Die Party ist vorläufig abgesagt. Eigentümer und Milliardär
Johann Graf hat genug damit zu tun, seinen Tanker aus den
Untiefen der Jusitzermittlungen gegen seine Firma
herauszusteuern und ihn wieder auf Kurs zu bringen, um das Ruder
an die nächste Generation übergeben zu können.
Die kommenden Monate werden darüber entscheiden, ob die
Erfolge der Vergangenheit mit regelmäßig mehr als 500 Millionen
Euro an operativem Jahresgewinn weitergeschrieben werden können.
Österreich soll dabei keine Rolle mehr spielen, vielmehr rückt
das geplante Wachstum in den Amerikas, Asien und Afrika in den
Fokus.

“Die Novomatic ist nicht nur im delikaten Glücksspielsektor
tätig, sondern auch mit einer ganzen Reihe von unternehmerischen
Herausforderungen konfrontiert, die so nicht vorhersehbar
waren”, sagt Alois Wögerbauer, der CEO der 3-Banken-Generali
Investment der auch in Novomatic-Unternehmsanleihen investiert
hat. “In Anbetracht des schwächeren Umsatzausblicks und der
ganzen juristischen Themen wird es entscheidend sein, welche
Richtung Johann Graf in den nächsten Monaten einschlagen wird.”
Die Geschichte des 73-jährigen “Professor” Graf ist die
österreichische Version des Tellerwäschers, der es zum
Milliardär geschafft hat. Dieser Artikel beruht auf
Gerichtsakten und Gesprächen mit mehr als 25 Geschäftspartnern,
Investoren, Anwälten, Bankern und früheren Angestellten und
Weggefährten, die darum gebeten haben, nicht namentlich genannt
zu werden.


Graf ist aufgewachsen im Nachkriegs-Wien in einer kleinen
Wohnung mit WC am Gang. Er schlug den Wunsch der Eltern aus, den
elterlichen Fleischhauer-Betrieb zu übernehmen und tingelte
stattdessen durch das ländliche Niederösterreich,um in
Schwimmbädern importierte Flipper aufzustellen. Später fing er
an, die Spielautomaten selbst zu produzieren.
Rund 30 Jahre später erfuhr er bei einem Schnitzel im
Jugendstil-Ambiente seiner Wiener Dependance von Bankern, die an
einem Börsengang der Novomatic arbeiteten, dass er inzwischen
fast 5 Milliarden Euro schwer sei. Graf zückte einen Stift,
schrieb die Zahl auf eine Serviette und steckte sie ein.
Bloomberg News schätzt das Vermögen des Zigarrenliebhabers
Graf auf derzeit 5,7 Milliarden Euro, nur knapp 3 Prozent
weniger als zu Jahresbeginn.


Während sich das Unternehmen zuversichtlich zeigt, dass
Neueröffnungen, die globale Präsenz und die technologischen
Innovationen die Umsätze wieder nach oben treiben, stellt der
erwartete Gewinneinbruch für heuer eine Rarität dar, die in den
letzten Jahren nur einmal eintrat -- wegen einer Millionen-
Abschreibung im Jahr 2018.
Die Umsätze könnten aufgrund der Corona-Sperren um 20
Prozent einbrechen, der operative Gewinn um bis zu 40 Prozent
nach knapp 700 Millionen im Vorjahr, wie die internationale
Kreditrating-Agentur S&P schätzt.


Das Unternehmen muss in den nächsten 12 Monaten außerdem
Schulden in Höhe von 450 Millionen tilgen, bevor dann im Jahr
2023 eine Anleihe von 500 Millionen Euro fällig wird.
Einige Investoren haben Novomatic-Bonds abgestoßen, so dass
die 2023er Anleihe seit Jahresbeginn von 102 Euro auf 93 Euro
gefallen ist. Die implizierten 4,5% Rendite zeigen, dass Anleger
eine erhöhte Risikoabgeltung erwarten.

Novomatic plant, die Verbindlichkeiten aus dem Cashflow und aus
dem Verkauf von Vermögenswerten zu begleichen, wie das
Unternehmen Bloomberg News in einer Stellungnahme mitteilte. Der
Anteil an den Casinos Austria wurde bereits an die tschechische
Sazka-Gruppe verkauft, und für das historische Novomatic Forum
im Herzen Wiens soll es Interessenten geben. Nächstes Jahr
könnte auch wieder eine Kapitalmarkttransaktion angedacht
warden, sagt Novomatic.

Für S&P-Analyst Patrick Janssen ist klar, dass das Unternehmen
Schulden senken muss, um keine weitere Verschlechterung im
Rating zu riskieren, auch wenn es derzeit über ausreichend
Cashreserven und Zugriff auf Kreditlinien in der Höhe von
insgesamt fast 1,2 Milliarden Euro habe. Das Ratingunternehmen
senkte Novomatics Bonitaeteinschaetzung letztes Jahr um eine
Stufe und bezeichnet die Anleihen nun als “spekulativ.”
Grafs Probleme mit der Justiz helfen dabei nicht. Die
Frage, ob Anklage gegen das Unternehmen, ihren Eigentümer oder
führende Mitarbeiter wegen versuchter Bestechung erhoben wird,
ist auch kommerziell relevant. Die Untersuchungen dauern schon
ein Jahr, ein Ende ist nicht absehbar.


Janssen sagt, S&Ps derzeit “negativer” Ausblick für
Novomatics Kreditwürdigkeit reflektiere auch “das Risiko, dass
die österreichischen Behörden Anklage erheben oder andere
juristische Schritte ergreifen könnten.”


Novomatic und Graf weisen die Vorwürfe als haltlos zurück,
sagen dass sie vollumfänglich mit den Behörden kooperieren, und
erwarten, dass “das Ermittlungsverfahren nach Aufklärung aller
Sachverhalte zur Gänze eingestellt werden wird.”


Entscheidungen über die Neuausrichtung seines Unternehmens
hat Graf derweil schon getroffen: Es wird keinen Nachfolger für
den abgetretenen CEO Harald Neumann geben, der gerne im Porsche
Cayenne oder Lamborghini Urus direkt vor dem Café Landtmann
vorfuhr. Der Vorstand wird von den beiden langgedienten Managern
Ryszard Presch und Johannes Gratzl geführt.


In Europa wird sich Novomatic auf Kernmärkte wie
Deutschland, Italien oder Großbritannien fokussieren. In den USA
plant man, von der Liberalisierung in einigen Bundesstaaten zu
profitieren, in dem man Slotmaschinen auch außerhalb von Casinos
aufstellt.

Neben Bars und Inns ist auch geplant, Glücksspielangebote zum
Beispiel an Tankstellen zu schaffen, und in Asien und Afrika
gibt es riesiges Potenzial zu wachsen, selbst wenn Glücksspiel
von Politik und Investoren zunehmend kritisch gesehen wird und
auch Angebote immer wieder eingestellt werden müssen. Laut S&P
könnte das auch ein Vorteil für das Unternehmen sein, da
Novomatic sich in den letzten Jahren ohnehin schon durchwegs auf
regulierte Märkte konzentriert und versucht, mit einem
“konservativen” Compliance-Zugang neue Spiele und Sportwetten-
Umsätze zu generieren.

Der globale Erfolg des Konzerns beruht ohnehin auf der
Überzeugung Grafs, dass technologische Innovation Umsatz
generiert. Novomatic beschäftigt hunderte Programmierer, die
neben neuen Spielen auch dafür sorgen, dass Besucher per
Fingerabdruck Casinos betreten und ihren Kontostand auch per
Fingerabdruck zum nächsten Spiel mitnehmen können.

Auch online sind unter der Führung von Thomas Graf, dem Sohn des
Gründers, neue Angebote geplant. Ob der heute 54-jährige Graf
einst Erbe und auch CEO wird, bleibt offen. Graf senior lässt
sich noch nicht in die Karten blicken.

Wie notwendig eine Erweiterung Richtung online ist, zeigen auch
die Besucherzahlen in den großen Admiral Sportbars in Wien. Im
Prater, wo sich zu Hochzeiten jeden Tag hunderte Besucher
gedrängt haben, sind manchmal mehr Mitarbeiter als Kunden
anwesend, die bei einem Kaffee oder zwei schon mal stundenlang
das Pferdewettprogramm aus Paris studieren. Mit mageren
Umsätzen.

Österreich ist für Novomatic kein Kernmarkt mehr und bleibt wohl
hauptsächlich das Zentrum für die Produktion der
Glücksspielautomaten, die aufgrund ihrer ausgereiften Technik in
allen großen Casino-Metropolen der Welt von Las Vegas bis Macau
zu finden sind.


Eine Abspaltung oder ein Verkauf einer der beiden
Geschäftszweige kommt für das Unternehmen nicht in Betracht, da
“die duale Strategie” als Produzent und Betreiber von
Glückspielangeboten weiterhin “im Zentrum der
Unternehmenstaetigkeit” steht.


Das Unternehmen bleibt also ein wichtiger Arbeitgeber für
rund 3.000 Angestellte in der Region um Wien. Das Unternehmen
wollte keine Auskunft darüber geben, ob die aktuellen Rückgänge
auch zu einem Abbau bei den rund 30.000 Arbeitsplätzen führen
werden.


Der Aufstieg des Johann Graf manifestierte sich nicht nur
in seiner Bombardier Challenger 300, mit der er durch die Welt
jettete, um den jeweils grössten Stand bei den großen
Glücksspiel-Messen in London und Las Vegas zu eröffnen. Wenn
notwendig, lies Graf auch Sacherwürstel nach London fliegen, um
bei seinem Stand ordentliche Verpflegung sicherzustellen. Graf
hatte stets Sacher-Torten und Mozartkugeln im Gepäck, um bei
Geschäftspartnern Eindruck zu machen.

Am Höhepunkt seines Einflusses war das Novomatic Forum in der
Wiener Innenstadt ein Ort der bürgerlichen Hochkultur, mit
Dichterlesungen und Galaevents im dunklen Anzug und im
Abendkleid. Der ewige Erzfeind, die Casinos Austria, hatte sein
Palais am Ring aufgegeben und war in einen schmucklosen Glasbau
weiter draußen gezogen. Das Casino Wien erinnert heute weniger
an einen James Bond-Film sondern mehr an eine normale Spielhalle
mit dutzenden blinkenden Automaten gleich nach dem Eingang.
Graf empfing inzwischen die Spitzen der Republik in seinem
aufwendig renovierten Forum, wo sich Politiker wie der
Finanzminister oder der Präsident des Nationalrats die Klinke in
Hand gaben. Das Haus ist inzwischen zugesperrt und wirkt
verwaist.


Graf lebt persönlich zurückgezogen und trifft sich
allenfalls noch einmal im Jahr mit alten Fleischhauerfreunden.
Selbst im Unternehmen wird er oft nur wahrgenommen, wenn sein
schwarzer Mercedes-Maybach in der Früh auf das Firmengelände
rollt. Zu den Korruptionsanschuldigungen hat er sich nie
öffentlich zu Wort gemeldet. Nur eine Aussage aus einem
Polizeiprotokoll, das nach einer Hausdurchsuchung im August des
Vorjahres erstellt und von Medien zitiert wurde, erlaubt
Einblicke:

Graf mache nur “fünf Prozent seines Umsatzes in Österreich,
zahle aber 100 Prozent der Steuern und habe aber 80 Prozent der
Scheisse hier. Es wäre wohl der Neid, der manche motiviere,”
vermerkte das Protokoll.