Höhenluft und harte Landung: Bitcoin korrigiert, Deutschland stagniert
Liebe Leserinnen und Leser,
es sind diese stillen Sonntage, an denen der Kontrast zwischen der Ruhe am Frühstückstisch und der Unruhe in den Depots am lautesten dröhnt. Während wir uns entspannt zurücklehnen, blinken auf den Bildschirmen der Krypto-Händler die Warnleuchten, und in den deutschen Chefetagen weicht die Hoffnungsfrohheit einer ernüchternden Erkenntnis: Der Jahresendspurt fällt aus.
Wir erleben an diesem Wochenende eine Synchronisation der Enttäuschungen. Die überhitzten Fantasien der Digital-Spekulanten treffen auf den harten Asphalt der makroökonomischen Tatsachen. Oder anders formuliert: Die Party ist nicht vorbei, aber das Licht wurde grell angeschaltet.
Lassen Sie uns sortieren, was diese neue Nüchternheit für die kommende Handelswoche bedeutet.
Der 94.000-Dollar-Dämpfer
Beginnen wir mit dem Liebling der letzten Wochen, der plötzlich Puste lässt. Bitcoin ist am Samstagabend unter die psychologisch massive Marke von 94.000 US-Dollar gerutscht.
Wer in den letzten Tagen bereits die Sektkorken für die 100.000-Dollar-Feier gelockert hatte, muss sie nun wieder festdrehen. Nach dem vertikalen Anstieg war das, was wir gestern sahen, überfällig. Markttechniker nennen es „Konsolidierung“, Späteinsteiger nennen es „Schmerz“. Ein Asset, das so rasant steigt, muss atmen, um nicht zu ersticken.
Doch die entscheidende Frage lautet: Ist das nur ein kurzes Luftholen vor dem finalen Sprung in die Sechsstelligkeit? Interessant ist die Divergenz im Markt: Während der Bitcoin schwächelt, zeigen sich ausgewählte Altcoins erstaunlich widerstandsfähig. Das deutet darauf hin, dass hier kein Kapital flüchtet, sondern lediglich rotiert. Das „Smart Money“ kauft die Dips, während die nervösen Hände werfen.
DAX 23.000: Eine trügerische Sicherheit
Während die Krypto-Welt mit der Gier ringt, kämpft der deutsche Leitindex mit der Schwerkraft. Der Schlusskurs vom Freitag bei 23.174 Punkten wirkt auf den ersten Blick wie ein majestätischer Gipfelblick. Doch wer genau hinsieht, erkennt Risse im Fundament. Die 23.000er-Marke ist längst kein Trampolin mehr – sie ist zur letzten Verteidigungslinie geworden.
Der Grund für die Skepsis liegt in den harten Daten: Die Einkaufsmanagerindizes (PMI), die uns am Freitag erreichten, glichen einer kalten Dusche. Der Index rutschte von 53,9 auf 52,1 Punkte ab.
Für alle, die Makro-Daten nicht zum Frühstück essen: Das ist keine statistische Unschärfe, das ist eine Vollbremsung. Während die Weltwirtschaft wächst, tritt Deutschland auf die Bremse. Wir sehen eine gefährliche Entkopplung: Aktienkurse, die von der globalen Liquidität getragen werden, schweben über einer realwirtschaftlichen Basis, die bröckelt. Sollte der DAX in der kommenden Woche die 23.000 Punkte nicht halten, dürften die Bären das Parkett übernehmen.
Gelbe Gewinner, rote Verlierer
Doch der Markt ist kein Monolith. Er differenziert gnadenlos zwischen denen, die liefern, und denen, die nur versprechen.
Auf der Sonnenseite: die Commerzbank. Das Institut, lange Zeit das Sorgenkind der Nation, hat überraschend solide Zahlen vorgelegt. Die Zinslandschaft schmeichelt der Bilanz, die Sanierung greift. Die „Gelben“ sind plötzlich einer der wenigen Stabilitätsanker in einem volatilen Index.
Ganz anders das Bild in Leverkusen. Bei Bayer reißt die Kette der Hiobsbotschaften nicht ab. Die Skepsis der Investoren schlägt in offene Ablehnung um; die Zweifel an der Strategie des Managements werden lauter. Es ist ein Lehrstück darüber, wie juristische und operative Altlasten jede Erholung im Keim ersticken können. Die Lehre für Ihr Depot: Der „Kauf-den-ganzen-Index“-Ansatz (ETF) stößt in diesem fragmentierten Markt an seine Grenzen. Stock-Picking – die gezielte Auswahl von Einzeltiteln – erlebt eine Renaissance.
Lagardes Botschaft: Keine Geschenke aus Frankfurt
Über allem schwebt die mahnende Stimme der EZB. Christine Lagarde fand am Wochenende deutliche Worte: „Die Welt wird sich für Europa nicht langsamer drehen.“
Übersetzt aus dem Notenbank-Deutsch heißt das: Rechnen Sie nicht mit schnellen Zinssenkungen zur Rettung der Konjunktur, solange die Inflation nicht besiegt ist. Die EZB steckt in der Zwickmühle zwischen Rezessionsbekämpfung und Geldwertstabilität. Lagarde signalisiert, dass sie im Zweifel den harten Weg wählen wird.
Das Fazit: Woche der Wahrheit
Was nehmen wir mit in den Montag?
- Krypto-Nerven behalten: Der Rücksetzer unter 94.000 Dollar ist charttechnisch noch kein Beinbruch, aber ein Warnschuss. Die 90.000er Zone muss halten, sonst wird es ungemütlich.
- DAX unter Beobachtung: Die 23.000 Punkte sind in der kommenden Woche nicht aus Beton, sondern aus Glas. Ein Bruch dieser Marke würde das charttechnische Bild massiv eintrüben.
- Selektivität ist Trumpf: Meiden Sie Unternehmen mit strukturellen Problemen (Bayer), suchen Sie die Profiteure des aktuellen Umfelds (Banken).
Wir stehen vor einer Woche, die die Weichen für den Rest des Jahres 2025 stellen könnte. Bleiben Sie wachsam, aber lassen Sie sich die Sonntagslaune nicht verderben. An der Börse wird bekanntlich am Ende abgerechnet.
Ich wünsche Ihnen einen klaren Kopf für den morgigen Handelsstart.
Herzlichst,
Ihr Eduard Altmann








