Hohes Strompreisniveau bindet beim Verbund erhebliche Cash-Mengen / Sicherheiten für offene Kontrakte zu hinterlegen - "Schwankungen bis zu einer Milliarde Euro" - Strompreisnotierungen: Sprünge wie in 30 Jahren nicht - Konzernchef: Dramatisches Marktumfe
Die extrem hohen Strom-Großhandelspreise binden erhebliche Geldmittel des Verbund-Stromkonzerns. Grund dafür sind Sicherheitsleistungen, die für offene Positionen bei Börse-Handelsgeschäften in Cash zu erlegen sind. Auch wenn man diese Beträge nach Abschluss der jeweiligen Deals zurückbekommt, sind enorme Liquiditätszahlungen zu leisten, so Finanzvorstand Peter F. Kollmann am Donnerstag im Bilanzpressegespräch.
"Je höher die Strompreise steigen, umso mehr muss ich an der Börse hinterlegen. Es gibt Schwankungen von bis zu einer Milliarde Euro", so Kollmann. Der operative Cashflow sackte von 1,18 Mrd. Euro im Jahr 2020 auf 98 Mio. Euro im abgelaufenen Jahr ab, und der freie Cashflow nach Dividende rutschte von positiven 300 Mio. Euro auf 1,33 Mrd. Euro ins Minus. Zugleich stiegen die Nettoschulden auf 3,51 Mrd. Euro, nachdem sie 2020 von 2,26 Mrd. auf 1,88 Mrd. Euro gesunken waren. Grund dafür seien vor allem kurzfristige Fremdmittelaufnahmen, "wenn die Kontrakte auslaufen kommt das Geld natürlich zurück".
Der Unterschied beim Cashflow aus der operativen Tätigkeit sei im Wesentlichen auf deutlich höhere Margining-Zahlungen für Absicherungsgeschäfte im Stromgeschäft, Working-Capital-Veränderungen sowie deutlich höhere Ertragsteuerzahlungen zurückzuführen, heißt es im Geschäftsbericht. Bei den Absicherungen geht es um Futures-Kontrakte zur Absicherung der Eigenstromproduktion, die über die Strombörse gehandelt werden.
Die Strompreisnotierungen hätten binnen kürzester Zeit "Ausschläge wie davor in 30 Jahren nicht" gezeigt, so CFO Kollmann. Mit 108 Euro pro Megawattstunde (MWh) sei am 28. Februar ein All-Time-High erreicht worden. Schon im Vorjahr sei der Verbund-Absatzpreis im Schnitt um 22,9 Prozent auf 54,8 Euro/MWh gestiegen, wobei eine Reduktion bzw. ein Anstieg des Absatzpreises um einen Euro je MWh das EBITDA um rund 25 Mio. Euro senkt oder erhöht. In Summe kletterte das operative EBITDA im Vorjahr um 22,1 Prozent auf 1,579 Mrd. Euro, heuer soll es bei 2,6 Mrd. bis 3,5 Mrd. Euro liegen.
Üblicherweise verkauft der Verbund rund 80 Prozent der Eigenerzeugung über Terminmärkte und rund 20 Prozent über Spotmärkte. Per Ende 2021 waren rund 69 Prozent der geplanten Verbund-Eigenerzeugung für das Jahr 2022 kontrahiert. "Der dabei erzielte Preis lag rund 24,2 Euro/MWh über dem im Jahr 2021 erzielten Absatzpreis", nämlich bei 79,0 Euro pro MWh, heißt es. Für 2023 lagen die bis Ende 2021 erzielten Absatzpreise dagegen mit 66,7 Euro/MWh niedriger. In einer Mark-to-Market-Betrachtung der verkauften und noch offenen Mengen lagen die Preise per 23.2. für heuer bei 120,1 Euro je MWh, für 2023 bei 128,9 Euro/MWh. Die Verbund-Eigenerzeugung beträgt 30.000 GWh im Jahr, umgerechnet 30 Mio. MWh.
Verbund-Generaldirektor Michael Strugl sprach vor Journalisten von einem "dramatischen Marktumfeld", in dem man sich bewege - alles andere als "business as usual". Die schon vorher bestehende Entwicklung mit Lieferketten-Engpässen und steigenden Rohstoff- und Energiepreisen sei durch den "Krieg vor unserer Haustür" noch einmal dramatisch verschärft worden. Man stehe mit den Menschen in der Ukraine solidarisch und leiste etwa finanzielle Hilfen über die Caritas.
Der Krieg in der Ukraine habe das Thema Versorgungssicherheit ins Zentrum gerückt. "Wir müssen alles tun, um weniger von fossilen Energieimporten abhängig sein", betonte der Verbund-Chef, der auch Präsident des E-Wirtschafts-Verbandes Oesterreichs Energie ist. Es gebe daher keine Alternative zu einem beschleunigten Erneuerbaren-Ausbau. "Wir wollen massiv in diesen Ausbau investieren, brauchen aber die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür. Wir wollen noch schneller machen, brauchen aber die Hilfe der Politik und der Behörden."
sp/itz
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