Die letzten Monate waren ja von so einigen Ereignissen geprägt, die allesamt in unser tägliches Leben massiv eingegriffen haben. Und zwar unser aller tägliches Leben. Auch die Notenbanken, Finanzhaushalte und Wirtschaftsstrukturen waren von diesen Ereignissen gewaltig beeinflusst und haben nun, wo man beginnt Licht am Ende des Corona-Tunnels zu sehen, genug mit der Verarbeitung all dieser Effekte zu tun. Den Börsen tat dies in Summe gesehen gut. Die Finanzhilfen sorgten für positive Perspektiven für „die Zeit nach Corona“, die Impfentwicklungen prägten das Timing für diesen Prozess und die Notenbanken passten auf, dass nicht der eine oder andere Staatshaushalt hinten herunterfiel. Alles gut. Alles in Bewegung. Alles auf dem Weg in die „alte“ Freiheit.

Und um genau diese Freiheit geht es, wenn man über die potenzielle Entwicklung bei der Inflation nachdenkt. Waren wir vor Covid-19 eigentlich eher langsam unterwegs, geprägt von vier Jahren Donald Trump und seinen Agitationen gegen China und den Rest der Welt. Handelskonflikte überall. Und eine EU-Politik, die immer mehr an das Bild vom Zwitter am sinkenden Schiff erinnerte. Und jetzt kommen wir, noch im Home Office, Onlinekonsum trainiert, knapp an die erste Haube herangekocht, mit Frisuren die an Aussteigerdokumentationen erinnern langsam ans Licht der realen Konsumerlebnisse und stellen fest, dass sich da etwas geändert hat. Die Preise sind gestiegen. Hoppala. Hat natürlich mit allem möglichen zu tun und nicht nur mit der Frechheit der Verkäufer. Vor allem Rohstoffpreise sind da mit als Schuldige zu nennen.

Mit Rohstoffpreisen verbinden wir Normalkonsumenten zumeist die Entwicklung der Benzinpreise an der Tankstelle. Diesmal liegt der richtige Indikator aber im Supermarktregal und im Baumarkt versteckt. Die Preise für Lebensmittel sind gewaltig gestiegen, weil sich die Gestehungskosten wegen Arbeitskräftemangel erhöht haben, jeder Staat schaut, dass er seine Produktionsreserven höher dotiert und daher weniger exportiert und die Bunkermentalität die Nudel- und Bohnenbestände im Keller auf historische Höchststände katapultiert hat. Die Stafette wird inzwischen an die Baumärkte weitergegeben die die, im Lockdown als Therapie entwickelten Renovierungspläne, mit einer plötzlichen Materialknappheit, die sich überwiegend aus der Unterbrechung lokaler Lieferketten erklären lässt, rüde mit Preiserhöhungen und Lieferverzögerungen bremst. Und über all dem Ganzen schwebt, für uns Konsumenten wenig direkt greifbar, für die Finanzmärkte aber umso deutlicher zu erkennen, die gewaltige Nachfrage von drei globalen Faktoren: China ist und bleibt bei Rohstoffen der aggressivste Einkäufer, die Klimapolitik erfasst auch immer mehr die Nachfrage nach spezifischen Rohstoffen, und die Erwartung, einer sich dank einer steigenden Durchimpfungsrate bald wieder erhebenden Konjunktur, bläst den Energiepreisen gewaltigen Rückenwind ins Preisgefüge. Let’s face it - unsere Inflationsbedenken haben eine rationale Basis.

An den Kapitalmärkten können diese Erwartungen alle berechnet werden. So erwartet man sich für die USA für die kommenden 2 Jahre einen Inflationsanstieg auf 2,7 Prozent. Euroland lässt sich hier zwar etwas schwerer kalkulieren, weil hier die EZB dermaßen dominant ins Renditegefüge hineinregiert und auch die Finanzhilfen weniger konsumlastig erfolgen wie in USA. Tatsache ist aber, dass auch in der EU derzeit die veröffentlichten Inflationszahlen schon über die 1%-Markte hinaus gestiegen sind. Es wird sich die Frage daher relativ rasch stellen, wie weit eine solche Preiserhöhung inmitten einer so konjunkturell angespannten Situation laufen darf bevor Maßnahmen gesetzt werden. Solche Maßnahmen sind im bisherig historisch geübten Maß wohl kaum anwendbar, denn mit Zinserhöhungen tut man den Staaten nichts Gutes und mit Steuerhöhungen dem Wachstum und dem Wahlergebnis. Bleibt nur ein kontrollierender Einfluss auf die Preisgestaltung generell. Und das wird in Zeiten von Kurzarbeit, Förderabhängigkeit, Privatverschuldung, Insolvenzgefahren und gestiegenem Bewusstsein für lebensnahe Qualität unsere Kostenbilanz prägen und unsere Konsumpräferenzen steuern. Wir werden mehr für die einen Dinge ausgeben und weniger für andere. Das wirbelt kurzfristig vielleicht Statistiken durcheinander, hält die generelle Inflation aber im Gleichgewicht. Was sich dabei aber ändern wird müssen, ist die Inflationskalkulation, denn wenn die Nudelpreise im täglichen Konsum wichtiger werden, muss sich das im Inflationskorb auch widerspiegeln. Volkswirtschaft im Supermarkt voraus. 

 

 

 

Aus dem Börse Express-PDF vom 04. Mai - hier zum kostenlosen Download

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