IG Metall fordert aktive Industriepolitik statt Steuersenkungen

Die IG Metall stellt sich gegen jahrelange Forderungen der Wirtschaftsverbände. Statt radikaler Steuersenkungen verlangt die Gewerkschaft einen "aktiven Staat" und gezielte Industriepolitik. Der Konflikt markiert eine ideologische Wende in der Standortdebatte.
Die deutsche Wirtschaft kämpft mit hohen Energiekosten, verschärfter Konkurrenz und lähmender Bürokratie. Vor diesem Hintergrund legte die IG Metall am 23. September ein Positionspapier vor, das einen "neuen Realismus" fordert.
Die zentrale These: "Weniger Staat ist der falsche Weg, aktiver Staat muss das Leitbild sein." Damit attackiert die Gewerkschaft direkt die klassischen Rezepte der Industrieverbände.
Gewerkschaftsplan: Strompreis und Staatssteuerung
Die IG Metall setzt auf gezielte staatliche Eingriffe statt Marktvertrauen. Kernforderung ist ein wettbewerbsfähiger Industriestrompreis für die Elektrifizierung der Industrie.
Zusätzlich verlangt die Gewerkschaft:
* Massiven Ausbau von Stromnetzen und Speicherkapazitäten
* Beschleunigten Bau von Elektrolyseuren
* Gezielte öffentliche Investitionen
Die Begründung: Der Markt allein könne diese monumentale Transformation nicht bewältigen. Nur staatliche Steuerung sichere Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland.
Wirtschaftsverbände: 25 Prozent Steuerlast als Ziel
Die Gegenseite hält an bewährten liberalen Rezepten fest. BDI und IHK fordern seit langem eine Senkung der Unternehmenssteuer auf 25 Prozent - international übliches Niveau.
Eine IHK-Umfrage aus 2025 zeigt die Dramatik: 90 Prozent der Unternehmen sehen eine Verschlechterung der politischen Verlässlichkeit. Die Prioritätenliste der Verbände bleibt unverändert:
- Massive Steuersenkungen
- Bürokratieabbau
- Beschleunigte Genehmigungsverfahren
Ihr Argument: Nur durch signifikante Entlastung entstehen die privaten Investitionen, die Deutschland für Wachstum braucht.
Wissenschaft gespalten: Radikal oder gezielt?
Auch die Forschung findet keine einheitliche Antwort. Das Münchner ifo-Institut schlug Anfang 2025 eine radikale Steuerumstrukturierung vor: Einkommens- und Körperschaftssteuer senken, dafür Mehrwert- und Erbschaftssteuer erhöhen.
Ziel: Arbeit und Investitionen attraktiver machen. Kritiker warnen jedoch vor sozialen Verwerfungen und unterstützen wie die IG Metall gezieltere Staatseingriffe.
Düstere Bilanz der Experten: Die Mehrheit sieht Deutschland als unattraktiver gewordenen Standort - mit weiterer Verschlechterung in Sicht.
Ideologischer Richtungsstreit verschärft sich
Die IG Metall-Forderungen heben die Debatte auf eine neue Ebene. Es geht nicht mehr nur um Steuersätze, sondern um die grundsätzliche Staatsrolle in der Wirtschaft.
Während Wirtschaftsverbände auf Markt-Selbstheilung durch Entlastung setzen, will die Gewerkschaft einen intervenierenden Staat nach internationalem Vorbild. Diese Polarisierung zerreißt die Bundesregierung zwischen Wettbewerbsfähigkeit, sozialem Zusammenhalt und ökologischen Zielen.
Zusätzlicher Druck: Andere Länder unterstützen ihre Unternehmen mit massiven Subventionsprogrammen.
Politischer Herbst wird zur Zerreißprobe
Die anstehenden Haushaltsverhandlungen stehen im Zeichen dieser Grundsatzdebatte. Die Regierung muss auf die verschlechterte Wirtschaftsstimmung reagieren - bereits im Juni wurde ein "steuerliches Investitionssofortprogramm" diskutiert.
Die entscheidende Frage: Großer Wurf in der Standortpolitik oder weitere Einzelmaßnahmen? Die Rufe nach fundamentalen Änderungen werden lauter. Eine Entscheidung über Deutschlands wirtschaftspolitischen Kurs lässt sich nicht mehr aufschieben.
Das Duell zwischen aktivem Staat und Marktvertrauen prägt die kommenden Monate. Für Deutschlands Zukunft als Industriestandort steht viel auf dem Spiel.