Goldfieber und Gasdrohungen: Wenn Märkte die Nerven verlieren

Liebe Leserinnen und Leser,

während Europa mal wieder zwischen Erpressung und Eskalation schwankt – diesmal mit Gazprom in der Hauptrolle – explodiert in Vancouver eine Goldmine namens Chesapeake. Nein, nicht wortwörtlich, aber der Verkauf des mexikanischen Tatatila-Projekts für knapp 15 Prozent der Anteile an Mexican Gold wirft die alte Frage auf: Wann ist ein Deal zu gut, um wahr zu sein? Derweil testet der Ölmarkt neue Tiefststände, Tesla-Fahrer in München bleiben ohne Oktoberfest-Maß, und in Brüssel steigt die Inflation pünktlich wie die Blätter fallen. Ein ganz normaler Mittwochnachmittag im Oktober 2025 also.

Das große Goldschachspiel: Wenn Mining-Giganten ihre Kronjuwelen verscherbeln

Chesapeake Gold hat gestern Abend einen Deal verkündet, der in Bergbaukreisen für hochgezogene Augenbrauen sorgt: Das Tatatila-Projekt in Mexiko geht für 14,99 Prozent der Anteile an Mexican Gold plus eine Royalty über den Tisch. Die Börse quittierte die Nachricht mit einem Schulterzucken – beide Aktien bewegten sich kaum.

Was hier wirklich passiert, ist ein Lehrstück in Sachen Portfoliobereinigung. Chesapeake sitzt auf dem gigantischen Metates-Projekt mit über 16 Millionen Unzen Gold, aber die Entwicklung verschlingt Unsummen. Der Verkauf von Tatatila bringt zwar keine sofortige Liquidität, sichert aber langfristige Einnahmen durch die Royalty-Vereinbarung. Mexican Gold wiederum, mit einem Börsenwert von gerade mal 15 Millionen kanadischen Dollar, bekommt ein Projekt quasi geschenkt, das die eigene Las Minas-Mine perfekt ergänzt.

Das Timing ist kein Zufall: Gold notiert weiterhin über 2.600 Dollar pro Unze, Zentralbanken kaufen wie besessen, und die geopolitischen Spannungen – siehe Ukraine – treiben sichere Häfen. Doch der eigentliche Clou liegt im Detail: Chesapeake darf zwei Jahre lang nicht über die Mexican Gold-Aktien verfügen und muss sogar mit dem Management stimmen. Ein goldener Käfig sozusagen.

Gazprom dreht am Gashahn: Europas Energiepoker geht in die nächste Runde

Die Drohung kam per Telegram, wie es sich für moderne Wirtschaftskriege gehört: Russland könnte die Gaslieferungen durch die Ukraine komplett einstellen. Gazprom-Chef Alexei Miller ließ durchblicken, dass die technischen Kapazitäten für alternative Routen nach Europa "begrenzt" seien. Übersetzung: Entweder ihr tanzt nach unserer Pfeife, oder der Winter wird ungemütlich.

Die Märkte reagierten erstaunlich gelassen. Der niederländische TTF-Gaspreis stieg zwar um 3 Prozent auf 39 Euro pro Megawattstunde, liegt aber immer noch 70 Prozent unter den Panikwerten von 2022. Warum? Europa hat gelernt. Die Gasspeicher sind zu 94 Prozent gefüllt, LNG-Terminals schießen wie Pilze aus dem Boden, und die Industrie hat ihren Verbrauch drastisch reduziert.

Trotzdem bleibt die Lage explosiv. Die Ukraine verliert mit den Transitgebühren eine wichtige Einnahmequelle – immerhin 800 Millionen Dollar jährlich. Und Länder wie die Slowakei und Österreich, die noch immer am russischen Tropf hängen, könnten in Bedrängnis geraten. Die wahre Schlacht findet aber woanders statt: in den Chefetagen der Energiekonzerne, wo gerade die Gewinnprognosen für 2026 kassiert werden.

OPEC+ pokert hoch: Der Ölpreis im freien Fall

Während Europa um Gas bangt, bricht am Ölmarkt gerade eine andere Dynamik durch. OPEC+ plant offenbar, die Produktion im November um bis zu 500.000 Barrel pro Tag zu erhöhen – dreimal mehr als bisher geplant. Saudi-Arabien will Marktanteile zurück, koste es, was es wolle.

Die Rechnung ist brutal einfach: Brent und WTI haben seit Montag über 4 Prozent verloren und dümpeln bei 66 bzw. 62 Dollar. Das ist weit entfernt von den 80 Dollar, die die Saudis für einen ausgeglichenen Staatshaushalt brauchen. Doch Kronprinz Mohammed bin Salman spielt ein längeres Spiel. Er will die US-Schieferölproduzenten ausbluten lassen, bevor diese mit Trumps möglicher Rückkehr ins Weiße Haus wieder Aufwind bekommen.

Die Verlierer stehen schon fest: BP, Shell und TotalEnergies haben ihre Investitionspläne für 2026 bereits zusammengestrichen. Die Gewinner? Verbraucher in Europa, wo die Spritpreise trotz schwachem Euro fallen könnten. Und China, das sich gerade günstig für die nächste Dekade eindeckt. Der IWF warnt bereits vor deflationären Tendenzen, sollte Öl unter 60 Dollar fallen. Eine verkehrte Welt, in der billiges Öl zum Problem wird.

Tech-Märkte im Höhenrausch: Wenn Bewertungen jede Logik sprengen

An der Nasdaq ist heute wieder Partytime: Apple kratzt an der 4-Billionen-Dollar-Marke, Microsoft legt 2 Prozent zu, und selbst Meta – trotz aller Datenschutz-Querelen in Europa – erreicht neue Allzeithochs. Der Grund? Die Quartalssaison steht vor der Tür, und die Erwartungen sind gigantisch.

Besonders spannend: Die Übernahme von Localyze durch Boundless Immigration für eine ungenannte Summe zeigt, wohin die Reise geht. Das Berliner Start-up, das Unternehmen bei der internationalen Mitarbeitermobilität unterstützt, passt perfekt in eine Welt, in der Tech-Talente zur härtesten Währung geworden sind. Y Combinator und General Catalyst waren investiert – wenn die aussteigen, ist meist der Zenit erreicht.

Derweil kämpft CureVac weiter ums Überleben. Die Aktie zeigt zwar eine "leichte Erholung" (plus 0,3 Prozent – wow!), aber mit einer Marktkapitalisierung von gerade mal 800 Millionen Euro ist der einstige Corona-Hoffnungsträger nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Pipeline ist dünn, das Geld wird knapp, und BioNTech sowie Moderna haben den Markt längst unter sich aufgeteilt.

Anzeige: Apropos Tech-Boom: Während Goldminen und Ölkonzerne um Marktanteile kämpfen, schreibt der Chip-Sektor gerade seine eigene Rockefeller-Geschichte. Der sogenannte „Megatrend-Tsunami 2025“ könnte für Investoren zur spannendsten Chance des Jahrzehnts werden. Welche europäische Aktie dabei als „neue Nvidia“ gehandelt wird – und warum Analysten von astronomischem Potenzial sprechen – können Sie hier nachlesen: Zur Analyse der neuen Nvidia-Aktie

Kurz notiert: Was sonst noch bewegt

Inflation in der Eurozone: Mit 2,2 Prozent im September liegt die Teuerung wieder über dem EZB-Ziel. Besonders Dienstleistungen (+3,2%) und Lebensmittel (+3,0%) treiben die Preise. Die Märkte bleiben gelassen – die nächste Zinssenkung ist trotzdem für Dezember eingepreist.

Münchner Oktoberfest-Drama: Eine Bombendrohung legte das weltgrößte Volksfest für fünf Stunden lahm. Der Täter, der zuvor Sprengsätze im elterlichen Haus gezündet hatte, nahm sich das Leben. Die Tourismusbranche atmet auf – der Schaden hält sich in Grenzen. Die Münchner Rück dürfte trotzdem ihre Policen überdenken.

Studentisches Wohnen: Die Mieten für Studierende stiegen 2025 "nur" um 2,3 Prozent – der geringste Anstieg seit Corona. In München zahlen Studenten trotzdem 837 Euro warm für 30 Quadratmeter. Die neue Normalität der Generation Praktikum.

Der Blick nach vorn

Die kommenden Tage werden spannend: Am Donnerstag verkündet die Bank of England ihre Zinsentscheidung – die Märkte erwarten eine Pause bei 4,75 Prozent. Am Freitag dann die US-Arbeitsmarktdaten, die darüber entscheiden könnten, ob die Fed im November nachzieht.

Aber das wirklich große Thema bleibt die Frage, wie lange die Märkte noch die Augen vor der Realität verschließen können. Die Bewertungen sind astronomisch, die geopolitischen Risiken nehmen zu, und die Notenbanken haben kaum noch Munition. Irgendwann platzt jede Blase – die Frage ist nur, ob es ein lauter Knall oder ein leises Zischen wird.

Was meinen Sie: Ist das der Beginn einer neuen Ära billigen Geldes, oder tanzen wir gerade auf dem Vulkan? Ich bin gespannt auf die nächsten Wochen – sie versprechen, alles andere als langweilig zu werden.

Mit nachdenklichen Grüßen aus dem herbstlichen Frankfurt

Eduard Altmann