Immobilienaktien – Totgesagte leben länger! (Bernd Hashemian)
28.11.2023 | 10:36
In den letzten zwei Jahren erlebten wir in Folge einer rasanten globalen Zinswende einen beispiellosen Kursverfall von 60 (Wohnimmobilien) – 80 Prozent (Gewerbeimmobilien) bei zinssensiblen Immobilienaktien.
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Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil wurden dabei vom Kapitalmarkt mit besonders hohen Kursabschlägen bedacht und die Marktpsychologie hat in einigen Fällen bereits extrem düstere Pleiteszenarien eingepreist. Zur Aufrechterhaltung des Kreditratings und zur Beschränkung höherer Finanzierungskosten wurden von den Unternehmen Maßnahmen zur Schuldenreduzierung durch Immobilienverkäufe, Kostenreduzierungen und Aussetzung der Dividende eingeleitet. Betrachtet man allerdings die Kursentwicklungen der jüngeren Zeit, so zeichnet sich nach Tiefstständen im Frühling doch immer mehr ein Bodenbildungsprozess mit verstärkten positiven Lebenszeichen ab. Während die erste Erholungsphase mit Kurszuwächsen von 50 Prozent eher von Hoffnung auf nicht weiter steigende Zinsen getragen wurde, ist der Kapitalmarkt inzwischen davon überzeugt, dass wir die Zinshochs erreicht haben und spekuliert mit Blick auf das Jahr 2024 mit ersten Zinssenkungen.
Wer einen besseren Eindruck davon bekommen möchte, wie es im Herbst 2023 um die Verfassung von Immobilienaktien steht, sollte einen Blick in die frisch veröffentlichten Quartalszahlen des größten deutschen börsennotierten Wohnimmobilienunternehmens, Vonovia, werfen. Die Unternehmensleitung hat sich dem Marktumfeld sehr schnell angepasst und die Unternehmensstrategie nach früherer langjähriger Expansion konsequent auf Konsolidierung ausgerichtet. Umfangreiche Immobilienverkäufe und eine Halbierung der Dividende haben geholfen, die Verschuldung zu reduzieren, und damit das Kreditrating trotz spürbarer Immobilienabwertungen im laufenden Geschäftsjahr stabil zu halten. Die Mietsteigerungen gewinnen an Dynamik, bleiben aber aufgrund von regulatorischen Beschränkungen noch hinter der Inflation zurück. Mit einer Leerstandsquote von 2,1 Prozent und einer Erhebungsquote der Mieteinnahmen von 99,9 Prozent werden Bestwerte im Vermietungsmanagement erreicht. Insbesondere die Verschuldungskennzahlen, mit einer durchschnittlichen Zinsbelastung von 1,7 Prozent und einer durchschnittlichen Restlaufzeit von 6,7 Jahren, sollten jedem Skeptiker aufzeigen, dass die Zinskosten nur sehr langsam steigen, und damit die Lebensfähigkeit des Geschäftsmodells nur durch „much higher for much longer“ gefährdet wäre.
Auf die Frage nach dem Wert der Vonovia AG antwortete Rene Hoffmann (Leiter Investor Relations) jüngst in einem Interview: "Ja, was ist Vonovia wert? Das ist eine Frage, die aktuell unterschiedliche Personen und Marktteilnehmer sehr unterschiedlich beantworten. Wir schauen in unsere Bilanz und stellen fest, dass wir mit 2500 Euro auf den Quadratmeter bewertet sind. Das ist das, was CBI als externer Bewerter unseres Portfolios ermittelt. Wenn ich den Börsenkurs zugrunde lege, der ja massiv unter dem Buchwert derzeit notiert, dann sagt die Börse implizit über den Aktienkurs, dass der Quadratmeter 1600 Euro wert ist, also 900 Euro weniger als in den Büchern steht. Und wenn ich mir anschaue, was es kostet, dieses Produkt neu herzustellen über den Neubau, dann kostet aber Neubau einfach 5.000 Euro den Quadratmeter, also das Doppelte!"
Auch wenn man noch nicht absehen kann, wie viele Jahre es dauern wird bis die Kurse der Immobilienaktien sich wieder ihren Buchwerten/NAVs annähern, so ist das Kurspotenzial mit über 100 Prozent im Falle des Marktführers Vonovia und erheblich mehr bei anderen Immobilienaktien auf jeden Fall einen zweiten Blick wert. Denn nicht zum ersten Mal dürfte getreu des Sprichworts „Totgesagte leben länger“ der Abgesang auf eine Branche viel zu früh erfolgt sein.
Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.
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