigen Bereichen tätig sind: beispielsweise Chemieunternehmen.

 

BÖRSE EXPRESS: Bleiben wir bei logischen Gewinnern: Laut einer Studie der Economist Intelligence Unit sind Investitionen von schätzungsweise einer Billion US-Dollar pro Jahr erforderlich – und dies über Jahrzehnte -, um den Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft zu schaffen. Welche Branchen bzw. Unternehmen werden sich davon einen großen Teil des Kuchens holen?

KATJA BALBIER-KLUG: Das ist eine sehr interessante Frage. Unternehmen aus allen Wirtschaftszweigen können profitieren, wenn sie in der Lage sind innovativ zu denken und Produkte entwickeln, die einen Beitrag leisten. Genau darauf konzentriert sich der Global Challenges-Index - jene Unternehmen zu identifizieren, denen sich aus dem globalem Wandel Chancen für die zukünftige Geschäftsentwicklung erschließen.

 

BÖRSE EXPRESS: Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien – in diesem Fall war es ein ESG-Screening - wirkt sich positiv auf die Portfolioperformance aus, heißt es in der Amundi-Studie „The Alpha and Beta of ESG Investing. Ich nehme an, Sie stimmen dem zu … ich möchte aber auf etwas anderes hinaus: Warum, wenn es so ist, wurden diese Kriterien in den klassischen Portfolioaufstellungen nicht berücksichtigt? Hat da die Marktanalyse bisher versagt? Weil es den Begriff ESG nicht gab und die Besten eigentlich zufällig ‚nachhaltig‘ angelegt haben? Oder einfach, weil nicht nachhaltiges Wirtschaften bisher weder finanziell noch reputationsseitig wirklich zu spüren war?

KARSTEN VOLKER: Es ging ja lange Zeit das Gerücht um, dass nachhaltiges Investieren bzw. die Berücksichtigung von ESG-Kriterien zu einer geringeren Rendite führt. Heute ist den meisten Investoren klar, dass dem nicht so ist. Vergleicht man die gängigen Benchmark-Indizes mit ihren mittlerweile verfügbaren ESG-Screened Pendants, stellt man fest, dass viele langfristig ein bisschen besser abgeschnitten haben. Wir gehen davon aus, dass sich dieser „Vorsprung“ in Zukunft weiter ausbauen wird. Wie schon erwähnt, werden erhebliche Summen in Unternehmen fließen, welche Lösungen für die uns bevorstehenden Herausforderungen anbieten werden. Aber auch die moralische Komponente ist nicht zu unterschätzen, immer mehr Investoren möchten einfach nicht mehr in gewisse Branchen und Unternehmen investieren, die nicht Ihren eigenen Wertvorstellungen entsprechend agieren. All dies begünstigt Investments, die unter dem Oberbegriff „Sustainable Investing“ zusammengefasst werden können.

 

BÖRSE EXPRESS: Warum verließen Sie als Schelhammer & Schattera zuletzt das Forum Nachhaltige Geldanlagen?

KARSTEN VOLKER: Wir sind immer noch Mitglied im Forum Nachhaltige Geldanlage, allerdings haben wir das FNG Siegel nicht verlängert, es trug auch nur einer unserer Fonds. Die Zertifizierung und Funktionsweise zu verstehen war für uns sehr spannend und wir stehen dem Siegel immer noch sehr positiv gegenüber. Der Hauptgrund für die Entscheidung war, dass unsere Superior Fonds schon das Österreichische Umweltzeichen tragen, welches mittlerweile im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt ist. Es ist auch im Sinne der Investoren, wenn man sich auf ein Siegel konzentriert.

 

BÖRSE EXPRESS: Apropos Gütesiegel etc. - davon gibt es im Nachhaltigkeitsbereich sehr viele. An welchen sollte sich Ihrer Meinung ein Anleger orientieren?

KARSTEN VOLKER: Es gibt tatsächlich europaweit eine gewisse Anzahl an Gütesiegeln und alle legen etwas unterschiedliche Schwerpunkte. In Österreich sind die bekanntesten sicher das FNG Siegel und das Österreichische Umweltzeichen. Sind Fonds oder andere Finanzprodukte damit ausgezeichnet, kann der Investor sicher sein, hier ein nachhaltiges Investment zu tätigen. Beide Siegel sind in ihrer prüfweise ähnlich und haben einen hohen Qualitätsanspruch.

 

BÖRSE EXPRESS: Zum Schluss noch eins: Wie wahrscheinlich halten Sie ein Szenario, dass das Thema Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren trotz allem von der Bühne verschwindet, da Gelder lieber in kurzfristige Gewinne bzw. Wähler-Stimmen bringende Projekte fließen, als in solche, die eher längerfristig etwas bringen, dafür nachhaltig – frei nach: Presence first? Befinde ich mich mit einem ESG-Portfolio dann auf der Verliererseite?

KARSTEN VOLKER: Diese Wahrscheinlichkeit sehen wir als äußerst gering an. Projekte zum Beispiel im Energiebereich werden auf viele Jahre, manchmal Jahrzehnte geplant. ESG bzw. nachhaltiges Investieren wird teilweise noch mit ausschließlichem Investieren in Wind- oder Solarkraftwerken missverstanden, dem ist nicht so. Beim ESG-Screening werden generell Unternehmen nach bestimmten Kriterien durchleuchtet und nur die besten ausgewählt. Dabei werden z.B. Arbeits- und Umweltstandards, die Energieeffizienz oder die Qualität der Unternehmensführung bewertet. In Kombination mit der klassischen Finanzanalyse, wählen wir so Unternehmen aus, die am besten für die kommenden Herausforderungen gerüstet sind - längerfristig also eine win-win Situation generieren. Die Integration von ESG Kriterien in die klassische Finanzanalyse ist nicht aufzuhalten.