Bei der Betrachtung von Value- und Growth ist die Bezugsgröße für die Bewertung in der Regel eine gegenwartsbezogene. Es werden quantitative Kennzahlen wie KGV, Dividendenrendite und Wachstumsraten miteinander verglichen und aus der relativen Bewertung erfolgt dann der Schluss, ob ein Titel unter- oder überbewertet ist. Somit entstehen pauschale Aussagen wie zum Beispiel Autotitel und Banken sind preiswert, Tech-Aktien sind teuer.

Die wesentlichen Kriterien für zukünftigen Unternehmenserfolg, die zukünftige Ertragskraft und das Potenzial für zukünftiges Wachstum werden weitgehend ausgeblendet. Des weiteren bleiben die Konsequenzen, die sich durch das strikte Ausrichten auf eine nachhaltige Wirtschaft und auf ESG-Kriterien unberücksichtigt. Somit liefert eine Analyse, die auf gegenwartsbezogene Daten basiert kein umfassendes Bild, sondern vernachlässigt wesentliche Aspekte. Notwendig für dauerhaften Erfolg ist heute ein 360-Grad Blick auf die Qualität der Unternehmen, die zumindest folgende Aspekte berücksichtigt:

1. Zukunftspotential des Geschäftsmodell 

2. ESG-konforme Unternehmensführung

3. Bilanzielle Qualität 

4. (globaler) Zielmarkt

Das Betrachten des Zukunftspotentials eines Geschäftsmodells ist sicherlich immer die Basis einer grundlegenden Analyse. So sind die Wachstums- und Ertragsaussichten eines Biotechunternehmen, das die mRNA-Technologie verwendet (zum Beispiel Biontech/ Moderna) deutlich größer als bei einem traditionellen Pharmahersteller (Merck, Sanofi). Die Zukunftsaussichten sind unabhängig von der Bewertung bei einem Hersteller von erneuerbaren Energien besser als bei Förderern von fossilen Brennstoffen. Darüber hinaus ist es wesentlich, dass die Unternehmen in einem Segment mit hohen Eintrittsbarrieren bzw. mit Alleinstellungsmerkmal (zum Beispiel Nvidia, Alphabet) tätig sind. Daher sollten Investitionen vorrangig in Unternehmen mit klarem Zukunftspotenzial erfolgen.

ESG konforme Unternehmensführung wird ein zentrales Kriterium für langfristigen Erfolg. Nur Unternehmen die nachhaltige und soziale Führung entsprechend der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN verinnerlicht haben, diese kommunizieren und leben werden dauerhaft Erfolg haben. Beispiele sind Merck, Sonova, Aixtron.

Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass „Schwarze Schwäne“ häufiger werden und dass die Konsequenzen schwerwiegender sein können. Daher ist bilanzielle Qualität (hohes Eigenkapital, geringe Verschuldung) Grundvoraussetzung für dauerhaften Erfolg. Zweiter wesentlicher Punkt ist, dass nur mit einer starken Bilanz die Aufwendungen für Forschung, Weiterentwicklung und Marktanteilsgewinne gesichert werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist die Bankenbranche. Aufgrund der schnellen bilanziellen Erholung (mit Unterstützung durch US-Politik) konnten US-Banken deutlich stärker von der Marktentwicklung und den Marktchancen als ihre europäischen Konkurrenten profitieren. Resultat ist eine andere Bankenlandschaft als in den 2000er Jahren und eine langanhaltende Schwäche Europas.

Weiteres Erfolgskriterium ist eine breite über verschiedene Region angesiedelte Kundenbasis. Der Erfolg von LVMH (Luxus, Mode) oder LÒreal (Kosmetik, Pflegeprodukte) ist auch der Tatsache geschuldet, dass sie stark in Asien und nicht nur in Europa positioniert sind. Überwiegend in Europa orientierte Hersteller in ähnlichen Branchen (zum Beispiel Boss, Henkel) haben das Nachsehen. Allgemein gilt: je breiter und überregional gestreuter die Kundenbasis ist, desto größer sind die langfristigen Erfolgsaussichten. Für Investoren ergeben sich somit folgende Tendenzen: Branchen wie Tourismus, Luftfahrt, Kohle und Stahl sind eher zu meiden. Investitionen in Branchen wie Chemie, Autos, Bergbau und Bau sind besonders auf Nachhaltigkeit zu prüfen. Unternehmen aus Branchen wie Gesundheit, Technologie, grüne Industrien und Nahrung sind eher zu bevorzugen. Des Weiteren ist zukünftig eine strikte ESG-Orientierung bei allen Investitionen zu beachten. Dies kann über Fonds (zum Beispiel ÖkoVision, WKN A1C7C2) erfolgen oder über direkte Aktieninvestionen (zum Beispiel Orsted, Sonova, American Water Works)

Die Frage nach Value oder Growth, diese Frage spielt aus meiner Sicht inzwischen eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist eine konsequent auf Qualität ausgerichtete Strategie, die Nachhaltigkeitskriterien konsequent berücksichtigt. 

Aus dem Börse Express-PDF vom 22. Juli - hier zum kostenlosen Download

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