Energiepreise treiben Inflationsrate.

Werden die einzelnen Komponenten der Zusammensetzung des harmonisierten Verbraucherpreisindexes (HVPI) näher analysiert, fällt auf, dass Treiber der Steigerung insbesondere die Energiepreise sind. Die Preise für Öl und Gas, die mit knapp 10 Prozent in die Berechnung einfließen, haben mit einer geschätzten Wachstumsrate von 4,3 Prozent jährlich überproportional zur Erhöhung des HVPI beigetragen. Dieser Preisanstieg ist mit sogenannten Basiseffekten zu begründen, da beispielsweise der Preis der Sorte Brent innerhalt eines Jahres von etwa 25 US-Dollar je Barrel auf ca. 64 US-Dollar angestiegen ist, was einer Erhöhung um über 150 Prozent entspricht. Deutlich geringer fiel die Preisentwicklung für Industriegüter ohne Energie aus, welche lediglich um 0,3 Prozent anstieg.

Nicht nur die einzelnen Komponenten des HVPI variieren derart deutlich. Noch wesentlich größer ist die Diskrepanz der Preissteigerungsraten in den Mitgliedsländern. Angeführt wird die Statistik von Luxemburg (+2,4 Prozent), Deutschland sowie Österreich (mit je +2,0 Prozent) und als deutliches Schlusslicht mit -2,0 Prozent wird Griechenland geführt. Genau diese Spreizung verdeutlicht auch die Misere, in der sich die EZB befindet. Sollte das Preisniveau der Eurozone tatsächlich die Zielmarke nennenswert übersteigen, wäre sie zum Handeln gezwungen und müsste etwas am aktuellen Null- bzw. Negativzinsniveau ändern. Allerdings wären Länder, welche beispielsweise aufgrund ausbleibender touristischer Aktivitäten besonders unter der Corona-Krise und einer dadurch bedingten Erhöhung der Haushaltsverschuldung leiden, einem noch größeren wirtschaftlichen Druck ausgesetzt, welchen sie faktisch nicht tragen könnten. Anzumerken bleibt jedoch, dass für die weitere EZB-Politik die Kernrate maßgeblich ist, welche aktuell bei 0,9 Prozent jährlich rangiert, da sie insbesondere die oben erwähnten Energiepreise nicht umfasst.

Doch derzeit stellt sich die Frage, wie wahrscheinlich eine weitere Steigerung des Preisniveaus tatsächlich ist und ob der Wert der erhöhten Schuldenstände dadurch ggf. auch verringert werden kann. Vorsorglich erklärte die EZB-Präsidentin bereits im März 2021, dass die EZB gewisse Schwankungen akzeptieren und auch ein zwischenzeitliches Überschreiten der Zweiprozentmarke tolerieren werde, ohne den eingeschlagenen geldpolitischen Kurs zu verlassen. Zukünftig existieren zahlreiche Faktoren, welche die Entwicklung des Preisniveaus maßgeblich beeinflussen werden: Die Basiseffekte der Energiepreise werden tendenziell abnehmen, was den Druck auf das Preisniveau im Zeitverlauf verringert. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in zahlreichen Branchen und Ländern im Jahr 2020 negativ war und das Vorkrisenniveau dort frühestens 2022 wiedererlangt wird. In manchen (Wirtschafts-)Bereichen erscheint es fraglich, ob bzw. wann dieses überhaupt wieder in greifbare Nähe gelangt. Diese Einschätzung lässt darauf schließen, dass sich die Preise im aktuellen Jahr noch verhalten entwickeln und ein erhöhter Druck erst 2022 aufkommen könnte. Hiervon hängt auch die Lohnentwicklung ab, welche theoretisch eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale in Gang setzten könnte. Eine derartige Entwicklung ist anhand der Tariflohnindikatoren der EZB jedoch derzeit nicht ersichtlich.

Sondereffekte treiben Preisentwicklung in Deutschland

Das Erreichen der EZB-Zielmarke in Deutschland und weitere potenzielle Steigerungen sind u.a. auf die Rückkehr zum 19prozentigen Mehrwertsteuersatz und die seit Januar 2021 gültige CO2-Abgabe zurückzuführen. Diese Sondereffekte sind jedoch einmalig und werden die Berechnung im Jahr 2021 stärker beeinträchtigen als im Folgejahr. Es ist davon auszugehen, dass die aktuellen Konsumeinschränkungen, welche hierzulande zu einer Rekordhöhe der Sparquote führen, nach endgültiger Beendigung diverser Corona-Lockdowns zu gewissen Nachholeffekten führen. Einschränkend bleibt jedoch festzuhalten, dass Konsum nur bedingt nachgeholt werden kann, denn niemand lässt sich zukünftig häufiger die Haare schneiden, nur weil die Friseure geschlossen hatten und Gastronomen können auch nicht mehr Tische anbieten, als ihnen zur Verfügung stehen. Es wird also zu Verlagerungen kommen, welche aktuell bereits zu verzeichnen sind. Zahlreiche Deutsche renovieren das Eigenheim oder investieren einen Teil ihres Überschusses am Kapitalmarkt. Genau hier ist eine nennenswerte Inflation bereits seit einiger Zeit ersichtlich, denn die Preise gewisser Vermögenswerte, wie beispielsweise Immobilien oder Aktien unterlagen bereits vor der Corona-Krise einer Asset-Price-Inflation. Diese führte die Bewertungen der Aktienkurse nach dem zwischenzeitlichen Einbruch im ersten Halbjahr 2020 binnen kürzester Zeit auf neue Allzeithochs.

Inflation zur Verringerung der Verschuldung

Die vorherrschende Befürchtung sehr hoher Preissteigerungsraten hängt demnach von zahlreichen Faktoren und Entwicklungen ab, die derzeit noch nicht absehbar erscheinen. Zu berücksichtigen sind jedoch die unterschiedlichen regionalen Einflüsse der Mitgliedsstaaten der Euroregion sowie die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie. Als positiver Effekt deutlicher Preissteigerungsraten ist jedoch die umgangssprachliche „Weginflationierung“ der ausufernden Schuldenstände zahlreicher Staaten. Eine Rückzahlung dieser Haushaltsverschuldungen erscheint ausweglos und falls kein Gewöhnungseffekt oder gar japanische Verhältnisse akzeptiert werden sollten, kann eine erhöhte Inflation ein entsprechendes Szenario einleiten, den Wert dieser Schulden zu verringern.

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