Handelskrieg 2.0: Trumps ASEAN-Triumph und die neue Weltordnung

Liebe Leserinnen und Leser,

während Europa am Sonntagnachmittag die Uhren zurückstellt, dreht Donald Trump in Kuala Lumpur die Zeit vorwärts – und schreibt dabei gleich die Spielregeln der Weltpolitik neu. Der US-Präsident landet zum ASEAN-Gipfel und hinterlässt schon nach wenigen Stunden eine Spur von Handelsabkommen, Waffenstillständen und geopolitischen Verschiebungen, die uns Europäern zu denken geben sollten.

Die Inszenierung könnte hollywoodreifer kaum sein: Trump tanzt mit malaysischen Zeremonientänzern am roten Teppich, schwingt die Flaggen beider Länder und unterschreibt nebenbei Deals, die Chinas Dominanz bei kritischen Rohstoffen brechen sollen. Doch hinter der Show verbirgt sich knallharte Machtpolitik – mit Folgen, die bis in unsere Portfolios reichen.

Die neue Seidenstraße führt durch Washington

Dass ausgerechnet Trump als Friedensstifter zwischen Thailand und Kambodscha auftritt, mag überraschen. Noch bemerkenswerter ist jedoch, wie geschickt er wirtschaftliche Hebel nutzt: Beide Länder erhielten die unmissverständliche Botschaft, dass weitere Handelsgespräche mit den USA nur bei Waffenruhe möglich seien.

Das Ergebnis? Ein erweitertes Waffenstillstandsabkommen vor einer Kulisse mit US-Insignien und dem Schriftzug "Delivering Peace". Hun Manet, Kambodschas Premierminister, nominierte Trump prompt für den Friedensnobelpreis – eine Geste, die mehr über die neuen Machtverhältnisse in Südostasien aussagt als jede Analyse.

Während die EU noch über gemeinsame Außenpolitik debattiert, schafft Trump Fakten. Innerhalb weniger Stunden unterschrieb er Handelsabkommen mit Thailand, Malaysia, Kambodscha und Vietnam. Der gemeinsame Nenner: Alle verpflichten sich, ihre Märkte für US-Produkte zu öffnen und – besonders brisant – ihre Lieferketten für kritische Mineralien zu diversifizieren.

Der Kampf um die seltenen Erden

Malaysia verpflichtete sich, keine Exportbeschränkungen für kritische Mineralien in die USA zu verhängen. Das mag technisch klingen, ist aber ein direkter Angriff auf Chinas Quasi-Monopol bei seltenen Erden. Mit geschätzten 16,1 Millionen Tonnen Reserven wird Malaysia zum Schlüsselspieler in einem Spiel, bei dem es um nichts weniger als die technologische Zukunft geht.

Die Timing-Frage ist dabei kein Zufall: China hat in den vergangenen Monaten seine Exportkontrollen für Raffinerietechnologie verschärft. Gleichzeitig verhandeln chinesische Unternehmen mit Malaysias Staatsfonds Khazanah über den Bau einer Raffinerie. Trump kontert mit eigenen Deals – und plötzlich wird aus einem regionalen Gipfel ein globales Schachspiel um Ressourcen, von denen unsere E-Autos, Windräder und Smartphones abhängen.

Für europäische Unternehmen bedeutet das: Die Beschaffung kritischer Rohstoffe wird zum geopolitischen Minenfeld. Wer sich zu sehr auf chinesische Lieferketten verlässt, könnte bald zwischen den Fronten stehen.

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Apropos kritische Rohstoffe und Technologie: Der Kampf um seltene Erden hat längst eine zweite Front eröffnet – den Chip-Sektor. Denn ohne Mikrochips funktioniert keine moderne Industrie. Wer verstehen möchte, welche Unternehmen jetzt im Zentrum dieser tektonischen Verschiebungen stehen und wie Anleger davon profitieren könnten, findet hier eine fundierte Analyse zum Thema „Die neue Nvidia – Europas Antwort auf den Chipkrieg“.

Shutdown als Machtdemonstration

Während Trump in Asien Deals unterschreibt, demonstriert er zu Hause seine erweiterte Macht. Der seit dem 1. Oktober andauernde Government Shutdown – der erste des neuen Fiskaljahres 2026 – offenbart eine beunruhigende Verschiebung der Gewichte zwischen Exekutive und Legislative.

Trumps Budgetdirektor Russell Vought, den der Präsident liebevoll mit Darth Vader vergleicht, hat Milliarden an Bundesmitteln für demokratisch geführte Bundesstaaten eingefroren. Gleichzeitig stellt er sicher, dass Militär und bewaffnete Strafverfolgungsbehörden weiter bezahlt werden. Die Botschaft ist klar: Wer die Waffen hat, bekommt sein Geld.

Selbst republikanische Senatoren zeigen sich besorgt. "Wenn ich die Demokraten wäre, würde ich viele öffentliche Zusicherungen oder gesetzliche Formulierungen verlangen", meint Thom Tillis aus North Carolina. Die Demokraten weigern sich, Ausgabengesetze zu verabschieden, ohne Garantien, dass Trump sich daran hält. Ein Teufelskreis, der die Handlungsfähigkeit des Kongresses aushöhlt.

Ein Kommentar aus der Brookings Institution trifft den Kern: "Wie verhandelt man längerfristige Ausgabenvereinbarungen, wenn man nicht glaubt, dass die Exekutive die Gesetze auch umsetzt?" Die Gewaltenteilung, einst Grundpfeiler der amerikanischen Demokratie, erodiert vor unseren Augen.

Die Xi-Trump-Show: Zweiter Akt

Der eigentliche Höhepunkt steht noch bevor: Am Donnerstag treffen sich Trump und Xi Jinping in Seoul. Nach zwei Tagen intensiver Vorverhandlungen in Kuala Lumpur klingt Trump optimistisch: "Ich denke, wir werden einen Deal mit China bekommen."

Treasury Secretary Scott Bessent spricht von einem "erfolgreichen Rahmen" für die Gespräche. Doch was bedeutet "erfolgreich" in einem Handelskrieg, in dem beide Seiten bereits mit dreistelligen Zöllen drohen? Trump hat 100-Prozent-Zölle auf chinesische Waren ab dem 1. November angedroht, sollte China seine Exportkontrollen für seltene Erden nicht lockern.

Die Themenpalette für Seoul ist lang: Sojabohnen-Käufe, Taiwan, die Freilassung des Hongkonger Medienmoguls Jimmy Lai, Fentanyl und TikTok. Jedes einzelne Thema birgt Sprengstoff. Besonders brisant: US-Außenminister Marco Rubio stellte klar, dass die USA Taiwan nicht für Handelsvorteile aufgeben werden.

Für europäische Unternehmen wird das Ergebnis dieser Gespräche entscheidend. Ein Deal könnte die Märkte beruhigen, ein Scheitern jedoch eine neue Eskalationsspirale auslösen. Die fragile Waffenruhe im Handelskrieg läuft am 10. November aus – ohne Verlängerung drohen neue Turbulenzen.

Der Preis des Friedens

Was auf den ersten Blick wie diplomatische Erfolge aussieht, hat einen hohen Preis. Trump kauft sich Einfluss in Südostasien durch Handelskonzessionen, die amerikanische Verbraucher bezahlen werden. Die 19-Prozent-Zölle auf Importe aus Thailand, Malaysia und Kambodscha bleiben bestehen – ein merkwürdiger "Freihandel".

Die eigentliche Botschaft richtet sich an China: Die USA bauen systematisch alternative Lieferketten auf. Jedes Land, das mitmacht, bekommt Marktzugang. Jedes Land, das sich verweigert, riskiert Trumps Zorn – siehe Kanada, wo er am Samstag die Zölle um weitere 10 Prozent erhöhte.

Für Europa ist das eine unbequeme Lektion. Während wir noch über strategische Autonomie theoretisieren, schaffen andere Fakten. Die neue Weltordnung wird nicht in Brüssel verhandelt, sondern in Kuala Lumpur, Seoul und Mar-a-Lago.

Blick voraus: Die kommende Woche

Die Märkte werden gespannt auf Details aus Seoul warten. Schafft es Trump tatsächlich, einen Deal mit Xi zu schmieden? Oder eskaliert der Handelskrieg in eine neue Phase? Die Deadline 1. November rückt näher.

In Deutschland richtet sich der Fokus unterdessen auf die anstehenden Konjunkturdaten. Nach den gemischten Signalen aus Asien bleibt die Frage: Wie stark treffen uns die geopolitischen Verwerfungen? Die Abhängigkeit von globalen Lieferketten könnte sich als Achillesferse erweisen.

Eines ist klar: Die Welt ordnet sich neu, und sie wartet nicht auf Europa. Trumps Tanz in Malaysia war mehr als eine folkloristische Einlage – es war der Auftakt zu einer neuen Ära der Machtpolitik, in der wirtschaftliche und militärische Stärke untrennbar verbunden sind.

Ob uns das gefällt oder nicht: Wir werden lernen müssen, in dieser Welt zu navigieren. Die Alternative wäre Bedeutungslosigkeit.

Einen nachdenklichen Sonntag wünscht Ihnen

Ihr Eduard Altmann