BÖRSE EXPRESS: Der DJE – Zins & Dividende ist 2018 und 2019 mit dem Deutschen und Österreichischen Fondspreis ausgezeichnet worden. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?

JAN EHRHARDT: Mit dem DJE – Zins & Dividende investieren unsere Anleger in einen Fonds, der zu mindestens 50 Prozent in Anleihen und zu maximal 50 Prozent in Aktien anlegen darf. Sie erwarten zu Recht eine stetige, mö̈glichst schwankungsarme Wertentwicklung. Wenn es zu einer Situation wie 2018 kommt, dann sollten die Ausschläge nach unten nicht zu stark sein. Genau das hat der Fonds im vergangenen Jahr unter Beweis stellen können. Der Kurs-DAX ist 2018 um –20 Prozent gefallen, andere Märkte in Europa oder in Asien zum Teil sogar tiefer, während der Fonds – je nach Tranche in etwa vier Prozent verloren hat. In der Aufwärtsphase von 2012 bis 2017 gab es dagegen eine gute Wertentwicklung. Ich glaube, dass diese Kombination für die Kunden wichtig ist und daher auch mit dem Fondspreis honoriert wurde.

 

Im Portfolio gibt es meist nur sehr allmähliche Anpassungen, kaum abrupte Steigerungen etwa der Aktienquote oder von Portfoliopositionen. Kann das auch mit zu dem Ergebnis beigetragen haben?

JAN EHRHARDT: Tatsächlich müsste viel passieren, bevor ich von einem Tag auf den anderen die Aktienquote um zehn Prozent heben oder senken wü̈rde. Auch wenn man auf längere Sicht bessere oder schlechtere Verhältnisse erwartet, im Normalfall sind die Veränderungen an den Märkten von Tag zu Tag graduell. Darum kaufe oder verkaufe ich Aktien beispielsweise in 0,1er-Prozentpunkten. Auch die Branchen- und Ländergewichtungen passe ich in der Regel nur allmählich an. Wenn wir den Kapitalmarkt negativer einschätzen, reduzieren wir die Aktienquote allerdings kontinuierlich. Das trägt ebenso zu einer schwankungsärmeren Wertentwicklung bei.

 

Nach welchen Kriterien legen Sie die Aktien- und Rentenquote des Fonds fest? Gibt es eine aktive Quotensteuerung, oder sind die Quoten das Ergebnis der Wertpapierauswahl?

JAN EHRHARDT: Die Quoten sind ein Resultat unserer volkswirtschaftlichen Top-down-Analyse und der Asset-Allokation, die wir in unserem monatlichen Strategie-Meeting besprechen. In dem Meeting geht es uns darum festzulegen, wie hoch die einzelnen Länder und Branchen gewichtet werden sollten und wie hoch die Aktien-, Anleihen- und Kassenquote sein sollte. Wir steuern den Investmentprozess über die FMM-Methode. Hier haben fundamentale Indikatoren den größten Einfluss, gefolgt von monetären und markttechnischen Kennzahlen, darunter Geldmengen- und Inflationszahlen und Stimmungsindikatoren.

 

Stichwort Geldmenge, wie sieht das aktuell aus?

JAN EHRHARDT: In Deutschland haben wir mit einem M1-Wachstum von rund sechs Prozent ein durchschnittliches Niveau. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren nicht besonders hoch, aber es ist im Prinzip genug Geld da, um Aktien zu kaufen. Problematisch wird es, wenn das Geldmengenwachstum negativ wird wie 2002 oder gegen null geht wie 2008. In Europa ist es ähnlich, die Geldmenge M1 wächst mit 6,44 Prozent auf einem guten Niveau, aber längst nicht so stark wie zum Beispiel 2015, als die Europäische Zentralbank mit ihrem massiven Quantitative Easing begonnen hat. Zu der Zeit erreichte das Geldmengenwachstum rund 14 Prozent, und entsprechend stark stiegen auch die europäischen Aktienindizes. In den USA ist das Geldmengenwachstum mit 3,7 Prozent schwächer, aber nicht so schlecht wie etwa 2006 und 2007 vor der Finanzkrise. Hier wirken sich die Zinserhöhungen auf die Geldmenge aus. Allerdings ist diese Kennzahl für Europa wichtiger als für die USA.

 

Welche Faktoren sind für die USA denn entscheidender?

JAN EHRHARDT: Da wären zum Beispiel Aktienrückkäufe, die in den USA eine größere Rolle spielen als in Europa. Sie sind weiter sehr stark und werden – zumindest im Durchschnitt – immer noch nicht mit Schulden finanziert. Bei der Heterogenität des US-Marktes muss man allerdings genau hinsehen. Da sind zum Beispiel Technologiewerte, die kaum oder gar nicht verschuldet sind und ihre Aktien zurückkaufen, weil sie über ausreichend Cashflow verfügen. Aber es gibt eben auch einige Firmen, die bereits verschuldet sind und ihre Aktienrückkäufe mit weiteren Schulden finanzieren, und das ist wiederum ungesund.

 

Worauf legen Sie Ihren Fokus bei der Aktienauswahl?

JAN EHRHARDT: Eine Grundvoraussetzung für mich ist, ein Unternehmen zu kennen und die Verantwortlichen getroffen zu haben. Ich komme von der Analyseseite und treffe jährlich rund 180 Unternehmen pro Jahr. Natürlich muss die Bewertung stimmen, und das Unternehmen muss in den Fonds passen. Da wir das Aktienportfolio stark über Branchengewichtungen steuern, muss die Branche für uns attraktiv sein. Wir fragen uns, ob zum Beispiel noch eine Rohstoffaktie ins Portfolio passen könnte oder ob schon genug Chemie- und Rohstoffunternehmen enthalten sind oder ober wir nicht eher bei Gesundheits- oder Nahrungsmittelwerten untergewichtet sind. Falls ja, wäre das ein Signal an das Research, hier noch Aktien oder vielleicht auch eine Anleihen zu finden, die ins Portfolio passen.

 

Haben Sie eine bevorzugte Kennzahl? Wenn ja, welche und warum?

JAN EHRHARDT: Mit dem DJE – Dividende & Substanz manage ich seit über 16 Jahren einen auf dividendenstarke Aktien ausgerichteten Fonds. Das Aktienportfolio konzentriert sich ebenfalls auf diese Aktien. Wenn ich mir nun eine Kennzahl aussuchen darf, die in dieser Zeit für mich am wichtigsten war, dann ist es die Entwicklung und Höhe des freien Cashflows. Diese Kennzahl umfasst alle Mittel, die dem Unternehmen zufließen, abzüglich aller Kosten und getätigter Investitionen. Sie sagt aus meiner Sicht viel mehr aus als der Gewinn. Der freie Cashflow zeigt, was das Unternehmen für eventuelle Akquisitionen und Aktienrückkäufe, für Dividendenausschüttungen oder gegebenenfalls für zusätzliche Investitionen ausgeben kann. Diese Kennzahl sollte eine gewisse Konstanz aufweisen, wächst idealerweise und muss größer sein als die Dividendenausschüttung. Nur so hat man als Investor eine gewisse Sicherheit, dass die Dividende auch langfristig gezahlt und möglicherweise gesteigert werden kann.

 

Andere achten z.B. besonders auf das Kurs-Gewinn- oder Kurs-Buchwert-Verhältnis ...

JAN EHRHARDT: Pro Sektor und teilweise sogar pro Aktie macht es einen großen Unterschied, welche Kennzahl man betrachtet. Bei einem großen Nahrungsmittelwert zum Beispiel sagt das Kurs-Gewinn-Verhältnis in der Vergangenheit nicht viel aus. Bei diesem Wert ist es besser, die Dividendenrendite zu verfolgen, denn hier gibt es einen ziemlich guten linearen Zusammenhang mit der Wertentwicklung. Immer, wenn die Dividendenrendite unter zwei Prozent sank, entwickelte sich der Wert negativ. Ab einer Dividendenrendite von 2,7 Prozent jedoch konnten wir in der Vergangenheit bisher immer einen positiven Verlauf des Aktienkurses beobachten. Das heißt nicht, dass es auch in Zukunft so sein muss, aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht dafür. Für andere Werte aus anderen Branchen sind wieder andere Kennzahlen entscheidend, sei es das Kurs-Buchwert-Verhältnis, das KGV etc. Es gehört Erfahrung dazu zu wissen, worauf man im speziellen Fall zu achten hat.

 

Lassen sich Querverbindungen herstellen zwischen den einzelnen Indikatoren?

JAN EHRHARDT: Allerdings. Über unsere FMM-Datenbank – wir nennen sie in der neuen Version intern Trendfinder – lassen sich die verschiedensten Daten verknüpfen. Beispielsweise wie eine Aktie im Vergleich zu ihren Wettbewerbern bewertetet ist, wie sehen grundlegende Indikatoren aus, wie verhalten sich etwa Autoabsatz, Rohstoffkosten und Kreditvergabe zueinander. Wir können verwandte Ticker direkt in Beziehung setzen.

 

Worauf legen Sie Ihren Fokus bei der Auswahl von Anleihen?

JAN EHRHARDT: Auch wenn es sich trivial anhört: Am wichtigsten ist es mir, dass das Geld auch zurückgezahlt wird – vor allem mit Blick auf Phasen wie 2008, dem Ausbruch der Finanzkrise. Bei Unternehmensanleihen gehen wir daher keine allzu langen Laufzeiten ein, durchschnittlich etwa drei Jahre. Das liegt nicht daran, dass wir nun einen negativen Zinsausblick hätten. Vielmehr können wir anhand unserer Analyse relativ sicher sein, dass das Unternehmen die nächsten drei Jahre auch übersteht, unabhängig davon, was weltwirtschaftlich passiert. Ein Beispiel: Mobilfunkkonzerne haben Mehrjahresverträge mit ihren Kunden, das heißt, die Firmen generieren relativ stabile Erträge, auch wenn es in der Wirtschaft bergab gehen sollte. Pharmakonzerne haben Verträge mit z.B. Kliniken oder Industriewerte haben vielleicht eine Auftragsbestand, der über die nächsten zwei bis drei Jahre erst einmal abgearbeitet werden muss ... Bei vielen Unternehmen lassen sich die nächsten zwei bis drei Jahre in etwa absehen, und ihr Cashflow lässt sich prognostizieren. Auf zehn Jahre hinaus ist eine seriöse Prognose dagegen nicht möglich, selbst bei den heute erfolgreichsten Firmen nicht. Wir nehmen daher durchaus auch Anleihen von Unternehmen, die nur ein BBB- oder BB-Rating haben und dafür eine höhere Verzinsung anbieten. Dank unserer Analyse können wir davon ausgehen, dass diese Firmen die nächsten zwei bis drei Jahre auch überstehen.

 

Wie sieht es bei Staatsanleihen aus?

JAN EHRHARDT: Bei den Staatsanleihen ist es etwas anders. Hier ist es wichtig, die Entwicklung der Anleihe in den nächsten Jahren einzuschätzen. Ebenso wichtig ist es, die Währung und ihre Aussichten zu bewerten und ob ein Staat gemessen an seiner Wirtschaftskraft vertrauenswürdig ist oder ob er im schlimmsten Fall seine Schulden nur über die Druckerpresse zurückzahlt. Hier ist erheblich mehr volkswirtschaftliches Research nötig. Fällt das positiv aus, gehe ich auch längere Laufzeiten ein.

 

Anleihen stabilisieren das Portfolio, d.h. sie glätten die Volatilität des gesamten Portfolios. Aber lässt sich mit ihnen auch 2019 noch Geld verdienen?

JAN EHRHARDT: Klar. Die durchschnittliche Verzinsung der Anleihen im Fonds, also nicht der Kupon, sondern die tatsächliche jährliche Verzinsung, liegt bis zur Endfälligkeit bei rund drei Prozent. Damit kann man im Normalfall rechnen, wenn es nicht zu Ausfällen kommt. Nur mit Euro-Anleihen wäre das aber kaum zu erreichen. Das heißt, wir haben ein gewisses Währungsrisiko, da wir auch Fremdwährungen im Portfolio haben. US-Anleihen zum Beispiel machen etwa 22% des gesamten Fondsportfolios aus. Sowohl US-Staats- als auch Unternehmensanleihen bieten zurzeit eine ganz gute Verzinsung. Aber sollte der US-Dollar schwächer werden, weil etwa die Zinsen erst einmal nicht weiter steigen, dann kann das die Entwicklung des Anleihenportfolios belasten.

 

Der DJE – Zins & Dividende folgt dem Absolute-Return-Gedanken und versucht, in jeder Marktphase einen stetigen Kapitalzuwachs bei geringer Volatilität zu erzielen und Verluste weitgehend zu vermeiden. Bedienen Sie sich dabei typischer Stilmittel von Absolute-Return-Fonds wie z.B. Leerverkäufen oder der Absicherung einzelner Positionen?

JAN EHRHARDT: In der Regel setzen wir keine Derivate ein. Stattdessen verkaufen wir Risikopositionen. Beispielsweise waren wir bereits im Sommer 2018 gegenüber der Marktentwicklung negativ eingestellt, und haben infolgedessen die Aktienquote allmählich gesenkt. Die niedrigste Aktienquote hatten wir Ende Oktober mit ca. 33% erreicht. Das hat dem Fonds im vierten Quartal 2018, als es stark nach unten ging, gut geholfen. Wir steuern also die Aktien- und Anleihenquote aktiv und flexibel. Insofern ist der Name Zins & Dividende für uns wie für unsere Kunden Programm.

 

Welche Chancen und Risiken sehen Sie für 2019?

JAN EHRHARDT: Der Fonds ist per Ende März über fünf Prozent im Plus. Ich sehe aber noch weitere Chancen, und das hat mehrere Gründe: Auf der Aktienseite halte ich die Bewertungen weltweit nicht für übertrieben, sondern wir liegen eher im historischen Mittelfeld. Aktien sind also weltweit weder besonders teuer noch besonders günstig. Viele Schwellenländer hatten seit 2011 eine im Trend eher schwache Entwicklung und scheinen sich jetzt wieder zu stabilisieren – hier besteht Aufholpotenzial. Auf der politischen Ebene sind einige Unsicherheiten die die Märkte im vergangenen Jahr belasteten, dabei gelöst oder zumindest geklärt zu werden. Wenn dann die Ergebnisse feststehen oder absehbar sind, leitet das nicht selten Phasen ein, in denen sich die Börsen gut entwickeln. 2018 schwebte der von den USA angefachte Handelskonflikt über allem. Inzwischen kam es zu einem Abkommen mit der NAFTA, ein Abkommen mit China ist wahrscheinlich, und die Differenzen zwischen den USA und der EU scheinen mir überbrückbar. Was den Brexit betrifft, hatten die Marktteilnehmer inzwischen viel Zeit, sich mit den möglichen Konsequenzen zu beschäftigen und sie durchzukalkulieren. Überraschungen erwarte ich hier eigentlich keine mehr. Auf der Anleihenseite sind die Zinsen in den USA schon viel höher als noch vor wenigen Jahren, auch da gibt es Chancen aus meiner Sicht.

 

Was asiatische Aktien betrifft, gilt da noch das alte Gesetz „Fällt der Dollar, steigen die Aktien“?

JAN EHRHARDT: Man sollte nicht nur auf den Dollar schauen. Viele Länder haben keine so hohe Auslandsverschuldung mehr wie früher und stehen besser da als noch vor wenigen Jahren – mit einer effektiveren Verwaltung, weniger Korruption, einer geringeren Verschuldung und einer gesunkenen Rohstoffabhängigkeit. Aber auch rohstoffabhängigen Ländern geht es inzwischen besser als noch vor zwei bis drei Jahren, als die Rohstoffpreise so niedrig waren. Von der Währungs- und Inflationsseite her sieht es ebenfalls besser aus. China hat im Schattenbankensystem stark eingegriffen und hat dieses Risiko aus diesem System im vergangenen Jahr reduziert. Kurz: Es gibt schon einige Verbesserungen in verschiedenen EM-Ländern, die mich zuversichtlich machen.

 

Was für eine Dividendenrendite ist in diesem Jahr zu erwarten?

JAN EHRHARDT: In den vergangenen 16 Jahren lag die Dividendenrendite im DJE – Dividende & Substanz eigentlich immer zwischen drei und vier Prozent. Im Moment liegen wir bei 3,07 Prozent, also etwas unter dem historischen Durchschnitt. Im DJE – Zins & Dividende sind es aktuell 3,12 Prozent. Eine überdurchschnittliche Dividendenrendite haben die Werte im Fonds aber in jedem Fall, denn für weltweite Aktien erwartet man für 2019 eine Dividendenrendite von knapp 2,3 Prozent. Vielleicht ist für den Fonds aber noch mehr drin, denn ich suche ständig Titel, die ihre Dividenden auch steigern können.