Gold ist ein kompliziertes Asset für Fondsmanager. Es trägt weder Zins, noch generiert es Cash-Flow. Diese Absenz klassischer Analysetools verleitete den König der Investoren, Warren Buffett von Berkshire Hathaway, bei CNBC einmal zu der Aussage, Gold produziere nichts und es sei lediglich ein Vehikel, von grassierender Unsicherheit zu profitieren. (CNBC´s Squawk Box, 2011). Während der Covid-Panik von 2020 sprang Buffett dann tatsächlich auf den Gold-Zug auf und nahm eine kleine Position des Minenbetreibers Barrick Gold als Proxy für das Edelmetall in sein Portfolio – bloß, um sich nach zwei Quartalen wieder von der Aktie zu trennen. Eine gute Entscheidung, da der Aktienkurs nicht lieferte. Doch hinter dem Buffett-Intermezzo verbirgt sich eine größere Erzählung - ein Gold-Bullenmarkt, der erst seit wenigen Monaten ins Bewusstsein von Investoren und Medien eingedrungen ist.

 

Säkularer Aufwärtstrend

 

Seit der Jahrtausendwende befindet sich Gold in einem Aufwärtstrend, der sich zuletzt beschleunigte. Seit dem Dotcom-Crash lieferte es Investoren eine Rendite von über 1000 Prozent und notiert inzwischen über 3.100 US Dollar. Damit verweist es selbst den Leitindex S&P 500 auf die Plätze. Es ist eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte und sie entfaltet sich, gleichsam wie eine Nebenerzählung, vor dem geopolitischen Schachbrett, auf dem es zunehmend tumultuarisch zugeht. Dass Gold inzwischen eine globale Marktkapitalisierung von 21 Billionen US Dollar aufweist, bestätigt die These, dass es als Schutzschirm vor politischen Verwerfungen dienen kann. Dass wir in einen Nebel der Ungewissheit blicken, zeigen der Rückzug der USA aus der Ukraine-Krise, die immer wieder auflodernden Spannungen in Nahost sowie die schwelende Staatsschuldenkrise, die sowohl die USA und Europa als auch China und Japan in Atem hält.

 

Das wachsende Schuldenproblem

 

Kurzer Rückblick: Im Oktober 2023 ließ Janet Yellen, damals noch US-Finanzministerin, die Maske fallen und bestätigte den allgemeinen Verdacht, die USA könnten ihre rasch steigenden Staatsschulden nicht länger durch Emission langfristiger Anleihen finanzieren, ohne den Bondmarkt zu überlasten. Zur Kontrolle der Zinslast emittierte das US Finanzministerium in der Folgezeit eine Unzahl an T-Bills, also kurzlaufende Staatsanleihen, die einen niedrigeren Zins aufwiesen als Langläufer und dem Fiskus so eine Atempause verschaffen sollten. Doch das Problem lässt sich nicht ohne massive Ausgabenkürzungen aus der Welt schaffen. Und so stehen die USA nun vor der Herkulesaufgabe, in den kommenden vier Jahren Schulden in Höhe von 28 Billionen Dollar zu refinanzieren – durch Neuemission von Anleihen, in einem zunehmend saturierten Markt. Eine Schuldenquote von über 120 Prozent gemessen am BIP wird auch für den Emittenten der Weltreservewährung Dollar zum Problem.

 

Der Markt reagiert, indem er das wachsende Schuldenproblem einpreist und eben auf Vehikel setzt, die kein Drittparteienrisiko implizieren. Und genau da kommt das Gold als Save Heaven Asset ins Spiel. Mehr Investoren verzichten auf den niedrigen Anleihezins von etwa 3 Prozent und betrachten das Geschehen aus dem sicheren Hafen heraus. Und das bietet in der Tat Spektakuläres:  US-Präsident Donald Trump und sein Finanzminister Scott Bessent ließen zuletzt keinen Gelegenheit aus, die Zinsen zu drücken, um liquide zu bleiben: Mit Zolldrohungen, weiteren Sanktionen gegen Russland, ja selbst in Aussicht gestellten militärische Eskalationen im Iran sollen Investoren in Anleihen zwingen, deren Preise erhöhen und so die effektive Zinslast für den Staat senken. Bislang ging dieser Plan allerdings nur bedingt auf. Gold legt seit Trumps Wahl im November um etwa 15 Prozent zu, während Anleihen mit 2jähriger Laufzeit in den USA mit 3,9 Prozent lediglich um etwa 0,3 Prozent niedriger notieren – nach wie vor zu hoch, um die Zinslast der USA spürbar zu senken und dem Staatshaushalt neuen Spielraum zu geben.

 

Nichts kann diesen Zug stoppen

 

Und das Schuldenproblem scheint sich nun auch in Europa wieder zu verschärfen. In seinem Versuch, der darniederliegenden Eurozonen-Wirtschaft einen Impuls zu verschaffen, tritt Deutschland nun als Schuldner auf den Plan und wirft in den kommenden vier Jahren über einen Billionen Euro zusätzlicher Kreditnachfrage in den Markt. Diese Politik lässt Zweifel wachsen, ob der globale Schuldenberg, der inzwischen die Marke von 300 Billionen US Dollar übersteigt, mit klassischer Austeritätspolitik noch einmal in den Griff zu bekommen ist. Der Versuch der USA, den Staatshaushalt unter Hochdruck in den Griff zu bekommen, scheint zum Scheitern verurteilt. Dort wächst der Schuldenberg ungebremst, trotz der Einsparungen in Höhe von 280 Milliarden Euro in den ersten 10 Wochen der Trump-Regierung. Der sogenannte „debt ceiling“, also die erlaubte Maximalverschuldung, wird aller Voraussicht nach nun von 36 auf 40 Billionen US Dollar angehoben – eine Bankrotterklärung des Fiatgeldsystems, das ohne fortwährende Kreditexpansion nicht lebensfähig ist.

 

Staatsakteure stehen nun vor der Wahl: erklären wir den Staatsbankrott, wenn der Markt neu emittierte Schulden nicht mehr absorbieren kann, gehen wir den Weg der Austerität und stürzen das expansive Geldsystem ins deflatorische Fegefeuer oder, und dies ist die realistische Option: inflationieren wir den Schuldenberg auf Kosten des privaten Sektors über systematische Geldentwertung wie es in den 1940er und 70er Jahren geschah? Gold antizipiert dieses Debasement-Szenario und spiegelt die wachsende Geldmenge (Kredit) auf globaler Ebene. Die Schulden haben beinahe allerorten unkontrollierbare Höhen erreicht und wir dürfen von koordinierter Inflationierung durch die großen Notenbanken ausgehen, selbst wenn die Federal Reserve derzeit einen rabiateren und restriktiveren Kurs beibehält als ihre Peers in der Eurozone oder die zunehmend expansiv agierenden Kollegen der chinesischen Zentralbank.

 

BRICS, oder: Die Spaltung der Welt

 

Wer sind nun die Treiber des Goldpreises, wer hortet und setzt auf eine unsichere Zukunft an den Märkten? Soweit uns Zahlen vorliegen, dominieren China und Russland die Käuferseite seit der Großen Schuldenkrise von 2009 mit 1.600 und respektive 1.800 Tonnen des Edelmetalls. Gemeinsam zeichnen sie für etwa 38 Prozent der Goldkäufe in dieser Zeit verantwortlich. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Vereinigung der BRICS-Staaten auf Gold als vertrauensstiftenden Sicherungsanker des angestrebten Geldsystems setzt. So könnte es zum festen Bestandteil eines gemeinsamen Währungskorbes werden und das wechselseitige Misstrauen in die Stabilität lokaler Währungen entscheidend reduzieren. Wir müssen mit dem Tag rechnen, an dem ein solches Konkurrenzsystem das Licht der Welt erblickt, erst recht, nachdem die Sanktionierung sowie der Ausschluss Russlands aus dem Interbankensystem SWIFT den Druck auf die BRICS-Gruppe erheblich erhöht hat.

 

Wie geht es weiter

 

Märkte sind volatil und sie sind Stimmungsschwankungen ausgesetzt. Sie fungieren zu keiner Zeit als lineare und perfekte Mechanismen zur Wertbestimmung, weisen aber auf Tendenzen hin. Schreitet die Bifurkation der globalen Ökonomie voran, dürfte es als Scharnier zwischen den BRICS und den von den USA geführten Finanzmärkten dienen. Auch zur Rekapitalisierung geschundener Notenbankbilanzen könnte es in nicht allzu ferner Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Diese leiden nicht zuletzt unter der Krise der Anleihenmärkte, nachdem sie im Rahmen des Quantitative Easing massive Anleihenkäufe zur Stabilisierung der Zinsen eingegangen sind und so tief in politische Prozesse intervenierten. Da eine Umkehr bei der Staatsverschuldung ausgeschlossen scheint, nimmt eine Revaluierung der Goldbestände bei den Notenbanken zur Verbesserung der Bilanzpositionen immer realistischere Züge an. Gold dürfte daher auf absehbare Zeit als Portfoliovehikel seinen Glanz bewahren – ein stiller Triumph der Krisenwährung, auch ohne Rendite und Cash-Flow.