Green Bonds: Balance aus Impact, Transparenz, Liquidität und Bonität (Andreas Görler)
29.08.2023 | 12:20
Trotz regulatorischer Hürden nimmt die Nachfrage nach nachhaltigen Investments seit Jahren stetig zu. Insbesondere Pensionsfonds, Stiftungen und Versicherungen sind als treuhänderische Investoren mittlerweile dazu verpflichtet als nachhaltig klassifizierte Anlagen in Portfolios zu integrieren.
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Zu einem gut strukturierten Portfolio gehören aber eben auch Anleihen. Außerdem benötigen einige Großinvestoren auch regelmäßige, stabile Erträge, um monatliche Auszahlungen zu generieren. Reine Aktiendepots sind oft auch aufgrund von gesetzlichen Vorgaben nicht zulässig.
Aber auch deutsche Privatanleger, die traditionell empfänglich für höhere Zinskupons sind, fragen diese Papiere nach, insbesondere da hier auch kleinere Nominalstückelungen handelbar sind. Die Anzahl als nachhaltig deklarierten Anleihen und aktiven oder passiven Rentenfonds hat sich in den letzten Jahren deshalb ebenfalls erhöht. Die Climate Bond Initiative (CBI) bezifferte das Emissionsvolumen für das gesamte Anleihesegment, Ende 2022 mit 858 Mrd. US-Dollar. Grüne Anleihen machten hiervon ca. 487 Mrd. US-Dollar aus.
Greenbonds.
Seit 2014 gibt es mit den Green Bond Principles (GBP) einen Standard, auf den sich Emittenten in der International Capital Markets Association geeinigt haben. Allerdings handelt es sich hierbei um freiwillige Prozessrichtlinien, die Emittenten zur Transparenz und Offenlegung anhalten sollen. 2020 hat die EU auch Green Bond Standards verabschiedet damit auch internationale Standards gesetzt werden können. Danach sind Greenbonds Anleihen deren Emissionserlöse ausschließlich zur anteiligen oder kompletten (Re)-Finanzierung „grüner Projekte“ verwendet werden. Grüne Projekte finden sich beispielsweise in den Segmenten Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Erhalt der Biodiversität oder Wassermanagement. Besonderer Wert wird dabei auf die Verwendung der Emissionserlöse, den Prozess der Projektbewertung, dem Management der Erlöse und der Berichterstattung gelegt. Meist handelt es sich um Unternehmensanleihen aber auch Staatsanleihen wie „grüne Bundesanleihen“ sind vorhanden.
Klassische Auswahlkriterien bleiben relevant.
Problematisch wird es, wenn Anleger ausschließlich auf den gewünschten Impact und die Transparenz schauen und die Liquidität (Handelbarkeit) sowie die Bonität bzw. das Rating völlig außer Acht lassen, schließlich handelt es sich bei aller Nachhaltigkeit, um ein Investment, dass neben den zugesagten Zinsen auch eine Rückzahlung gewährleisten soll. So integrieren insbesondere Privatanleger allzu oft Papiere mit sehr geringem Emissionsvolumen von unter 30 Mio. Euro ins eigene Depot, die dann eben auch nur sehr geringe Börsenumsätze aufweisen. Insbesondere Letzteres kann zu erheblichen Problemen, mit enormer Spread-Ausweitung führen, wenn Zinsen steigen oder es negative Daten aus dem Unternehmen gibt. Oft sind diese Papiere noch zu kleineren Stückelungen von nominal 1000 Euro handelbar und auch deshalb bei Privatanlegern beliebt.
Chance-Risikoprofil im Portfolio nicht immer optimal.
In einem mir vorliegenden Fall hat eine Mandantin bei einer bekannten deutschen Vermögensverwaltung ein absolut nachhaltiges Depot, dessen Anleihesegment ausschließlich aus elf Anleihen mit geringem Emissionsvolumen und überdurchschnittlich hohen Zinskupons besteht. Der Rentenblock entspricht 45 Prozent. Davon ist bereits eine Anleihe ausgefallen und vier Papiere sind seit Monaten nicht mehr handelbar. Trotzdem wird der „aktuelle Kurs“ jeweils mit 100 Prozent ausgewiesen, was in der Praxis auch zulässig ist, weil das der letzte gehandelte Kurs war. Die Papiere sind im Moment aber unverkäuflich, was durchaus problematisch sein kann, wenn die Kundin jetzt das Depot auflösen möchte. Immerhin handelt es sich hier um 20 Prozent des gesamten Depotvolumens. Es gibt auch einige nachhaltige Rentenfonds, die fast ausschließlich aus diesen Papieren bestehen. Wenn man da mal rein schaut, finden sich auch einige Papiere für die bereits seit längerer Zeit kein Kurs festgestellt werden kann. Die echten Probleme entstehen immer erst dann, wenn größere Volumen ausgezahlt werden sollen.
Richtige Prioritäten setzen.
Oft sind es sogenannte (nachhaltige) Mittelstandsanleihen, die der reinen Projektfinanzierung dienen. Damit sind diese Papiere klar strukturiert, transparent und der Impact ist ausgeprägt. Für nachhaltige Anleger ist das dann meist bereits das wichtigste Entscheidungskriterium. Medial finden sich eher Artikel zum Thema Greenwashing und man diskutiert die nachhaltige Wirkung der einzelnen Papiere. Andere Publikationen erörtern, ob grüne Anleihen mehr Rendite erwirtschaften als klassische Rentenwerte. Diese Fragen sind selbstverständlich relevant. Allerdings muss man bei solchen Vergleichen darauf achten, ob die Bonität bei den jeweiligen Emittenten identisch ist und eine vergleichbare Liquidität gegeben ist. Auch längere Laufzeiten, die beispielsweise bei Anleihen für Projektfinanzierungen auftreten, erfordern eine noch genauere Analyse, da der Emittent für eine längere Zeit stabil aufgestellt sein muss. Ein Kriterium, um die Kreditwürdigkeit zumindest subjektiv einzuschätzen, sind die meist deutlich höheren Zinssätze, die diese Firmen zahlen (müssen), da entweder kein oder nur ein schwaches Rating vorhanden ist. Das betrifft natürlich nicht nur den nachhaltigen Bereich, sondern gilt für alle verzinslichen Wertpapiere.
Fazit.
Ignoriert man die Fundamentaldaten der emittierenden Unternehmen erlebt man böse Überraschungen, wie die negativen Beispiele von Unternehmen wie SAG Solarstrom, Solarwatt, Solen AG, Centrosolar, Rena, SIAG, Schaaf, Windreich, MT-Energie, BKN Solarsrom, SIC Processing, Prokon, KTG Agrar, German Pellets oder Deutsche Lichtmiete AG zeigen. Deren Anleihen waren Total- oder Teilausfälle für die Anleger. Die genannten Mittelstandsanleihen kann man, aufgrund des Tätigkeitsfeldes (erneuerbare Energien, Zulieferer für Solarstrom, Landwirtschaft), zu nachhaltigen Investments zählen. Aktuell befindet sich auch der Deutsche Mittelstandsanleihefonds-KFM mit einem Volumen von 130 Mio. Euro in Liquidation. Natürlich ist nicht jede grüne Anleihe eine Mittelstandsanleihe, da auch Staatsanleihen oder Papiere der KfW dazuzählen.
Auf der im Juni 2023 veröffentlichten Übersicht von ECO-Reporter befinden sich unter den 50 genannten Papieren aber eine ganze Reihe, die dem Segment zuzuordnen sind. Zu einem Großteil der Anleihen ist auch eine umfassende Analyse abrufbar. Bei allem Streben nach Nachhaltigkeit und Impact sollte, insbesondere bei Anleihen mit geringem Emissionsvolumen, kleineren Mindeststückelungen und überdurchschnittlichen Zinskupons die Kreditanalyse stets im Vordergrund stehen.
Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.
Aus dem Börse Express PDF vom 29.08.2023
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