Die Aktien von Immobilienunternehmen gehören zu den großen Verlierern an den deutschen Aktienmärkten. So hat beispielsweise die Aktie von Vonovia seit Jahresanfang ca. 54 Prozent verloren. Die Aktie von Konzernen, die in Gewerbeimmobilien investieren verloren noch stärker, so Aroundtown mit Verlusten von rund 66Prozent. Hintergrund der Verluste ist die hohe Fremdfinanzierung der Unternehmen und die damit steigenden Kosten in Zeiten von steigender Inflation und steigender Zinsen. Sind die Risiken der Unternehmen und die Zukunftsaussichten tatsächlich so schlecht oder übertreiben aktuell die Marktteilnehmer und bietet sich eine antizyklische Chance?

Beispielhaft wird anhand der Vonovia AG, die fundamentale Situation und die sich daraus ergebenen Chancen bzw. Risiken erläutert. Dabei prüfen wir die Bewertung der Immobilien, die Sicherheit der Einnahmeseite und die Ausgaben für die Fremdfinanzierung: Vonovia verfügt über einen Wohnungsbestand mit einem Bilanzansatz von ca. 100 Mrd. Euro. Die Finanzierungshöhe beträgt ca. 43 Mrd. Euro. Nach Abzug der Schulden bleibt ein Eigenkapital von ca. 37 Milliarden. Die aktuelle Marktkapitalisierung von Vonovia beträgt rund 16 Mrd. Das bedeutet, selbst bei einem Rückgang der Immobilienpreise besteht ein großer Puffer zu den aktuellen Bewertungen der Immobilien in der Bilanz.

Für zukünftige Finanzierungen ist diese Bewertung von hoher Bedeutung. Auch in Zeiten von verschärften Kreditanforderungen sollte der Immobilienbesitz eine problemlose Finanzierungen ermöglichen. Dieses Kriterium spricht meines Erachtens eindeutig für eine Übervorsicht der Investoren. Die Einnahmen der Vonovia kommen aus den Mietzahlungen der Wohnungsnutzer. Aufgrund einer Vielzahl von kleinen Wohnungen, der Lage der Immobilien, der Bedeutung des Wohnens für jeden Einzelnen (Wohnen als Grundbedürfnis) und der von der Regierung avisierten Unterstützung von Mietern in unsicheren Zeiten ist ein größerer Ausfall von Einnahmen nicht zu erwarten und daher zu vernachlässigen.

Für Anleger ist dies ein weiterer Sicherheitsaspekt da die bisherigen Einnahmen fortgeschrieben werden können. Kommen wir nun zu den Kosten für die Instandhaltung der Immobilien und der Finanzierung. Nach Aussage des Vorstandes hat Vonovia die letzten Jahre gezielt genutzt, um ihre Immobilien zu modernisieren. Einen Instandhaltungsstau gibt es nicht, so dass man gerade in Zeiten, in denen die Kosten für Modernisierungen massiv steigen, zurückhaltend investieren kann. In den nächsten Jahren muss Vonovia jährlich ca. 4 Mrd. refinanzieren.

Bisher liegen die Refinanzierungskosten bei ca. 1,2 Prozent jährlich auf die Gesamtverbindlichkeiten. Die Zinslasten betragen rund 544 Millionen. Sollten die Kosten für die Refinanzierung in den nächsten 3 Jahren (rund 12,5 Mrd. fällige Darlehen/Anleihen) auf fünf Prozent steigen würden sich die gesamten Refinanzierungskosten auf rund eine Mrd. verdoppeln. Bei Einnahmen von rund drei Mrd. ist die Situation weiterhin gut überschaubar und nicht besonders risikoreich. Damit sollte auch die bisherige Dividende von Euro 1,66 oder ca. 7,8 Prozent auf den aktuellen Kurs gesichert sein.

Aufgrund dieser Aspekte scheint der Markt mittlerweile zu übertreiben. Das Unternehmen ist aktuell attraktiv bewertet. Käufe in Schwäche erscheinen langfristig aussichtsreich zu sein. Kurzfristig könnte jedoch die schlechte Stimmung anhalten. Daher bieten sich die nächsten Wochen für erste Käufe an.

Bei den Konzernen, die in Gewerbeimmobilien investieren ist die Lage schwieriger, insbesondere weil negative Überraschungen auf der Einnahmeseite möglich sind. Schlechte Konjunkturnachrichten, Konkurse von Mietern, Zurückhaltung bei Verbrauchern etc. können jederzeit Probleme bei Mieteinnahmen auslösen. Daher sollten diese Titel, bis sich die wirtschaftliche Lage klarer gestaltet, gemieden werden.

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Aus dem Börse Express PDF vom 11.11. hier zum Download

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