Heiko Thieme - Unkonventionelle Empfehlungen eines Optimisten
Der deutsch-amerikanische Finanzprofi überraschte mit einer Reihe von Empfehlungen betreffend ratsame Geldanlagen. Er stellte auch persönliche Prioritäten und nützliche Grundsätze für zukunftsträchtige Verhaltensregeln vor, die jeder beachten sollte, der sein Vermögen vor Verlusten schützen und auch während der Mehrfachkrisen Erträge machen möchte.
Eine dieser Regeln lautet: „Wer sein Geld liebt, sollte sich täglich wenigstens eine Viertelstunde lang mit der Börse und den Vorgängen auf den globalen Kapitalmärkten beschäftigen. Dabei lernt man automatisch, wohin die aktuellen Trends laufen, man kann überlegen, wie diese Vorgänge das eigene Vermögen betreffen und was man tun sollte, um unnötige Verluste zu vermeiden und neue Ertragschancen wahrzunehmen.“ Er selbst, sagt Thieme, beschäftige sich täglich viele Stunden lang mit den Börsen der Welt, mit den Vorgängen auf den Geldmärkten; er analysiere täglich die Marktlage und ziehe daraus Ratschläge, die Anleger in aller Welt über elektronische Medien, per Mail, Interviews und Vorträge verfolgen können.
Auf die naheliegende Frage, wie oft er sich dabei irre und wie oft er mit seinen Empfehlungen Recht behalte, erklärt er: „75 Prozent meiner Prognosen waren erfolgreich, während 25 Prozent nicht eintrafen. Mein langjähriger Freund, der Spekulant und Journalist Andre Kostolany (1999+), sagte immer, wer 51 Prozent richtige Entscheidungen trifft sei bereits erfolgreich.“
Zwei weitere Regeln, die Thieme seinen Zuhörern ans Herz legt, lauten „1. streue Deine Vermögensanlagen breit, setze nie auf eine einzige Chance, auch wenn sie noch so zwingend erscheint. 2. Es gibt global weit mehr als eine Million Anlagemöglichkeiten – Aktien, Renten, Immobilien, Optionen und Terminkontrakte. Der Privatanleger sollte sich jedoch auf maximal 30 Positionen beschränken, wobei die Hälfte der Anlagesumme auf ETF entfallen sollte, der Rest auf Einzelwerte; hiebei sollten Amerika 20 Prozent, Europa 15 Prozent, Japan 10 Prozent und China 5 Prozent ausmachen.
Situationsanalyse mit Optimismus.
Thieme räumt ein: „Wir sind derzeit in der größten Krise, die wir in der europäischen Nachkriegszeit erlebt haben. Wir wissen nicht, wie lang die Krise dauern wird und wie sie endet.“ Für die nächsten acht Wochen sagt er hohe Komplexitäten in der Weltwirtschaft, in der Politik und an den Börsen voraus. „Bis dahin werden jedoch nicht alle Probleme gelöst sein. Was überwiegt derzeit? Die Politik! Das Eigentor, das wir uns selbst mit den Sanktionen gegen Russland geschossen haben, kommt daher, weil wir nicht gut nachgedacht haben. Unsere erste Reaktion war, wir müssen Russland boykottieren. Das ist menschlich verständlich, aber wir zahlen dafür einen extrem hohen Preis; Gas ist inzwischen auf mehr als das Zehnfache gestiegen, der Ölpreis hat sich fast verdoppelt. Dieser Höhenflug bei Öl und Gas wird sich in den kommenden sechs bis zwölf Monaten wieder deutlich reduzieren, auch wenn wir vorerst alles tun müssen, um heil über den bevorstehenden Winter zu kommen. Hier sind besonders Politik und Wirtschaft gefordert. Wir dürfen nicht zuwarten, sondern müssen die auf uns zukommenden Probleme ansprechen und realistische Lösungen erarbeiten,“ sagt Thieme. Im Grund gehe es um eine Auseinandersetzung zwischen den Demokratien der Erde gegenüber den brutalen Diktaturen, die die Menschenrechte total missachten.
Trotz aller bestehenden Fragen ist Thieme optimistisch, dass diese Auseinandersetzung zugunsten der Demokratien gelingt. Denn die menschliche Freiheit könne und dürfe nicht korrumpiert werden. Die großen technisch-wirtschaftlichen Fortschritte der vergangenen 30 Jahre – z.B. Internet, Google, Digitalisierung, Organmedizin, Raumfahrt usw. --, würden sich in ihren revolutionären und antreibenden Wirkungen auf die Wirtschaft und auf die menschlichen Lebensstandards mit Sicherheit auch in den kommenden 30 Jahren fortsetzen. Daher kann Thieme mit dem derzeit stark verbreiteten Krisenpessimismus nichts anfangen; er rechnet im Gegenteil mit einer vielversprechenden Zukunft für die kommenden Generationen.
Eine Lanze für Aktien und ETF.
Von Geldanlagen in die zuletzt modisch gewordenen Kryptowährungen wie Bitcoins oder durch Glückspiel im Casino rät Heiko Thieme mit guten Gründen ab. Man lasse sich da in unkontrollierbare Abenteuer ein, die mehr Risiko als echten Ertrag bringen; daher sollte man höchstens ein Prozent vom eigenen Vermögen in diese Kategorie investieren. Aktien seien nach wie vor gewinnbringend, besonders aus dem Technologiesektor wie Fresenius, VW, Mercedes Benz oder Continental, aber auch Bayer, BASF, SAP oder aus dem Textilbereich wie Zalando, aus dem Nahrungsmittelbereich wie Nestle oder aus dem Gesundheitsbereich wie Hoffman-La Roche. Dabei seien antizyklische Strategien empfehlenswert.
Thieme rät zu Aktienkäufen und -verkäufen nur in Tranchen, nie in gierigen Großmengen und lediglich bei fallenden Kursen einsteigen, nie bei steigenden. „Ich bin kein Trend Follower, sondern Antizykliker; ich kaufe, was fällt, aber auch was substanziell unterbewertet ist. VW ist mit einer Dividendenrendite von 5 Prozent ein Beispiel; da kann man nichts falsch machen. Wenn aber ein Wert fällt, weil er schlecht ist, wäre es falsch, ihn zu kaufen.“
Thieme rechnet mit langfristig steigenden Aktienkursen: „Der DAX-Index wird bis 2050 mindestens die 50.000er-Marke sehen, der Dow Jones die 100.000er Marke; das seien, so Thieme, konservative Prognosen, die unter dem bisherigen langfristigen Trend liegen. Auch in diesem Jahrzehnt würden die Aktienkurse weiter steigen trotz einer erhöhten Volatilität.
Weiters bricht Thieme eine Lanze für Exchange-traded Funds (ETF) und nennt seine Gründe: Er hält dieses Instrument für genial; seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts verfolge er es interessiert. „80 Prozent aller Fondsmanager schaffen es derzeit nicht, den Aktienindex zu schlagen. Die Mischung, die man bei einem ETF hat, ist ideal, und der Kostensatz ist mit maximal 0,2 Prozent sehr gering. Aktiv gemanagte Fonds nehmen dagegen 0,75 bis 1,5 Prozent Managementgebühr, manchmal sogar mehr, und nur 20 Prozent von ihnen schlagen den Index. Wer heute als Privater in einen ETF investiert, hat quasi einen aktiv gemanagten Fonds, da regelmäßig Einzelwerte aus dem Fonds genommen und andere hinzugefügt werden. Man hat so ein sich ständig wechselndes Portefeuille, ohne die hohen Managementkosten eines aktiven Fonds tragen zu müssen. ETF sollten bis zu 50 Prozent einer privaten Geldanlage ausmachen.“
Unstimmige Währungsrelationen.
Der Schweizer Franken sei seit langem stark überbewertet, der japanische Yen momentan dagegen krass unterbewertet. Auch der Euro als EU-Gemeinschaftswährung sei derzeit eher unterbewertet, meint Thieme. Aufgrund eines aktuellen Kaufkraftvergleiches müsste die Relation zum US-Dollar bei 1,30 liegen anstatt derzeit unter pari. Die momentane Differenz sei auch mit den unterschiedlichen Zinshöhen in den Währungsgebieten zu erklären.
Thieme erklärt die Hintergründe der gegenwärtigen Konkurrenz der Maßnahmen der großen Zentralbanken zur Bewältigung der Hyperinflation und der lahmenden Konjunkturimpulse. „Die FED hat es einfacher als die EZB, denn sie hat nur für ein Land zu entscheiden. Die EU besteht aus 27 einzelnen Ländern mit 27 unterschiedlichen Finanzpolitiken, mit unterschiedlichen Verschuldungshöhen; da ist eine gemeinsame Finanzpolitik wesentlich komplizierter als in den USA. EZB-Präsidentin Christine Lagarde kann sich unter diesen Umständen nicht so leicht durchsetzen. Die EZB hat 11 Jahre lang eine negative Zinspolitik als Rettung vor einer Krise gefahren, ein Problem, das von den USA ausgegangen ist, eine Immobilien- und Hypothekenkrise, die in den USA aus blanker Gier entstanden ist und nach Europa verschleppt worden ist.
Zur aktuellen Währungssituation: Die USA haben in der derzeitigen Zinswende zu spät gehandelt; sie hätten das ein Jahr früher tun müssen; aber sie wollten zuerst vorsorgen, dass ihre Wirtschaft nicht wieder einbricht. Durch die Covid-Krise Anfang 2020 ist die amerikanische Wirtschaft bekanntlich um ein Drittel des US-BIP eingebrochen. Das hat es seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts nicht mehr gegeben! Die Welt ist heute trotzdem sicherer als früher, obwohl das Problem noch nicht vom Tisch ist. Aber seit dem 24. Februar haben wir den Ukraine-Krieg, der uns vor völlig neue Herausforderungen stellt.“
Prioritäten zur Absicherung der Zukunft.
Heiko Thieme gibt seinen Zuhörern einen Katalog von sieben Geboten mit. Diesen sollte jeder beachten, der Interesse daran hat, dass jene Probleme, die uns heute belasten, überwunden und neue, bessere Aspekte vorbereitet werden:
• Toleranz gegen jedermann üben; die Interessen und Ansichten anderer beachten; Kontroversen durch Akzeptanz anderer Denk- und Handlungsweisen abbauen.
• Freigabe des Drogenkonsums; damit können die Drogenkartelle abgeschafft und Billionenwerte eingespart werden.
• Kostenfreie medizinische Vorsorge für jedermann.
• Bedingungsloses Grundeinkommen für alle, die von der Hand in den Mund leben; so werde die Existenz für alle und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung im Inland gesichert. Das Grundeinkommen darf nur im Inland ausgegeben werden.
• Freie Bildung und Erziehung für den Nachwuchs.
• Maximale Einkommensteuer von 20 Prozent für jeden ohne Ausnahmen.
• Einführung einer Erbschaftsteuer für alle von 50 Prozent für sämtliche hinterlassenen Vermögen, die höher als 10 Millionen Euro sind. Mit dem Rest können die Erben gut leben.
Thieme: „Mit diesen sieben Geboten kann man die gesamte Erde auf ein Niveau bringen, wo niemand mehr hungern muss, wo alle miteinander friedlich leben können. Das alles mag illusionär klingen, aber man muss Visionen haben, um den Menschen zu zeigen, wie man die akuten Probleme lösen und wie es besser weitergehen könnte.“
Über Heiko Thieme
Er ist ein begnadeter Redner und wurde in der österreichischen Presse bereits vor Jahren als „Jules Verne der Börse“ bezeichnet. Er wird in den nächsten Tagen 79 und nennt sich „rationeller Optimist“. Sein Leitspruch: „Der Pessimist ist der einzige `Mist`, auf dem nichts wächst.“ Seit mehr als 40 Jahren verbringt er seine Zeit zwischen den USA und Europa, wobei er einen Teil des Sommers mit Familie – Frau, drei Kinder und fünf Enkel - im winzigen Dorf Cadaques in der spanischen Provinz Katalonien lebt, das stark vom berühmten Maler Salvadore Dali geprägt worden ist. Für Thieme ist es der „schönste Ort der Erde“ mit Blick auf das Mittelmeer. In diesem Ort tankt er seine unversiegbare Zuversicht auf, die ihn zur Überzeugung führt, „dass wir uns nicht vom heute weit verbreiteten Neid und Nörglertum anstecken lassen, sondern versuchen müssen, uns aus der Krise selbst herauszuretten“. Er bezeichnet sich beruflich als globaler Anlagestratege; seine Beschäftigung mit Wirtschaft, Politik und Börsen geht auf 52 Jahre zurück, wobei seine Berufsstationen Edinburgh, London und New York waren. Er machte sich einen internationalen Namen als Fondsmanager in den neunziger Jahren; schrieb von 1987 bis 2003 eine Wochenkolumne in der FAZ über die Wallstreet und hatte eine Adjunkt-Professur an der New Yorker Pace University im Finanzsektor. Seinen zweisprachige Börsenbrief „The Viewpoint“/“Der Standpunkt“ verfasste er von 1979 bis 2006 und dieser wurde weltweit gelesen. Weiters ist Thieme stolz auf die frühere Fachausbildung von 300 jungen Leuten, die er jetzt mit einer Handvoll Studenten aus Reutlingen virtuell fortsetzt. Sein Lebensmotto lautet: „Wenn man sich täglich mit etwas Sinnvollem beschäftigt, die Gehirnzellen aktiv hält, vermeidet man Alzheimer. Mein Konzept ist weiterhin: ohne schriftliche Unterlagen eine Stunde lang über die jeweils aktuelle Lage an den Börsen und Kapitalmärkten zu referieren.“ Thiemes persönliches Bekenntnis ist ebenso ungewöhnlich wie aufregend: „Freue Dich über jeden, dem es besser geht als Dir; denn dieser schafft mit seinem Geld neue Arbeitsplätze, regt neue Ideen und Initiativen an und hält die Wirtschaft am Laufen!“
Er ist ein begnadeter Redner und wurde in der österreichischen Presse bereits vor Jahren als „Jules Verne der Börse“ bezeichnet. Er wird in den nächsten Tagen 79 und nennt sich „rationeller Optimist“. Sein Leitspruch: „Der Pessimist ist der einzige `Mist`, auf dem nichts wächst.“ Seit mehr als 40 Jahren verbringt er seine Zeit zwischen den USA und Europa, wobei er einen Teil des Sommers mit Familie – Frau, drei Kinder und fünf Enkel - im winzigen Dorf Cadaques in der spanischen Provinz Katalonien lebt, das stark vom berühmten Maler Salvadore Dali geprägt worden ist. Für Thieme ist es der „schönste Ort der Erde“ mit Blick auf das Mittelmeer. In diesem Ort tankt er seine unversiegbare Zuversicht auf, die ihn zur Überzeugung führt, „dass wir uns nicht vom heute weit verbreiteten Neid und Nörglertum anstecken lassen, sondern versuchen müssen, uns aus der Krise selbst herauszuretten“. Er bezeichnet sich beruflich als globaler Anlagestratege; seine Beschäftigung mit Wirtschaft, Politik und Börsen geht auf 52 Jahre zurück, wobei seine Berufsstationen Edinburgh, London und New York waren. Er machte sich einen internationalen Namen als Fondsmanager in den neunziger Jahren; schrieb von 1987 bis 2003 eine Wochenkolumne in der FAZ über die Wallstreet und hatte eine Adjunkt-Professur an der New Yorker Pace University im Finanzsektor. Seinen zweisprachige Börsenbrief „The Viewpoint“/“Der Standpunkt“ verfasste er von 1979 bis 2006 und dieser wurde weltweit gelesen. Weiters ist Thieme stolz auf die frühere Fachausbildung von 300 jungen Leuten, die er jetzt mit einer Handvoll Studenten aus Reutlingen virtuell fortsetzt. Sein Lebensmotto lautet: „Wenn man sich täglich mit etwas Sinnvollem beschäftigt, die Gehirnzellen aktiv hält, vermeidet man Alzheimer. Mein Konzept ist weiterhin: ohne schriftliche Unterlagen eine Stunde lang über die jeweils aktuelle Lage an den Börsen und Kapitalmärkten zu referieren.“ Thiemes persönliches Bekenntnis ist ebenso ungewöhnlich wie aufregend: „Freue Dich über jeden, dem es besser geht als Dir; denn dieser schafft mit seinem Geld neue Arbeitsplätze, regt neue Ideen und Initiativen an und hält die Wirtschaft am Laufen!“
Die tägliche Markteinschätzung von Heiko Thieme gibt es unter www.heiko-thieme.club.
Aus dem Börse Express PDF vom 06.09. hier zum Download